Prächtige Spalliera- und Cassone-Bilder
Die Worte »spalliera« und »cassone« klingen italienisch – und haben ihren Ursprung tatsächlich in der Landessprache des Stiefelstaates. Übersetzt bedeuten sie einfach nur »Paneel« bzw. »Truhe«. Jedoch steckt hinter diesen kleinen Worten so viel mehr: eine ganze Welt großartiger Kunst. Wir werfen im sisterMAG mit Autorin Marlen Gruner einen Blick in die Welt der Cassone- und Spalliera-Bilder, ihre Einsatzorte, ihre Themen und für wen sie gemacht wurden.
- Text: Marlen Gruner
Prächtige Spalliera- und Cassone-Bilder
Wie Hochzeitstruhen zu Kunstwerken wurden
Die Worte »spalliera« und »cassone« muten italienisch an. Und tatsächlich haben beide ihren Ursprung in der Landessprache des Stiefelstaates. Während »cassone« mit »Truhe« übersetzt werden kann, bezeichnet »spalliera« eine »Paneele«, die verziert bzw. bemalt im oberen Teil von Wandverkleidungen oder Möbelstücken – wie etwa einer Truhe – angebracht wurden. Beide Worte spielen eine wesentliche Rolle im Zusammenhang mit Sandro Botticellis »Venus und Mars«.
Cassone-Bilder zur Verzierung von Hochzeitstruhen
Sein Werk gilt nämlich als ein sogenanntes Cassone-Bild. Wissenschaftler zumindest gehen aufgrund der Größe und des Formats des Bildes davon aus. Es ist 69,2 Zentimeter hoch, mit 173,4 Zentimeter ziemlich breit und wurde auf Holz in Öl und Tempera gemalt.
Aber was genau ist ein Cassone-Bild? Bringen wir Licht ins Dunkel. Es zierte früher Truhen, genauer gesagt Hochzeitstruhen italienischer Bräute. Und zwar ganz bestimmter: Darstellungen wie diese fanden sich vor allem in der Renaissance des Mittelalters vornehmlich an Truhen von Damen aus Florenz wieder.
Ein Hinweis auf Botticellis Auftraggeber und damit auch den italienischen Auftragsort könnte die Wespe sein, die man beim genauen Hinschauen in der rechten oberen Ecke des Bildes erkennt. Sie ist das Wappentier des Florentiner Hauses Vespucci, mit dem der Maler gut befreundet war. So auch mit Tochter Simonetta Vespucci. Sie gilt als Muse vieler Renaissance-Künstler, als schönste Frau von Florenz und soll so einigen Männern den Kopf verdreht haben. Manche Forscher meinen sogar, dass sie Vorbild für die Venus in Botticellis Werk gewesen sein könnte. Ein weiterer Bezug zu Florenz könnte ein im Dunst liegendes Gebäude sein, das Kunstkenner als Kuppel des Florentiner Doms erkennen wollen.
Die Liebe als beliebtes Thema
Doch auch Venus und Mars selbst könnten einen Hinweis darauf geben, dass die Tafel von einer Brauttruhe stammt. Immerhin galten sie als DAS Liebespaar aus der griechischen Mythologie und verkörperten die Liebe wie kein anderes Paar bis dato. Dazu muss man wissen, dass Liebe, Hochzeit oder Ehe gern genutzte Themen für die Verzierungen von Brauttruhen waren. Rundum wurden sie bemalt: Etwa an ihren Frontseiten als auch an den Seitenwänden hat man sie mit Malereien oder Reliefs aus Holz oder Gips dekoriert.
Und genau die Liebe zwischen diesen zwei Figuren soll Kunstkennern zufolge hier auch im Fokus stehen. Das Interessante daran: Kriegsgott Mars wird halbnackt dargestellt, er hat sich oder wurde seiner Waffen entledigt, während Venus eine helle Robe trägt. Manch einer deutet die Darstellung so, dass Liebesgöttin Venus und damit die Liebe über die kriegerische Gewalt gesiegt haben könnte. Die Nacktheit könnte aber auch einfach von Botticellis vorherigem Aufenthalt in Rom beeinflusst sein, bei dem er sich mit Aktdarstellungen auf antiken Sarkophagen beschäftigt hatte. Jedoch klingt die Liebesdeutung zweifelsohne romantischer.
Eine Lanze als Gedankenverbindung
Und Kunstexperten sehen noch mehr: Während Mars zu ruhen scheint, so glauben sie, könnte Venus konzentriert über die Szenerie wachen. Dabei kann die Lanze als Querverbindung und möglicher Überbringer der Gedanken von Venus in Richtung Mars gesehen werden, als wolle sie seine Gedanken lenken. Auch ist die Lanze nicht auf ihren Kopf gerichtet, sondern eher in Richtung ihres Herzens, was heißen könnte, dass hier Gefühle eine tragende Rolle spielen.
Die Natur drumherum ist dabei auf das Wesentliche reduziert und wirkt wie ein Rahmen, der die Liebenden nur noch mehr in den Fokus rückt. Ein Augenmerk könnte man hierbei noch auf die Myrtenzweige legen, die entlang der Köpfe der Liebenden wachsen. Sie waren in der antiken Mythologie der Göttin Aphrodite geweiht und gelten seither als Brautschmuck. Damit sind sie ein eindeutiges Zeichen dafür, dass sie Inhalt einer Cassone-Tafel einer Florentiner Hochzeitstruhe sein müssen.
Prächtige Truhe für Aussteuer und Erinnerungen
Vor diesem Hintergrund bleibt schließlich noch die Frage, was sich eigentlich in solch einer Truhe befand bzw. was darin aufbewahrt wurde. Forschungen zeigen, dass sie bei wohlhabenden Florentiner Familien als Hochzeitsgeschenk üblich und folglich reich bestückt waren. Ehefrauen beherbergten darin die Aussteuer, also Tisch- und Bettwäsche, aber mitunter auch Taufkleider und Babywäsche.
Diese Mitgift, die die Braut mit in die Ehe brachte, wurde in der möglichst prächtigen Truhe aufbewahrt. Die war aber nicht nur mit Cassone- und Spalliera-Bildern, sondern häufig auch noch mit Namen, Wappen und Daten verziert, um sie zusätzlich zu individualisieren und personalisieren. Und wenn genügend Platz war, verstauten die Florentiner Damen darin außerdem noch ihre Brautkleider zur Erinnerung an einen besonderen Tag: ihren Hochzeitstag.