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Die »Tulpenmanie« im Goldenen Zeitalter der Niederlande

Was haben Bitcoin, die Dot-Com-Lieblinge der 90er-Jahre und niederländische Tulpen gemeinsam? Wenn ihr auf wahnsinnige Preisspekulationen getippt habt, die zu finanziellem Ruin geführt haben, dann liegt ihr richtig. Wenn Menschen in Scharen auf einen Markt drängen, von dem sie nichts verstehen – seien es Kryptowährung, Software oder Zwiebelgewächse – dann ist das Resultat oft das gleiche: ein Crash. Das erste Ereignis, das dieses Phänomen hervorgerufen hat, trat während des Goldenen Zeitalters der Niederlande auf, als eine ganze Nation verrückt nach Blumen wurde. Christian Näthler fasst für euch in der neuen sisterMAG Ausgabe die wichtigsten Punkte zusammen.

Würdet ihr euer Haus gegen Tulpen tauschen?

Wie die »Tulpenmanie« im Goldenen Zeitalter der Niederlande die erste große Finanzblase ankündigte

Was haben Bitcoin, die Dot-Com-Lieblinge der 90er-Jahre und niederländische Tulpen gemeinsam? Wenn ihr auf wahnsinnige Preisspekulationen getippt habt, die zu finanziellem Ruin geführt haben, dann liegt ihr richtig. Wenn Menschen in Scharen auf einen Markt drängen, von dem sie nichts verstehen – seien es Kryptowährung, Software oder Zwiebelgewächse –, dann ist das Resultat oft das gleiche: ein Crash. Das erste Ereignis, das dieses Phänomen hervorgerufen hat, trat während des Goldenen Zeitalters der Niederlande auf, als eine ganze Nation verrückt nach Blumen wurde.

Aus heutiger Sicht wäre es grundsätzlich eine schreckliche Entscheidung, sein Haus zu verkaufen, um eine Tulpe zu erstehen. Aber es gab eine Zeit, als dies nicht unbedingt so war. Um zu verstehen, wie und warum es zu einer solchen Unvernunft kam, müssen wir die Zeit um fast vier Jahrhunderte zurückdrehen – zum Goldenen Zeitalter der Niederlande.

Das 17. Jahrhundert leitete eine Ära der wirtschaftlichen Blüte für die Niederlande ein, die damals noch als Republik der Vereinigten Niederlande bekannt war. Der junge Staatenbund erneuerte das Geschäft mit dem Fernen Osten, was riesige Mengen an Gewürzen, Seide, Tee, Getreide, Reis, Sojabohnen und Zuckerrohr nach Europa brachte. Den größten Anteil daran hatte die von der Regierung verbreitete Niederländische Ostindien-Kompanie, die so etwas wie das Amazon der frühen Moderne war. Als erstes multinationales Unternehmen der Welt bot sie Bürgern die Möglichkeit, zu seinem Reichtum beizutragen und an ihm teilzuhaben, indem es Aktien anbot. Somit war die erste offizielle Börse geboren. Das Kapital, das diese Wirtschaftstätigkeiten einbrachten, machten die Amsterdamer Wechselbank zur ersten modernen Zentralbank mit der Kompetenz, die Geldversorgung des Staats zu kontrollieren – und zu erhöhen. Es waren gute Zeiten für die Niederländer. Darüber hinaus importierte die Republik wichtige Güter aus rohstoffreichen europäischen Ländern. Wenn in Nachbarländern wie Frankreich und England die Ernteerträge zurückgingen, waren sie dazu gezwungen, lebenswichtige Nahrungsmittel zu erhöhten Preisen bei den Niederländern zu kaufen. Die Zeiten wurden immer besser für die Niederländer, ebenso wie sie für andere schlechter wurden.

Wie wir es von Neureichen gewohnt sind, entwickelten die Niederländer eine Neigung zur Prahlerei. Der soziale Status war nicht bloß eine Sache des Erbes, sondern der Beschaffung. Die sozial aufsteigende Bevölkerung aß gut, las gut und brachte schöne Dinge an ihre Wände. Es ist kein Zufall, dass einige der meisterhaftesten Kunstwerke der Welt aus den Niederlanden stammen – noch dazu in einem solchen Überfluss. Dies war eine reiche Bevölkerung, und die De Jongs von nebenan sollten es anerkennen. Ach ja, und sie kauften auch Tulpen.

In ihrem Buch »Tulipmania: Money, Honor, and Knowledge in the Dutch Golden Age« schrieb die Autorin Anne Goldgar: »Als Luxusobjekte passten Tulpen sehr gut in eine Kultur aus reichlich vorhandenem Kapital und neuer Weltoffenheit.« Sie waren ebenfalls neu und glänzend, im 16. Jahrhundert aus dem Osmanischen Reich importiert und erstmals in einem Buch des Botanikers Carolus Clusius publik gemacht worden, nur ein Jahrzehnt vor der Gründung der Niederländischen Ostindien-Kompanie. Und es hing von einem Markt ab, festzulegen, wie viel sie wert waren. Und dieser Markt war dank Spekulationen von Investoren und komplexer Finanzabkommen freier als je zuvor.

 

Während die Tulpenzwiebeln an Prestige gewannen, schnellte ihr Wert in die Höhe. Mitte der 1630er, in der zweiten Generation des Goldenen Zeitalters, waren Tulpen das heißeste Gut der Nation; nur Gin, Hering und Käse waren wertvollere Exportartikel. Die Versorgung mit Tulpenzwiebeln konnte mit der Nachfrage nicht mithalten. Der Preis für eine einzelne Zwiebel stieg sprunghaft an – vom Gegenwert eines Wurzelgemüses zu Beginn des Jahrhunderts bis zum Wert eines ganzen Grundstücks gegen Ende des Jahres 1637. Geschickte Geschäftsleute hätten mehr als zehn Jahre arbeiten müssen, um genug Geld für eine einzige Zwiebel zu verdienen. Es herrschte eine Tulpenmanie in der Republik der Vereinigten Niederlande.

Aber war die Nachfrage wirklich so fanatisch? Ganz im Gegenteil. Dieser neue freie Markt führte das ein, was heute als »Terminkontrakt« bekannt ist, wobei eine Partei zustimmt, etwas zu einem festen Termin für einen festen Preis zu kaufen, wobei sich beide Parteien nicht kennen müssen und keine Waren ausgetauscht werden. Im Herbst sicherten sich Käufer das Recht, im nächsten Frühjahr Zwiebeln zu einem vorbestimmten Preis zu kaufen. Diese Verträge wechselten bis zu zehn Mal am Tag den Besitzer, wobei jeder Tausch den Preis für die Zwiebeln ein Stück höher trieb.

Bis 1636 fiel die Nachfrage ab. Das bedeutete, dass Käufer, die an einen Terminkontrakt aus dem Herbst gebunden waren, im Frühling mehr für die Zwiebeln bezahlen mussten, als diese tatsächlich wert waren. An dieser Stelle werden die Dinge politisch. Viele der Käufer waren lokale Bürgermeister, die plötzlich ganz allein im Verborgenen ihre Verluste ausgleichen mussten. Die verschuldeten Bürgermeister erließen Gesetze, die ihre Terminkontrakte in Optionsverträge verwandelten. Das gab ihnen die Möglichkeit, Zwiebeln zu kaufen, wenn deren Preis höher war als der Preis, an den sie ursprünglich gebunden waren. War er niedriger, dann konnten sie sich einfach mit einer kleinen Entschädigung an den Verkäufer aus dem Vertrag herauskaufen. Dies brachte die Verkäufer in die Klemme, da sie ihre Lager mit Zwiebeln gefüllt hatten. Sie nahmen nämlich an, dass sie in Inventar zu einem garantierten Preis loswerden würden, weil es in den Terminkontrakten so ausgemacht war. Stattdessen schuf das Aufweichen der Kontrakte eine Win-Win-Situation für die Käufer, während die Verkäufer dazu gezwungen waren, ihre Verluste einzudämmen.

Die Verkäufer – Pflanzer und Markthändler – bliesen den Preis für Zwiebeln um das 20fache ihres tatsächlichen Wertes auf. Ihre Hoffnung war es, dass sich die Käufer an ihre Verträge halten, was nun eine Option und keine Verpflichtung war. Aber die Käufer kauften nicht. Sie wussten, dass der aufgeblasene Preis nicht den Marktwert widerspiegelte, was die Verkäufer im Besitz einer vergifteten Investition beließ. Berühmt wurde eine Zwiebelauktion in Haarlem, dem Zentrum der Manie, zu der keine Menschenseele erschien. Der Preis sank beinahe unmittelbar, was zeigte, was passiert, wenn Menschen Dinge, die sie nicht besitzen, an Menschen verkaufen, die sie sich nicht leisten können.

Fast ein halbes Jahrtausend später scheint es, dass wir unsere Lektion trotzdem nicht gelernt haben.