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Schwarz & Weiß – Farben ohne Zulassung?

Wir alle kennen Schwarz & Weiß, die als sogenannte »Unfarben« oder »Nichtfarben« kategorisiert werden. Dr. Michael Neubauer nimmt sich Schwarz & Weiß in sisterMAG No. 64 genauer an und erläutert ihre vielseitigen Bedeutungen und Einsätze.

  • Text: Dr. Michael Neubauer

Schwarz & Weiß
Farben ohne Zulassung?

Etwas ist bunt oder schwarz/weiß. Der Drucker fragt schwarz/weiß oder farbig? Kannten die Menschen erst nur schwarz/ weiße Filme oder Fotografien, kolorierten sie diese bald und fotografierten letztlich bunt. Und heute? Ist man cool, gestaltet man das Motiv in schwarz/weiß. Wir unterscheiden also sehr genau zwischen diesen beiden Darstellungen. Sie sind nicht Variationen einer Sache, sondern in ihren physikalischen Eigenschaften grundverschieden.

Farben können wir nur im Licht sehen. Trifft das im Licht gebündelte Farbspektrum vom Rot über Orange, Gelb, Grün, Blau, Indigo zum Violett auf einen Gegenstand, werden Teile des Spektrums absorbiert, der Rest wird reflektiert. Je nach Zusammensetzung des reflektierten Teiles sehen wir ein buntes, helleres oder dunkleres, oder einfarbiges Bild. Schwarz dagegen erscheint uns, wenn das Licht vollständig absorbiert wird und keine Spektralfarben reflektiert werden. Den weißen Eindruck sehen wir folgerichtig, wenn alle Farben reflektiert werden, weil die additive gleichmäßige Mischung aller Farbspektren weiß ergibt. So erscheint uns z.B. das Tageslicht als Weiß. Also Farben auf der einen Seite – solo oder als Mischung. Schwarz und Weiß als das Extreme auf der anderen Seite. Schwarz/Weiß bezeichnet man deshalb, gemeinsam mit Grau als die „Unfarben“ oder „Nichtfarben“. Die negativ anmutende Bezeichnung „Unfarben“ hat der Attraktivität von Schwarz/Weiß nichts anhaben können. Ob in der Kunst, der Fotografie, Architektur, der Mode oder als Symbol waren die Unfarben Schwarz/ Grau/Weiß zu allen Zeiten bis heute en vogue.

Der 1919 geborene, zur „Nouvelle Ecole de Paris“ gehörende Maler Pierre Soulage verzauberte mit seinen in Schwarz modulierten, glattgestrichenen, gespachtelten, gewalzten oder in Schichten aufgetragenen Gemälden das sich darin ausbreitende und reflektierende Licht. So behauptete er: „Es ist das Licht, das von der Farbe kommt, die ich schwarz nenne, …“ (1)

Schwarzweißfilme wie „Casablanca“ (1942) von Michael Curtiz oder „Das süße Leben“ (1960) von Federico Fellini gehören bis heute zu den unverrückbaren Kultobjekten diesen Metiers. Schwarz/Weiß ergeben in der Mode durch den größtmöglichen Kontrast eine Vielfalt von Kombinationsmöglichkeiten, im Stoff selbst oder im Arrangement zwischen Ober- und Unterteil. Zeitlos begleitet das „Kleine Schwarze“ die Frauenwelt durch die Zeit. „Dieses schlichte Kleid wird eine Art von Uniform für alle Frauen mit Geschmack werden.“

Aber nicht erst Cristobal Balenciaga und Coco Chanel erkannten in der Nichtfarbe „Schwarz“ ihre Wirkung in der Mode, Schon viel früher schmückte man sich damit. Nicht zuletzt, um etwas auszudrücken: Schwarz war nicht nur für die Geistlichen die Farbe der Wahl, auch europäische bürgerliche Rechtsgelehrte trugen sie im 13. Jahrhundert als Zeichen ihrer Tugend und Reinheit. Zum Bestseller wurde die schwarz/weiße Kombination während der spanischen Herrschaft Karl V. im Europa des 16. Jahrhundert, als Spanische Hofmode bekannt. Das Korsett der Damen und ihr Rock als auch die Pumphosen der Männer wurden aus kostbaren dunklen und schwarzen Geweben genäht, die durch hellere Unterstoffe aufgelockert wurden. Wichtig und einheitlich war eine weiße Halskrause.

Die Herstellung schwarzer Stoffe war bis zum Aufkommen synthetischer Farben in der Mitte des 19. Jahrhunderts mit pflanzlichen und tierischen Farbstoffen umständlich und teuer. Sie waren ein Luxusprodukt. Das beste Kleid einer Frau bis Ende des 19. Jahrhunderts war deshalb in der Regel ein schwarzes. Aus gleichem Grund wurde in der Schweiz in Schwarz geheiratet. Aber auch in der Herrengarderobe des 19. Jahrhunderts gewann schwarz bei Anzügen, Mänteln, Fräcken, Hüten und Zylindern einen prägenden Einfluss. Verkörperte schwarz in der männlichen Gesellschaft Macht, Reichtum, Seriosität, Einfluss, Selbstrespekt und Eleganz war schwarz andererseits der Ausdruck demütiger und reuevoller protestantischer Strenge.

Auch in der Gegenwart verbinden wir mit schwarz symbolträchtige Aussagen wie Kultiviertheit, und Formalität, aber auch Trauer und Unglück. In Afrika symbolisiert schwarz Alter, Reife und steht für Männlichkeit. Mit dem neutralen Weiß verbindet man eher Positives, Helles. Die weiße Fahne signalisiert Ergebenheit und Frieden. Für lange Zeit verband man weiß mit Medizin, Arzt und hellem Krankenzimmer, mit Sauberkeit und Hygiene. Während wir Europäer weiß in seiner positiven Wirkung auf uns in der Hochzeitstracht wiederfinden, steht es in Asien für Tod und Trauer. Zu Beerdigungen trägt man dort traditionell weiß.

In der modernen Innenarchitektur steht Weiß häufig für eine minimalistische Ästhetik. In der Kunst geht dieser Minimalismus noch weiter mit der „White Cube Theory“: einer Galerie-Ästhetik, die durch eine quadratische oder längliche Form, weiße Wände und einer Lichtquelle, meist von der Decke, gekennzeichnet wird. Wir alle waren wohl bereits in Galerien, die nach diesem Prinzip des „weißen Würfels“ gestaltet sind.

In diesen Beispielen sehen wir noch immer die großen Unterschiede in der kulturellen Wahrnehmung zweier so wichtigen Farben. Schwarz und Weiß entfalten ihre Symbolkraft bis in die unmittelbare Gegenwart. Als im Januar 2018 die 75. Verleihung der Golden Globe erfolgte, kündigten viele Schauspielerinnen an, dass sie sich als Zeichen gegen sexuelle Belästigung und aus Solidarität mit den Opfern ganz in schwarz kleiden werden. Die einheitliche Farbe „Schwarz“ sollte zeigen: Wir Frauen halten zusammen.

Die Symbolik von Farben ist in sehr vielen Bereichen unseres Lebens immens, wobei die unterschiedlichen Denkweisen, Lebensgefühle, geographischen Besonderheiten und Zeiträume zu beachten sind. Dabei stehen die „Unfarben“ Schwarz/Weiß in ihrer Bedeutung den bunten Farben, die sehr viel häufiger in klassischen Frauenzeitschriften analysiert werden, in keiner Weise nach.