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Interview Albertinum Dresden

Mit dem berühmten »Denker« von Auguste Rodin (1840 – 1917), dem Titelkunstwerk dieser sisterMAG Ausgabe, befinden wir uns an der Schwelle vom 19. zum 20. Jahrhundert und der Entstehung moderner Bildhauerei und Plastik. In einem Gespräch mit der Konservatorin und Rodin-Expertin Astrid Nielsen vom Albertinum in Dresden, das einige Skulpturen Rodins in seinem Besitz hat, könnt ihr mehr über das Schaffen von Rodin und den »Denker« erfahren.

Interview Albertinum Dresden

Im Gespräch mit der Konservatorin und Rodin-Expertin Astrid Nielsen

Von moderner Kunst in Spanien machen wir in dieser sisterMAG Ausgabe in der Kunstgeschichte zeitlich einen kleinen Sprung nach hinten, zurück zur Schwelle vom 19. zum 20. Jahrhundert, und nehmen den Begründer der modernen Bildhauerei und Plastik einmal genauer ins Visier: Auguste Rodin (1840 – 1917). Ein neues Medium birgt auch immer neue interessante Erkenntnisse und Entwicklungen in der Kunst in sich.

Die Skulpturensammlung im Albertinum in Dresden besitzt zahlreiche Arbeiten des französischen Bildhauers, darunter auch eine Fassung des berühmten »Denkers« – das Titelkunstwerk der neuen Ausgabe. Die Konservatorin und Rodin-Expertin des Hauses Astrid Nielsen hat sich für euch Leserinnen und Leser die Zeit genommen, ein paar Fragen zu Rodins künstlerischem Werk zu beantworten…

1. Wer war Auguste Rodin und was ist charakteristisch für sein künstlerisches Werk?

Auguste Rodin (1840–1917) war DER Bildhauer des ausgehenden 19. Jahrhunderts an der Schwelle zur Moderne des 20. Jahrhunderts. Der Künstler hat die Skulptur eines ganzen Jahrhunderts in einer Weise geprägt, wie sie mit der Wirkung Michelangelos für die Kunst der Hochrenaissance vergleichbar ist. Bis ins Alter von 40 Jahren hatte er es allerdings schwer, mit seiner neuen Kunst zu reüssieren. Erst der Staatsauftrag 1880 für das »Höllentor«, das als Portal eines neuen Kunstgewerbemuseums in Paris entstehen sollte, brachte die Wende zum Welterfolg.

Dieses »Höllentor« war ein gewaltiges work in progress, aus dem der Künstler immer wieder Werke entnahm, sie veränderte, vergrößerte, zusammenfügte oder trennte und als einzelne Figuren ausstellte. Rainer Maria Rilke, der eine Zeit lang Rodins Sekretär war, bezeichnete das Werk als einen »Steinbruch der Ideen«. Dieses Vorgehen ist charakteristisch für Rodins damals revolutionäre Kunst und seine Arbeitsweise. Der Künstler schuf zunächst einen szenischen Zusammenhang, aus dem er Teile entnahm und diese zum autonomen Kunstwerk erhob und damit den ursprünglichen Erzählzusammenhang ausblendete. Mit ihrer Loslösung weisen die Figuren keine Verbindungen mehr zum ursprünglichen thematischen Zusammenhang auf. Dadurch wird deutlich, dass es nicht allein die Entwicklung des Torsos als eigenständiges Werk und das Interesse am Unfertigen waren, was Rodin zum Wegbereiter der modernen Skulptur machte. Hinzu kam die damit verbundene inhaltliche Offenheit und Mehrdeutigkeit sowie der Ausdruck von Emotionen und Subjektivität.

2. Wer war »Der Denker«? 

In thematischer Anlehnung an Dante Alighieris (1265–1321) »Göttliche Komödie« entwarf Rodin das »Höllentor«, mit dessen Ausführung er 1880 beauftragt worden war. Gedacht war das Werk als Eingangsportal für ein neues Kunstgewerbemuseum in Paris. In den Gesängen der »Hölle« berichtet Dante von der Welt der Toten, die für ihre Sünden büßen müssen, und Rodin setzte dazu seine Visionen in Szene. Viele von Rodins Skulpturen sind aus dem Zusammenhang dieses figurenreichen Großprojekts entwickelt, so entstammt auch der »Denker« aus diesem Zusammenhang.

Ursprünglich war der »Denker« als Verkörperung Dantes geschaffen worden und sollte in zentraler Position über den figurenreichen Szenen des Höllengeschehens thronen, zu Beginn trug das Werk auch den Titel »Der Dichter«. Wie in anderen Fällen auch, stellte Rodin die Figur aus ihrem Zusammenhang herausgelöst aus und vergrößerte es sie gar um das Dreifache. Heute ist der »Denker« das bekannteste Werk Rodins und eines der berühmtesten in der Geschichte der modernen Skulptur.

3. Wie viele weitere Fassungen gibt es vom »Denker« und wo befinden sie sich?

Weltweit existieren über 25 kolossale Ausführungen in Gips und Bronze, u.a. in Paris, New York, Kopenhagen, Cleveland, Detroit oder Bielefeld.

4. Wie ist die kolossale Skulptur von Rodin in den Besitz Ihrer Sammlung gekommen?

Die Gipsfassung im Albertinum ist nach der »Großen Kunstausstellung« 1904 in Dresden vom Künstler selbst erworben worden und es gelang Georg Treu, dem damaligen Direktor der Skulpturensammlung, den Dresdner Bankier Fritz Emil Günther als Financier für dieses bedeutende Werk zu gewinnen.

5. Was kann man sich im Albertinum Dresden neben der Skulpturensammlung noch ansehen?

Im Albertinum erwartet den Besucher die Kunst von der Romantik bis zur Gegenwart, Malerei von Caspar David Friedrich bis Gerhard Richter sowie Skulptur von Rodin bis ins 21. Jahrhundert – die Sammlungen im Albertinum besitzen weltweit einen bedeutenden Ruf.

Ab 2. März ist die neue Sonderausstellung zu sehen: »Kandinsky, Mondrian, Lissitzky und die abstrakt-konstruktive Avantgarde in Dresden 1919–1932« (https://albertinum.skd.museum/ausstellungen/zukunftsraeume-kandinsky-mondrian-lissitzky-in-dresden-1919-bis-1932/).