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Klimt in Mode – Ein modebewusster Künstler & malerischer Modeschöpfer
Autorin Julia Laukert berichtet in der neuen sisterMAG Ausgabe über den Wiener Künstler Gustav Klimt und seinen Bezug zu Reformkleidern, die Ende des 19. Jahrhunderts im Zuge der Reformbewegung entstanden. Klimt zählte dabei zu den ersten Künstlern, die sich mit diesem neuen Kleidungsstück (vor allem in seiner Kunst) auseinandersetzte. Lest hier den spannenden Artikel über Klimt und Mode!
- Text: Julia Laukert M.A.
- Fotos Künstlerkleider: Kunstmuseen Krefeld »Auf Freiheit zugeschnitten«
Gustav Klimt in Mode
Ein modebewusster Künstler und malerischer Modeschöpfer
Während sich die heutige Gesellschaft in ihrem modischen Outfit nach Belieben ausleben kann, sah es vor einigen Dekaden noch anders aus. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts bestimmten soziale und kulturelle Umstände die Kleiderordnung der Ständegesellschaft. Frauen- und Männerkleidung waren gesellschaftlichen Regeln unterworfen, demonstrierten Status und Beruf. Bekleidung ergab in seiner jeweiligen Schicht in Form und Farbe ein einheitliches Bild. Kein Wunder, dass sich Künstler, Architekten und Designer eines Tages diesem Thema annehmen würden. Anfänglich noch bestrebt, ein Gesamtkunstwerk aus Alltagsgegenständen mit künstlerischem Anspruch zu schaffen, entstanden immer mehr bedeutende Kooperationen zwischen Kunstschaffenden und Modeschöpfern. Heutzutage sind Wechselbeziehungen und der Austausch zwischen unterschiedlichen Kreativbereichen gang und gäbe. Bis zum 20. Jahrhundert sah das allerdings anders aus, da eine Hierarchie Kunst und Kunsthandwerk trennte: Die Bildende Kunst stand über der Angewandten Kunst, der Gebrauchskunst. Letztere meint Objekte, die einen Nutzwert haben und die nicht um ihrer selbst willen geschaffen werden wie Gemälde oder Plastiken.
Ende des 19. Jahrhundert erlebte diese Rangordnung ein Umdenken. Kunstschaffende fingen an, sich mit der Gestaltung von Alltagsobjekten zu beschäftigen und ihnen einen anspruchsvollen und künstlerischen Wert beizumessen. Eine wesentliche Änderung erfuhr dabei die Frauenkleidung. Bedingt durch die Reformbewegung, die unter anderem die Befreiung des Frauenkörpers vom Korsett zum Ziel hatte. Aus medizinischer Sicht war das steife Gestell ungesund und gefährlich. Abgesehen davon war das tägliche Anziehen, Tragen und Ausziehen der ungemütlichen und erdrückenden Unterkleidung eine Qual für die Damenwelt. Kunstschaffende in England, Deutschland und Österreich begannen sogenannte Reformkleider zu entwerfen. Die Grenzen zwischen Bildender und Angewandter Kunst mischten sich in Produktionsgemeinschaften wie den Wiener Werkstätten (Gründung 1903), wo Kreative unterschiedlichen Metiers zusammenarbeiteten.
Gustav Klimt (1862 – 1918) zählte zu den ersten Künstlern dieser Bewegung, die sich mit dem Thema Reformkleidung beschäftigten. Betrachtet man sein Gesamtwerk, so erkennt man sein ausgeprägtes Modebewusstsein. Der Wiener Maler erhob Frauen in seinen Werken zu modischen Göttinnen in außergewöhnlichen Gewändern, die es so auf dem Markt eigentlich nicht gab und die man eher aus dem Theater oder Tanzaufführungen kannte: dramatisch fließende und sich überlagernde Schichten von Stoffen, ausgestellte Roben, Umhänge, Hemdkleider, Mäntel und Kimonos. Kleider, die die Frau nicht einschnüren, sondern ihr schützend einen schmucken Freiraum zum Wohlfühlen verschaffen. Klimts Werke leben von der sparsamen, farbenprächtigen Ornamentik, die sich strikten, geometrischen Ordnungen beugt.
Die Malerei bot Gustav Klimt eine ideale Experimentierfläche, um seine Ideen von Frauenkleidern vorzustellen. Bei seinen Zeitgenossinnen fanden diese Kreationen aus Farbe und Form auf Leinwand große Beachtung. So nutzte er seinen malerischen und experimentellen Spielraum, um das Frauenbild seiner Zeit von den vorherrschenden, gesellschaftlichen Zwängen nach seinen Vorstellungen zu befreien und sie auf einen Thron glänzender Sinnlichkeit zu erheben.
Die Wiener Damen ließen sich von Klimt nicht nur porträtieren, sondern auch ankleiden. Denn bei all der Bewunderung blieben seine malerischen Kreationen nicht lange nur zweidimensional. Sie weckten Wünsche, wurden realisiert und getragen. Zu verdanken ist diese Entwicklung einer erfolgreichen Unternehmerin aus Wien. Diese bedeutende Persönlichkeit war Emilie Flöge (1874 – 1952), die auch gleichzeitig seine Lebensgefährtin und Muse war. Gemeinsam mit ihren Schwestern betrieb sie in Wien einen angesagten Modesalon, der in seinen besten Zeiten bis zu 80 MitarbeiterInnen zählte. Hier entstanden Haute-Couture-Kleider für die modebewusste und moderne Frau. Zu Flöges Kundinnen zählten Damen aus der großen Gesellschaft, die sich Spezialanfertigungen aus der Hand eines Künstlers leisten konnten.
Klimt konnte sich im Salon Flöge im Entwerfen von Kleidern ausprobieren. Schließlich liebte die Wienerin ihn nicht nur, sondern schätze ihn als Modemacher. Er porträtierte sie in seinen Werken und sie ließ die gemalten Kleider Realität werden. Eine überaus kreative Verbindung, die beide Partner repräsentativ genossen. Fotografien zeigen, wie gerne Flöge Klimts Kleider trug. Aber auch Klimt präsentierte sich oft in seinen langen Künstlerhemden. Getragen wurden die verzierten, langen Kittel hauptsächlich vom Künstler selbst, zu Freizeitzwecken auch von seinen Anhängern in der Villa Primavesi oder am Atterssee. Klimts Hemdkleider hatten an den Schultern dekorative Stickereien und waren aus grober, vorzugsweise mittelblauer Leinwand. Zu besonderen Anlässen, wie den alljährlichen Künstlerfesten, trug er Gewänder aus fließender Wiener Werkstätte-Seide und eine phantasievolle Kopfbedeckung dazu.
Dieses geschlechtsneutrale Kleidungsstück blieb eine Ausnahme und richtete sich nicht an die breite Volksmasse. Vielmehr stand im Fokus der Reformbewegung der Wandel in der Frauenbekleidung. Auch die Modeabteilung der Wiener Werkstätte, die die technischen Voraussetzungen besaß und mit viel Engagement Textilentwürfe und Kleidung entwarf, konzentrierte sich vorwiegend auf die Damenmode.
Klimts Modelle gelten heute als Künstlerkleider. Einen breiten Absatzmarkt fanden sie zwar nicht, dafür aber Beachtung und Bewunderung bei seinen Mitmenschen, Kundinnen und Freunden. Mit Bildern wie „Der Kuss“ oder „Wasserschlangen (Freundinnen)“ schuf er Ikonen, die noch 100 Jahre später für Faszination sorgen und in unzähligen Reproduktionen Interieurs auf der ganzen Welt bekleiden. Nach Gustav Klimt folgten weitere prominente Künstler, die sich Kleider- und Textilentwürfen, Anti-Moden, Künstlerroben und Laufsteg-Sensationen widmeten.