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Barock in Italien – Im Schein des prachtvollen Gesamtkunstwerks

In der neuen sisterMAG Ausgabe nimmt sich Autorin Julia Laukert der Stilperiode des Barocks an – mit Blick auf Italien. Der Barock in Italien steht für Großzügigkeit, Selbstbewusstsein und Mut. Lest die vollständige Entwicklung einer Stilperiode hier nach.

  • Text: Julia Laukert

Barock in Italien

Im Schein des prachtvollen Gesamtkunstwerks

Die Stilperiode des Barocks umfasst ein Weltreich der Kunst: sakrale und profane Prachtbauten, geschwungene Fassaden, dramatische Hell-Dunkel-Malerei, theatralische Gebärden in Plastik sowie opulente Deckenfresken. Barock steht für Großzügigkeit, Selbstbewusstsein und Mut.

Die Wiege dieser Epoche steht in Rom im Zeitalter des Papsttums um 1600. Als Hauptauftraggeber entwickelt vor allem die katholische Kirche den neuen Stil. Dabei werden alle Künste miteinbezogen, wodurch eine eindrucksvolle Einheit von Architektur, Plastik und Malerei entsteht.

Aus dem Italienischen übersetzt, meint das Wort »barocco« ursprünglich »schief« beziehungsweise »regelwidrig«. Der Stil steht zwar für starke Bewegtheit in architektonischen und dekorativen Komponenten, ist jedoch alles andere als launenhaft. Seine Sprache folgt strikten Programmen. In Rom erarbeitet man in zahlreichen Abwandlungen ein Grundschema des Barocks, dass über seine Grenzen hinaus Schule macht.

Von Italien aus breitet sich der barocke Stil um Mitte des 17. Jahrhunderts auf die übrigen europäischen Länder aus. Die Stilrichtung findet Mitte des 18. Jahrhunderts ihr Ende. Unterteilt wird sie in Früh-, Hoch- und Spätbarock. Die letzte Phase wird auch als Rokoko bezeichnet.

Barock in Italien: Architektur

Der Barock ist das große Zeitalter der Kirchen. Als erster Barockbau gilt Il Gesù in Rom, die Hauptkirche der Jesuiten. Ein Bauwerk, das oft und gerne abgewandelt wurde, zur monumentalen Groß- bis zur bescheideneren Kleinkirche.

1568 begonnen, versammelt Il Gesù die maßgeblichen Elemente des barocken Stils im Auf- und Grundriss. Die zweistöckige Fassade setzt den Baukörper bereits auf der Straße in Bewegung. Diese setzt sich in rhythmischer Raumgestaltung im Inneren der Kirche fort. Typisch für barocke Architektur sind demnach im Außen- wie auch im Innenraum schwungvolle Wandlinien, vorgesetzte Säulen und Pilaster, der Wechsel von Wand- und Raumabschnitten, eine starke Reliefwirkung, die organische Verschmelzung von Elementen sowie gesprengte Giebel. Barocke Innenräume erkennt man an aufwendigem Dekor aus kostbaren Materialien wie Gold, Silber oder Marmor. Das Langhaus in Kirchen dieser Stilepoche ist kürzer und breiter als in romanischen oder gotischen Bauten.

Im barocken Kirchenbau experimentieren die Baumeister mit Licht und einem bis dahin unbekannten Zusammenspiel aus Dekor und Architektur, das zu einem einheitlichen szenographischen Bild führt. Dieser festlichen Architektur werfen Kritiker später vor, dass sie irrational und rauschhaft sei. Doch Barockarchitektur ist weder willkürlich noch unbeherrscht spontan. In ihr äußert sich die Vorstellung eines Ordnungssystems, dass alle Erscheinungsformen des Lebens erfasst. Sie erscheint als Spiegelung eines Weltprogramms, der Weltlust und religiöser Ekstase innewohnt.

Barock in Italien: Plastik

Die Architektur im Barock bildet den Rahmen für das prächtige Gesamtkunstwerk: Skulpturen und Malerei sind in das architektonische Konzept hineinkomponiert, für das sie geschaffen werden. Somit hat die Bildhauerkunst zur Zeit des Barocks die Aufgabe, bauliche Akzente in der Ausgestaltung von Kirchenbauten oder Platzanlagen (z.B. Piazza Navone oder der Petersplatz in Rom) zu setzen. Eine Barockplastik benötigt den Zusammenhang mit ihrem Standort, um ihre pathetische Wirkung zu entfalten. Als Teil des Gesamtkunstwerks ist die Plastik nicht selten mit der Malerei verflochten oder lässt die massige, bewegte Architektur in sich münden. Im Außenbau bevölkert sie Nischen, Tore, Balkone, Balustraden oder die Spitze von Giebelfeldern.

Stilistisch für Plastik im barocken Stil ist die freie, malerische, meist stark bewegte Art der Ausarbeitung, die sich bis ins Ekstatische steigern kann. Die oft überlebensgroßen Figuren scheinen im Augenblick der Erregung, der religiösen Hingabe oder in Lust und Schmerz zu schwelgen. Spannung und Stimmung, die raumgreifende Ausholung der Gebärden, die wie vom Sturm gepeitschten Gewänder sowie die Effekte von Licht und Schatten sind meisterliche Kunstgriffe ihrer Bildhauer.

Der sein Zeitalter prägende Schöpfer ist Giovanni Lorenzo Bernini (1598 – 1680). Seine virtuosen Werke in Rom wie die Statuengruppen in der Villa Borghese, die Ausstattung im Petersdom oder der Vierströmebrunnen machten Bernini zum Inbegriff des römischen Barocks und der Barockskulptur.

Barock in Italien: Freskomalerei

Beim Betreten eines barocken Kirchenraums wird der Blick des Betrachters

unweigerlich über die architektonische und plastische Gestaltung in die Höhe bis zur bemalten Kuppel gelenkt – dort wo sich der Blick zum „Himmel“ öffnet. Die Barockmaler, die in schwindelerregender Höhe illusionistische Meisterwerke vollbrachten, überlisteten die Architektur auf dünnem Kalküberzug mit farbigem Schein. Malerisch sprengten sie Saaldecken, die bis heute eindrucksvoll die Schwere der Architektur vergessen lassen.

Vor allem die Deckenfresken in katholischen Kirchen zeigen die barocke Prachtentfaltung, die sich zu einem „theatrum sacrum“, einem heiligen Theater steigert. Die Freskomalerei gewinnt eine bis dahin nicht gekannte und seitdem nie wieder erreichte Bedeutung. Decken, Kuppeln und Wände werden mit heilsgeschichtlichen beziehungsweise mythologischen Inhalten überzogen. Der Inhalt dieser Bilder ist bis ins Einzelne konzipiert. Für die Kirchenbemalung arbeiteten die Geistlichen ganze Programme aus. Liebling der barocken Sprache ist die Allegorie: Personen treten als Begriffe auf, etwa wie die Tugenden und Laster.

Kennzeichnend für die Malerei des Barocks ist der Einsatz von starken Lichteffekten, kräftiger Farbigkeit, Illusionismus und Bewegung. Der Übergang vom gebauten zum gemalten Raum sowie jede einzelne Ausarbeitung einer anderen Gattung in barocker Manier erscheint wie ein Festakt der Künste.