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Blasphemie! Religion gegen die Kunst der Renaissance

Einfach gesagt ist es blasphemisch, mit seinem Handeln Gott oder eine Religion zu missachten. Blasphemisch ist zum Beispiel das Verbrennen einer Bibel oder eines Korans, das Zerstören einer Kirche oder das Anbeten Satans. Aber es können auch weniger ungeheuerliche Taten sein, wie etwa die respektlose Darstellung der Religion und die Förderung von Eitelkeit, Versuchung und Sünde durch die Kunst. Während die Blasphemie-Gesetze in vielen Teilen der Welt seit dem 16. Jahrhundert gelockert oder komplett getilgt wurden, existieren sowohl gesetzliche als auch außergerichtliche Bestrafungen aufgrund von Blasphemie bis heute. Christian Näthler führt euch im sisterMAG ein.

Blasphemie!

Religion gegen die Kunst der Renaissance

Einfach gesagt ist es blasphemisch, mit seinem Handeln Gott oder eine Religion zu missachten. Blasphemisch ist zum Beispiel das Verbrennen einer Bibel oder eines Korans, das Zerstören einer Kirche oder das Anbeten Satans. Aber es können auch weniger ungeheuerliche Taten sein, wie etwa die respektlose Darstellung der Religion und die Förderung von Eitelkeit, Versuchung und Sünde durch die Kunst. Während die Blasphemie-Gesetze in vielen Teilen der Welt seit dem 16. Jahrhundert gelockert oder komplett getilgt wurden, existieren sowohl gesetzliche als auch außergerichtliche Bestrafungen aufgrund von Blasphemie bis heute.

Die etymologischen Wurzeln des Begriffs »Blasphemie« gehen zurück auf das Mittelenglische blasfemen, das Altfranzösische blasfemer und das Spätlateinische blasphemare – jemanden beschuldigen, verleumden und schlecht von ihm reden. Blasphemisch zu sein bedeutet, schlecht über eine ganz bestimmte Sache zu reden oder sie anzugreifen, nämlich über Gott und Religion. Und dies muss gar nicht so unverhohlen sein wie zum Beispiel das Anzünden einer Kirche oder ein Tattoo des Teufels auf der Brust. Die Darstellung von Häresie zum Beispiel, also Überzeugungen oder Meinungen, die durch Kunst ausgedrückt werden und im Gegensatz zu orthodoxen religiösen Ansichten des Christentums stehen, werden von religiösen Obrigkeiten ebenfalls als blasphemisch angesehen.

Während sich die meisten modernen christlichen Gesellschaften heute einer weltlichen Ordnung erfreuen, einer Trennung von Kirche und Staat, in der die Kunst durch die gesetzlich verankerte Kunstfreiheit geschützt ist, war das früher nicht immer der Fall. In seinem 2006 erschienenen Buch »Blasphemy: Art that Offends« schreibt der Autor S. Brent Plate: »Kein Kunstwerk ist aus sich selbst heraus blasphemisch. Es muss innerhalb der religiösen und/oder politischen Machtstrukturen als ebenso erachtet werden … Blasphemie benötigt sowohl einen Künstler als auch einen Ankläger«[1]. Als der italienische Dominikanermönch und Pfarrer Girolamo Savonarola die Macht in Florenz gegen die herrschenden Medici errang, strebte er danach, die Umklammerung der Gesellschaft durch das Christentum zu stärken und eine fromme Republik zu etablieren. Ein Teil davon war, die Sünden des Verlangens – Lust, Völlerei, Gier –, die laut ihm in der italienischen

Renaissance geboren worden waren, aus der Gesellschaft zu verbannen. Dies schloss auch die Renaissance-Kunst ein. Es war nicht so, dass Religion keinen Platz in der Kunst hätte haben dürfen. Savonarolas Problem war eher, dass die Grenzen zwischen Göttlichkeit und Vergnügen immer mehr verschwammen.

 

Dies führte zum legendenumwobenen Fegefeuer der Eitelkeiten, das am 7. Februar 1497 in Florenz stattfand. Angeordnet von Savonarola und getreu seines Namens brannten bei dem Feuer Tausende von Gegenständen im göttlichen Auftrag des neuen Herrschers. Zu diesen Objekten gehörten Kunstwerke, Bücher, Kosmetikprodukte, prunkvolle Kleidung, Spielkarten, Spiegel, Musikinstrumente, Manuskripte von weltlichen Liedern und Skulpturen. Zu den bemerkenswertesten Werken, die angeblich verbrannt wurden, gehörten auch Gemälde des frühen Renaissance-Künstlers Sandro Botticelli. Unbedeutend für die Richtigkeit dieser Darstellung ist der Fakt, dass Botticellis erfolgreiche Karriere als Künstler faktisch beendet war, nachdem Savonarola die Kontrolle über Florenz übernahm. Botticelli war ein loyaler Anhänger von Savonarola und verbrannte bereitwillig seine Gemälde in voreingenommener Treue. Ironischerweise wurde Savonarola im Jahr 1498 wegen Ketzerei hingerichtet. Botticelli starb 1510, zwei Jahre später kamen die Medici kurzzeitig wieder an die Macht. Künstler und Gelehrte, die fürchteten, von der strengen katholischen Kirche als Ketzer verfolgt zu werden, konnten sich erneut mit dem heidnischen (unreinen) Ursprung ihres Glaubens beschäftigen[1].

Botticellis Arbeiten spiegeln Aspekte wider, die mit dem Heidentum verbunden sind – einer Reihe von vorrömischen spirituellen und religiösen Vorstellungen, die im Vergleich zum engelhaften Christentum als grob angesehen wurden. Obwohl wir nicht wissen, welche Gemälde genau im Feuer verbrannten, können wir vermuten, dass sie auf heidnische Motive anspielten. Selbstverständlich spiegelten auch viele seiner überlebenden Meisterwerke Unreinheiten wider, die Savonarola als blasphemisch erachtet hat. »Die Geburt der Venus«, Botticellis bekanntestes Werk, zeigt die Göttin der Liebe als bekannte Ehebrecherin, aus deren Affäre mit Mars der Gott der sexuellen Begierde, Amor, entstand. Ein weiteres seiner Glanzstücke, »Die Verleumdung des Apelles«, ist eine Allegorie auf die Feindseligkeit, die sich über die Würde Gottes hinwegsetzt[2].

Solche Darstellungen würden heutzutage nur für wenig Aufsehen sorgen, selbst unter besonders gläubigen Menschen. Aber in einem Zeitalter, in dem die katholische Kirche danach strebte, immer stärkere Kontrolle über jeden Aspekt der Gesellschaft auszuüben, rechtfertigte die Sünde, die lediglich als Allegorie dargestellt wurde, eine Verbannung auf Basis der Blasphemie.

[1] http://artcriticismtoday.net/the-game-changing-message-hidden-in-botticellis-primavera/

[2] https://www.patheos.com/blogs/henrykarlson/2019/04/the-blasphemy-of-calumny/

[1] https://www.academia.edu/168359/Blasphemy_Art_that_Offends