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Gustav Klimt und seine Fakultätsbilder

Der Auftrag war so lukrativ wie prestigeträchtig: Gustav Klimt sollte Anfang des 20. Jahrhunderts mehrere Bilder für die Universität Wien malen. Doch statt Ruhm und Geld erntete der Künstler fast nur harsche Kritik für seine Fakultätsbilder. Wir haben den damaligen Skandal für euch im sisterMAG nachgezeichnet.

Ein Skandal!

Gustav Klimt und seine Fakultätsbilder

Schon zu Lebzeiten war Gustav Klimt einer der bedeutendsten Künstler Österreichs. Noch bevor er mit »Der Kuss« sein wohl bekanntestes Gemälde schuf, wurde er von der Universität Wien mit einem prestigeträchtigen Projekt beauftragt. Dessen Ergebnisse brachten ihm jedoch nichts als Ärger ein.

Die Universität von Wien ist uralt – 1365 wurde sie gegründet. Damit ist sie die älteste deutschsprachige Uni, die heute noch existiert. Selbstverständlich wird heute jedoch nicht mehr in den gleichen Räumlichkeiten gelehrt wie noch vor 650 Jahren. Das Hauptgebäude, das sich an der Wiener Ringstraße befindet, wurde zwischen 1873 und 1884 errichtet. Heinrich von Ferstel, der zuständige Architekt, hatte ursprünglich geplant, dass die Räume bei der Eröffnung des neuen Gebäudes standesgemäß geschmückt sind. Vor allem die Aula Magna mit ihrer eindrucksvollen Deckenhöhe von 17 Metern sollte den Professoren und Studenten nicht kahl übergeben werden. Der Plan Ferstels, die Decke mit Gemälden zu versehen, musste jedoch zunächst ad acta gelegt werden, weil die Uni dafür kein Geld hatte.

Klimt und Matsch an die Decke

Es sollte zehn Jahre dauern, bis das kaiserlich-königliche Unterrichtsministerium das Vorhaben erneut anging. 1894 beauftragte es die beiden Maler Gustav Klimt und Franz Matsch, die damals noch unter dem Label »Künstler-Compagnie« gemeinsam tätig waren, damit, für die Decke der Aula verschiedene Gemälde anzufertigen. Unter anderem sollten sie vier Bilder malen, die den vier Fakultäten der Universität Wien gewidmet waren. Matsch sollte dabei die »Theologie« übernehmen, während sich Klimt um die Motive für »Philosophie«, »Medizin« und »Jurisprudenz« kümmern wollte. Um nicht die Katze im Sack zu kaufen, forderte die Artistische Kommission der Uni vorab konkrete Entwürfe von Matsch und Klimt. Matsch gab seine Vorschläge 1893 ab, Klimt seine ein Jahr später. Die Kommission zeigte sich zufrieden, die Herren Künstler durften sich an die Arbeit machen. Das taten sie bis 1898, dann reichten sie die ersten fertigen Gemälde ein. Matsch, der sich streng an seine Entwürfe hielt, erntete dabei Anerkennung – im Gegensatz zu Klimt. Der hatte nämlich in den vier Jahren seiner Arbeit beim Fach »Philosophie« seinen Stil verändert und Ideen eigenständig weiterentwickelt. Dies missfiel seinen Auftraggebern. Klimt präsentierte einen düsteren Blick auf die Philosophie, indem er die Menschen als Suchende darstellte und nicht, wie es die Uni-Verantwortlichen gerne gehabt hätten, als Findende. Außerdem war ihnen viel zu viel nackte Haut zu sehen.

Kritisiert und ausgezeichnet

Trotz der harschen Kritik an seiner »Philosophie« ließ Klimt sie im März und April 1900 in der Wiener Secession ausstellen. Schnell formierte sich eine Front gegen das Gemälde, allein 87 Professoren der Uni forderten, dass es nicht am vorgesehenen Platz in der Aula angebracht werden dürfe. Und auch Franz Matsch hatte ein Problem mit der Arbeit seines Kollegen und dessen kompromissloser Haltung, was letztlich zum Zerwürfnis der beiden führte. Ironischerweise erhielt Klimt auf der Weltausstellung 1900 in Paris eine Goldmedaille für die »Philosophie«. Derart bestätigt, machte sich der Künstler sogleich ans Werk, das zweite Fakultätsbild fertigzustellen. Als er die »Medizin« im März 1901 der Öffentlichkeit vorstellte, war der Aufschrei sogar noch größer als bei der »Philosophie«. Klimt verzichtete vollkommen darauf, die heilende Kraft der Medizin darzustellen, stattdessen zeigte er nackte, von Krankheiten gezeichnete Menschen – und mittendrin den unvermeidlichen Tod. Weil diesmal auch mehrere Politiker aufgebracht waren, wurde Klimt sogar zum Thema im österreichischen Abgeordnetenhaus. Der Künstler sah sich in der Folge dazu bemüßigt, sich in der »Wiener Morgenzeitung« selbst zu Wort zu melden. In seinem Text schrieb er, dass er »keine Zeit habe«, sich »in dieses Gezänke einzumengen«. Es sei ihm »schon zu dumm, immer und immer wieder gegen dieselben starrköpfigen Leute aufzutreten«. Und außerdem, so Klimt, »entscheidet nicht, wie vielen es gefällt, sondern wem es gefällt«. Und er selbst sei »zufrieden«.

Der dritte Streich

Das galt wohl auch für die »Jurisprudenz«, die 1903 das Licht der Öffentlichkeit erblickte. Wieder hatte sich Klimt nicht an seine ursprünglichen Entwürfe gehalten – diesmal wahrscheinlich vor allem als Protest gegen den bisherigen Gegenwind –, und wieder stieß sein Werk auf Ablehnung. Auch bei der Darstellung der Rechtswissenschaft zeigte Klimt deren negative Seite: einen Verbrecher, der auf seine Bestrafung durch drei Rachegöttinnen und einen überdimensionalen Tintenfisch wartet. Und schon wieder diese Nackten! Die »Jurisprudenz« machte Klimt in den Augen seiner Kritiker endgültig zum Darsteller von Pornografie und Perversion.

Auftrag beendet

Nachdem Klimt mit der »Jurisprudenz« fertig war, wurden die Fakultätsbilder erstmals gemeinsam ausgestellt. Dabei zeigte sich neben den schon bekannten Kritikpunkten ein weiteres Problem: Die Arbeiten von Klimt und Matsch passten stilistisch überhaupt nicht zusammen. Weil die Universität Klimt untersagte, seine Gemälde bei der Weltausstellung 1904 in St. Louis auszustellen, und 1905 nur die Werke von Matsch in der Aula anbrachte, war Klimts Geduld am Ende. Im April 1905 trat er von dem Auftrag zurück und zahlte die Honorare, die er bereits erhalten hatte, an das Ministerium zurück. Dabei bekam er finanzielle Hilfe vom Wiener Unternehmer August Lederer, in dessen Besitz die »Philosophie« daraufhin überging. Auch die »Jurisprudenz« kaufte Lederer bald darauf, während die »Medizin« von der Österreichischen Galerie erworben wurde. Klimt nahm bis zu seinem Tod keine öffentlichen Aufträge mehr an, sondern nur noch welche von Privatpersonen.

Das bittere Ende

Nach Klimts Tod 1918 waren seine Fakultätsbilder einige Male gemeinsam zu sehen, unter anderem anlässlich einer Werkschau zu seinem zehnten Todestag 1928. Da August Lederer Jude war, wurde er 1938 von den Nazis enteignet. Baldur von Schirach, der Reichsstatthalter in Wien, ließ Anfang 1943 noch einmal Klimts drei Fakultätsbilder sowie weitere Werke des Künstlers in der Secession zeigen, bevor sie auf Schloss Immendorf in Niederösterreich gebracht wurden – in Sicherheit, wie die Nazis aufgrund der abgelegenen Lage des Schlosses glaubten. Am 7. Mai 1945, dem Tag vor der deutschen Kapitulation, zündeten sie selbst – in Person übereifriger SS-Offiziere – das Schloss an, damit die darin gelagerten Kunstschätze nicht in russische Hände fielen. Es gilt als sicher, dass dabei auch die Fakultätsbilder dem Feuer zum Opfer fielen. Allerdings gibt es auch wilde Gerüchte, dass sie bereits zuvor in Sicherheit gebracht worden waren und heute Teil einer privaten Sammlung sind. Die Wahrheit werden wir wohl nie erfahren. Ach ja: Inzwischen hängen alle vier Fakultätsbilder in der Aula der Uni Wien, die inzwischen Großer Festsaal heißt. Neben dem einzigen Original, der »Theologie« von Franz Matsch, sind an der Decke Reproduktionen zu sehen, die aufwendig nach Klimts Skizzen und Schwarz-Weiß-Fotos entstanden sind. So haben es die Werke über Umwege doch an ihren Platz geschafft.