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Warum Sprichwörter manchmal gar keine sind

KLEIDER MACHEN SPRACHE? | An den Federn erkennt man den Vogel, und an der Sprache … ja, was? Ohne Metaphern könnten wir überhaupt nicht sprachlich kommunizieren und auch Sprichwörter und Redewendungen sind eigentlich nicht wegzudenken. Warum sie dennoch manchmal unterschätzt werden, und das völlig zu Unrecht, erklärt Elisabeth Stursberg in dieser Kolumne. In dieser sisterMAG Ausgabe: Die Bluse.

Hier findet ihr die weiteren Kolumnen: Der Hut | Die Hose | Das Kleid | Die Wäsche

Kleider machen Sprache?

Eine Bluse ist eine Bluse ist eine Bluse

Warum Sprichwörter manchmal gar keine sind

An den Federn erkennt man den Vogel, und an der Sprache … ja, was? Ohne Metaphern könnten wir überhaupt nicht sprachlich kommunizieren und auch Sprichwörter und Redewendungen sind eigentlich nicht wegzudenken. Warum sie dennoch manchmal unterschätzt werden, und das völlig zu Unrecht, erklärt Elisabeth Stursberg in dieser Kolumne.

In dieser Ausgabe: Die Bluse.

Was ist eine Bluse? Eine elegantere Oberbekleidung als zum Beispiel das Shirt. Eine variantenreiche Manifestation weiblichen Kleidungsstils im herkömmlichen Sinn. Aber auch: Ein Symbol für unsere »offizielle« Seite, als Subjekte in der Arbeitswelt – ein integraler Bestandteil sogenannter Business-Outfits, die klassischerweise und vielerorts noch immer auf der Kombination aus Stoffhose + Bluse beziehungsweise Anzughose + Hemd basieren. Eins meiner eindrücklichsten Blusenerlebnisse, in welchem deren professionelle Anmutung gekonnt mit einem auf die Spitze getriebenen Fall zwischenmenschlicher Ungeschicklichkeit konterkariert wird, ist Loriots Liebe im Büro. Kennt das noch jemand? Aus irgendeinem Grund hat sich die seidig fließende, kaffeebraune Schluppenbluse der von Evelyn Hamann gespielten Sekretärin in mein Gedächtnis eingebrannt. Davon abgesehen fällt mir keine Szene ein, die den Ausdruck »jemandem an die Bluse gehen« besser illustriert – womit wir die Herkunft dieses Ausdrucks ebenfalls im Wesentlichen abgehandelt haben. Nebenbei bemerkt, ein exzellentes Beispiel für eine Metapher, ein Sprachbild: wir haben eine Wortgruppe (oder ein einzelnes Wort), das etwas verdeutlichen und bildlich machen soll, als Illustration der Aussage sozusagen. Wir empfinden jemanden als »zugeknöpft«? Würden für jemanden »unser letztes Hemd geben«? Eng verwandt mit der Metapher ist die Redensart: ebenfalls bildhaft und oft eine Wortgruppe ohne Subjekt.

 

In dieser Kolumne untersuchen wir Sprichwörter und verwandte Phänomene im Hinblick darauf, wie sie unsere Sprache prägen und beeinflussen; insbesondere jene mit Bezug zu unserer Kleidung. Mit dieser vierten Ausgabe ist es Zeit für eine Begriffsklärung, denn es ist ja eben nicht »Jacke wie Hose« [Link 1] ob wir Sprichwort sagen oder Metapher, Analogie oder Ausdruck. Obwohl wir auf das faszinierende Feld der Linguistik und Semiotik nicht detailliert eingehen können, kommen wir kurz auf das Symbol zurück (ein Zeichen par excellence), das ja gerade im modetechnischen Kontext prominent vertreten ist. Ein Beispiel? »Das goldene Vlies«, das Autorität und das Königliche symbolisiert. Nicht selten bieten Symbole übrigens die Grundlage für Slogans oder Claims.

Ist der Urheber bekannt, die Quelle genau nachvollziehbar und steht die Botschaft vielleicht sogar mit deren Werten in Zusammenhang, haben wir es unter Umständen mit einem geflügelten Wort zu tun, ursprünglich ein Zitat. Joachim Ringelnatz zum Beispiel befand: »Humor ist der Knopf, der verhindert, dass uns der Kragen platzt.« Hier sind wir schon nahe an der Grenze zum Aphorismus, der uns stets auch etwas Lebensweisheit einhämmern will: »Wer das erste Knopfloch verfehlt, kommt mit dem Zuknöpfen nicht zurande.« Diese Beobachtung stammt von Johann Wolfgang von Goethe. Diese Art von Ausdrücken lädt uns ein, aus ihnen Maximen abzuleiten.

Das gilt an sich auch für das Sprichwort. Im Duden als »kurzer, einprägsamer Satz, der eine praktische Lebensweisheit enthält« definiert, handelt es sich hier – anders als eben die Metapher – um einen eigenständigen Satz: »Das eigene Hemd ist näher am Körper.« Oder, in einer Variation: »Ihm ist das Hemd näher als die Hose«, »Ihr ist die Bluse näher als der Rock«. Mir persönlich leuchtet die erste mehr ein, aber beide wollen auf das gleiche hinaus: Im Zweifel verlassen wir uns auf uns selbst – auf unsere eigene Meinung, unsere eigenen Ambitionen… Beide, Sprichwort und geflügeltes Wort, sind »Redewendungen«, doch anders als das geflügelte Wort genügt sich das Sprichwort völlig selbst, es ist etabliert und bedarf keiner externen Validierung mehr. Driften wir dabei gelegentlich in die Floskel ab? Sicherlich. Dann bewegen wir uns auch oft schon gefährlich nah am, oh je, Klischee: »Weiß das Hemd und schwarz die Seele«, really?

An dieser Stelle schreibt Elisabeth Stursberg über Mode in Sprichwörtern und Redewendungen und deren Vorzüge.