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Lichtenstein & Mad Men – Die Drapers in Fahrt

Bevor es zum Ausgangspunkt dieser sisterMAG-Ausgabe wurde, kannte ich Roy Lichtensteins Werk »In the Car« nicht. Die Personen kamen mir trotzdem bekannt vor: Das Paar in Bewegung war für mich Don und Betty Draper, die Hauptpersonen der bekannten Serie »Mad Men«. Zeitlich gesprochen ist das natürlich unmöglich, da Lichtensteins Werk über vier Jahrzehnte bevor die erste Folge von »Mad Men« ausgestrahlt wurde, erschaffen worden war. Ursprünglich wurde die Szene von »In the Car« von Tony Abruzzo für die Comic-Sammlung (Ausgabe September 1961) »Girls‘ Romances« illustriert; Lichtensteins Pop Art Adaptation erfolgte 1963. Nichtsdestotrotz kann man aus der melancholischen Beziehung der Drapers auch Rückschlüsse auf Lichtensteins Arbeit und die Stimmungen und Alltäglichkeiten einer Ehe in den 1960er Jahren ziehen.

Lichtenstein & Mad Men – Die Drapers in Fahrt

Eine Beobachtung von Roy Lichtensteins »In the Car« und was uns das Werk unter Beachtung von „Mad Men’s“ Don und Betty Draper über häusliche Beziehungen der 1960er sagt.

Bevor es zum Ausgangspunkt dieser sisterMAG-Ausgabe wurde, kannte ich Roy Lichtensteins Werk »In the Car« nicht. Die Personen kamen mir trotzdem bekannt vor: Das Paar in Bewegung war für mich Don und Betty Draper, die Hauptpersonen der bekannten HBO Serie »Mad Men«. Zeitlich gesprochen ist das natürlich unmöglich, da Lichtensteins Werk über vier Jahrzehnte bevor die erste Folge von »Mad Men« ausgestrahlt wurde erschaffen worden war. Der Ursprung der Szene von »In the Car« wurde von Tony Abruzzo in der Comic-Sammlung (Ausgabe September 1961) von »Girls‘ Romances« illustriert; Lichtensteins Pop Art Adaptation erfolgte 1963. Nichtsdestotrotz kann man aus der melancholischen Beziehung der Drapers auch Rückschlüsse auf Lichtensteins Arbeit und die Stimmungen und Alltäglichkeiten einer Ehe in den 1960er Jahren ziehen.

Eine blonde Frau mit Bob luxuriös gekleidet, der aalglatte Begleiter trägt einen maßgeschneiderten Anzug; er wirft einen herablassenden Blick auf sein Reich; der Meister des Universums und seine Vorzeigegattin. Wenn man Roy Lichtensteins Pop Art Werk »In the Car« von 1963 anschaut, ist es einfach, sich das Paar darin als Don und Betty Draper aus »Mad Men«, der bekannten HBO-Serie, vorzustellen. Die oberflächliche Ähnlichkeit ist augenscheinlich – doch es gibt auch tiefere Verbindungen.

»Mad Men« spielt im New York City der 1960er Jahre, eine Zeit, in der die Art und Weise, wie gewisse Dinge gemacht wurden, durch die Art und Weise ersetzt wurde, wie sie gemacht werden könnten. Während sich auf den Straßen, in den Kneipen und den Werbeagenturen der Sixth Avenue der Wind drehte, stand die Zeit in den Häusern der Vorstadt still. In den frühen Sechzigern verbrachten Männer deutlich mehr Zeit außerhalb des Hauses und unverheiratete Frauen öffneten sich selbst Türen, während den Ehefrauen zu Hause oft das Dach auf den Kopf fiel. Viele von ihnen waren nur durch ihr Verhältnis zu den Männern in ihrem Umfeld definiert und fielen in eine tiefe Identitätskrise, wenn diese Männer auf einmal durch die Straßen der Großstadt zogen und mit Pan Am durch die Lüfte flogen. Aus ihrer Gefangenschaft heraus beobachteten sie zudem jene Frauen, die frei von häuslichen Pflichten ihre Stimmen im öffentlichen Leben fanden. Wie jeder Instagram-Süchtige leicht bestätigen kann, sind Gefühle von Herrenlosigkeit (im wahrsten Sinne des Wortes) und Neid eine gefährliche Kombination. Während verheiratete Frauen oft von ihrem häuslichen Leben grenzenlos gelangweilt waren, fühlten sich ihre Männer hoffnungslos von den ehemals häuslichen Ehefrauen enttäuscht. Es ist kein Zufall, dass Affären jede Ehe in »Mad Men« gefährden – eine Tatsache, die die sozialen, kulturellen und politischen Verhältnisse im Nachkriegs-Amerika kennzeichnet.

Das ist die Geschichte, die ich sehe, wenn ich das Paar im Auto beobachte. Der Mann grinst selbstgefällig wegen seines Einflusses auf eine Frau, die nicht naiv, aber trotzdem machtlos ist. Die Liebe ist so weit entfernt, dass Trauer und Wut sie schon lange nicht mehr berühren. Es gibt keine anderen Wege zu befahren. Was kann sie in Hinsicht auf die ungestrafte Untreue ihres Mannes tun, außer die Reise als Passagier weiter zu begleiten? Eine Lösung gäbe es: der Schritt in die finanzielle Unabhängigkeit. (In »Mad Men« hat Betty eine Affäre mit Henry Francis, einem hochrangigen Angestellten der Regierung, den sie nach ihrer Scheidung von Don heiratet). Die Situation ist ziemlich deprimierend: Von einem Sponsor zum nächsten zu ziehen, in der Hoffnung, irgendwann das Glück zu finden oder die Zähne zusammenbeißen und durch das Unglück hindurch lächeln. Die Frau im Auto dümpelt in ihrer Traurigkeit zwischen diesen beiden Schicksalen.

Eine ähnliche Machtlosigkeit plagt auch Trudy Campbell; der sie betrügende Ehemann Peter arbeitet mit Don zusammen. Alison Brie, die Trudy verkörpert, sagt über das Schicksal ihrer Rollenfigur in einem Interview mit »The Guardian« im Jahr 2013: »Wie viele Frauen zu dieser Zeit musste Trudy bei allem, was ihr nicht gefiel, ein Auge zudrücken – bis das nicht mehr möglich war. Trudy hat sich schon immer darum gesorgt, was andere von ihr denken und kann deswegen ein sonniges Lächeln für die Außenwelt aufsetzen, obwohl die Dinge zu Hause nicht perfekt laufen.«[1]

Andere bekannte Werke von Lichtenstein weisen ebenfalls auf die Misere der Hausfrau in den 1960ern hin. In »M-Maybe« von 1965 ist eine unruhige Frau abgebildet, die sich fragt, wo ihr Mann sein könnte: “M–Maybe he became ill and couldn’t leave the studio?“ (Vielleicht ist er krank geworden und konnte das Studio deshalb nicht verlassen?) vermutet sie. »Ohhh … Alright …« von 1964 ist etwas ungenauer, bis man die Quelle des Bildes betrachtet. In der Originalzeichnung, der 88. Ausgabe des Comics »Secret Hearts«, sehen wir eine Frau, die vermutlich mit ihrem Mann telefoniert: »I’m sorry, Nancy, but I’ll have to break up our date! I have an important business appointment. I’ll see you tomorrow night!«, sagt dieser.[2] (Es tut mir leid Nancy, aber ich muss unser Date absagen! Ich habe einen wichtigen Geschäftstermin. Bis morgen Abend!) Es ist nicht schwer, hier zwischen den Zeilen zu lesen.

Zurück zum Titelwerk: Wir wissen nichts über den Mann und die Frau im schicken roten Auto. Aber die Beziehung von Don und Betty Draper in »Mad Men« als Stellvertreter für viele häusliche Beziehungen in den frühen 1960ern erlaubt uns gewisse Rückschlüsse.

[1]

                  [1] https://www.theguardian.com/tv-and-radio/2013/apr/05/what-mad-men-says-about-women

[2]

                  [2] https://en.wikipedia.org/wiki/Ohhh…Alright…#/media/File:Ohhh…Alright…_source.jpg