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Kleider machen Sprache? – Was der Rock wert ist

KLEIDER MACHEN SPRACHE? | An den Federn erkennt man den Vogel, und an der Sprache … ja, was? Ohne Metaphern könnten wir überhaupt nicht sprachlich kommunizieren und auch Sprichwörter und Redewendungen sind eigentlich nicht wegzudenken. Warum sie dennoch manchmal unterschätzt werden, und das völlig zu Unrecht, erklärt Elisabeth Stursberg in dieser sisterMAG Kolumne. In dieser Ausgabe: Der Rock.

Hier findet ihr die weiteren Kolumnen: Der Hut | Die Hose | Das Kleid | Die Bluse

Kleider machen Sprache?

Was der Rock Wert ist

Repräsentation oder Illustration: Was Sprichwörter über unsere kulturellen Werte verraten

Machen Kleider Sprache? In dieser Kolumne haben wir Sprichwörter und ihre Effekte beleuchtet und dafür zahlreiche Beispiele mit modischem Hintergrund vorgestellt, die uns nebenbei einiges über die Bedeutung unserer Kleidungswahl erzählen. Vor allem aber zeigen sie den starken Einfluss der  Mode auf unsere Sprache, den diese Serie zelebriert! Zwar muten viele Sprichwörter heute etwas … antiquiert an, wahrscheinlich nicht überraschend. Die Gründe dafür haben wir jedenfalls in der ersten Ausgabe erörtert. Dennoch, das zeigen die in der zweiten Ausgabe diskutierten Beispiele, sind Sprichwörter weiterhin ein aktiver Teil unserer Alltagssprache, zudem entstehen ständig neue. Fallen sie auf fruchtbaren Boden, bekommen Zitate auch heute schnell sprichwörtliche Qualitäten. Was Sprichwörter und ähnliche Phänomene tatsächlich für uns leisten und was ihr Einsatz über uns enthüllen kann – die dritte Ausgabe. Die vierte ging speziell auf eben jene »ähnlichen Phänomene« ein, denn schnell wurde klar: Nicht alle »Sprichwörter« sind es auch. In der fünften richteten wir den Blick nach innen. In dieser sechsten und vorerst letzten Ausgabe kommen wir auf jene Effekte von Sprichwörtern zurück, die über den oder die Einzelne hinausreichen. Die Frage ist: Was sagt der Einsatz von Sprichwörter über uns als Gesellschaft aus?

Das Phänomen ist weltweit verbreitet und jeder Sprachenlernende macht ab einem bestimmten Sprachniveau Bekanntschaft mit idiomatischen Wendungen, deren Fokus sich aber durchaus unterscheidet. Anders gefragt also: Inwiefern vermitteln Sprichwörter unsere kulturelle Werte und Normen? Sind sie einzigartig und vor allem: repräsentativ? Darüber diskutieren Sprachwissenschaftler noch. Die Vorsichtigen unter ihnen führen im Wesentlichen zwei Gegenargumente an. Zum einen: da Sprichwörter eine allgemeinere Reflexion menschlicher Erlebnisse darstellten, gälten sie nicht nur für einen bestimmten Sprachraum. »Auf dem schwarzen Rocke sieht man jedes Stäublein.« Unwahrscheinlich, dass das nur einer Kultur aufgefallen sein soll. Auf dem afrikanischen Kontinent heißt es, oder hieß es mal: »Willst du das Feuer bekämpfen, trage keinen Rock aus trockenem Gras.« In Rumänien hingegen wurde gewarnt: »Wer Röcke aus Stroh hat, muss das Feuer fürchten.« Bedenkt man die substanziellen Überschneidungen, erscheint das obige Argument also durchaus schlüssig. Mein Eindruck: aufschlussreich sind nicht Sprichwörter an sich, sondern ihre landesspezifische Ausgestaltung sowie, falls bekannt, Bezüge auf konkrete Personen und lokale Traditionen.

Das zweite Gegenargument nimmt Bezug auf eben den antiquierten Charakter vieler Sprichwörter, deren Hochsaison ja doch immer etwas zurück zu liegen scheint – ihr Abschied aus dem Repertoire, das Gestrichenwerden aus Auflistungen und das Verschwinden aus dem aktiven Wortschatz, ist aber ein langwieriger Prozess. Während Sprichwörter wie »Am Rock erkennt man den Müller« einem unterbewussten Bedürfnis nach Orientierung entgegenkommen mögen, erinnern sie gleichzeitig an eine frühere Gesellschaft, in der sich Angehörige sozialer Schichten oder beruflicher Gruppen noch selbstverständlicher von den anderen abgrenzten. »Das Hemd ist einem näher als der Rock« gilt vielleicht auch für das gesellschaftliche oder soziale Umfeld. Übrigens schloss sich, wer »des Kaisers Rock« anzog, dem Militär an. Wer den »bunten Rock« wieder auszog, verließ den Militärdienst.

Während Untersuchungen zur Verbreitung von Sprichwörtern zahlreich sind und zum Beispiel eine britische Langzeitstudie herausfand, dass in den sechziger Jahren die Nutzung von Sprichwörtern stark zunahm, die eine entspannte Einstellung zum Sex erkennen ließen, gibt es noch keine allgemein akzeptierte Einigung darüber, wie viel Sprichwörter und Redewendungen über kulturelle Normen aussagen. Projekte wie die Sammlungen afghanischer Sprichwörter durch den US-Marinekapitän Edward Zellem sind dennoch beispielhaft: Captain Zellem war aufgefallen, dass Sprichwörter stark in der Alltagssprache der Landessprachen Dari und Paschtu verankert sind; um die Illustration seiner Sammlungen (u.a. mittels Crowdsourcing) bat er Schüler einer Kabuler High School. Das Projekt zog weite Kreise, inzwischen sind diverse Ausgaben erschienen, und zeigte, dass eine Auseinandersetzung mit den Sprichwörtern eines anderen Sprachraums als kultuelle Annäherung zum Aufbau positiver Beziehungen beitragen kann. In diesem Sinne können wir als Lösungsprinzip vielleicht festhalten: Sprichwörter befördern vielleicht nicht die Unterscheidung, aber die Veranschaulichung kultureller Werte.

»Eine schlechte Tänzerin lässt sich sogar durch den Saum ihres Rocks ablenken.« (Aus Polen)

An dieser Stelle schreibt Elisabeth Stursberg über Mode in Sprichwörtern und Redewendungen und deren Vorzüge.