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Warum Philantropen Kunst finanzieren sollten

Es ist einfach zu verstehen, weshalb Philanthropen nicht oft dazu neigen, Kunst zu unterstützen – gerade im Vergleich zu Krebsforschung oder Schulen in unterentwickelten Ländern. Philanthropie ist schließlich der Beitrag zum allgemeinen Wohl der Menschheit und es braucht etwas Finesse, um den langfristigen Nutzen in der Förderung künstlerischen Ausdrucks zu erkennen. Christian Näthler erklärt im sisterMAG, warum Kunst dennoch ein wichtiges Förderziel ist.

Bei der Philanthropie tragen wohlhabende Individuen durch ihr Geld zum allgemeinen Wohl der Menschheit bei. Das könnte einerseits die Reduzierung der Armut sein, erhöhter Zugang zu Gesundheitsvorsorge, oder die Verbesserung der Umwelt. Aber wie sieht es mit Kunst und Kultur aus? Mit schrumpfenden öffentlichen Geldern, die oft zu Beginn schon knapp angelegt waren, ist es essentiell, dass Philanthropen die Wichtigkeit künstlerischen Ausdrucks erkennen.

Es ist einfach zu verstehen, weshalb Philanthropen nicht oft dazu neigen, Kunst zu unterstützen – gerade im Vergleich zu Krebsforschung oder Schulen in unterentwickelten Ländern. Philanthropie ist schließlich der Beitrag zum allgemeinen Wohl der Menschheit und es braucht etwas Finesse, um den langfristigen Nutzen in der Förderung künstlerischen Ausdrucks zu erkennen. Unter all dem Altruismus ist schließlich auch noch Eigeninteresse verborgen. Ein Philanthropist mag sich fragen, welcher gute Zweck ein besonders gutes Licht auf einen wirft, oder wie viel Einfluss ein Beitrag wirklich hat. Als Retter der Nashorn-Bevölkerung dieser Erde wäre man ein Held – und es gäbe einen einfachen Weg, den eigenen Einfluss zu messen: entweder es gibt mehr Nashörner als vorher und die Spende hat sich gelohnt, oder eben nicht und es wird ein anderer guter Zweck gefunden. In der Kunst ist es schwieriger, solche Ergebnisse zu messen.

Trotzdem gibt es natürlich viele gute Argumente für private finanzielle Unterstützung der Kunst. Vor eineinhalb Jahrhunderten hat man damit begonnen: In der französischen Kunst, einer einzigen Institution, war die staatliche Académie des Beaux-Arts die Autorität, die bestimmte, welche Werke im anerkannten Paris Salon ausgestellt wurden (damals der prestige-reichste Marktplatz für Kunst). Die Jury war konservativ und ließ nur eine sehr schmale Bandbreite an Arbeiten zu. Unzufrieden mit dieser Situation nahm es der Maler Gustave Caillebotte auf sich, eine neue Interpretation der Kunst zu fördern: Impressionismus. Als Erbe eines stattlichen Vermögens konnte er es sich leisten, den Impressionismus nicht nur durch seine Arbeit, sondern auch durch sein eigenes Geld zu fördern. Er finanzierte Ausstellungen, die Künstler wie Claude Monet und Pierre-Auguste Renoir in das Licht der Öffentlichkeit rückten. Als Ergebnis wurde diese Öffentlichkeit mit einer ganz neuen Form der Interpretation und Kreativität konfrontiert. Unabhängige Kunst zu finanzieren – die impressionistische Bewegung – löste in diesem Fall die Macht einer künstlerischen Oligarchie auf und öffnete die Türen für die Avant-Garde.

Wenn wir wieder in die heutige Zeit zurückkehren, können wir moderne sozio-politische Parallelen ziehen, deren Einsatz größer ist als die bloße Unterdrückung von Künstlern. In konservativen Gesellschaften bietet die Kunst Rand- und Subkulturen die Möglichkeit zu erblühen. Kritik, Skepsis und Meinungsfreiheit sind essentiell für eine gesunde Gesellschaft. Wenn jene Gruppen diese Freiheiten nicht in der politischen Arena ausleben können, ist es entscheidend, dass sie andere Plattformen dafür haben – Galerien, Musicals, Theater. Nur dann können wir ein besseres Verständnis für das volle Spektrum der Meinungen, Bedürfnisse und Interpretationen unserer Gesellschaft entwickeln.

Außerdem ist die Kunst eine konstante Aufnahme der Öffentlichkeit. Während Geschichtsbücher unpassende Nuancen oft verstecken können, kann dies in der Kunst nicht so leicht geschehen. Viele würden zum Beispiel das ambitionierte Erneuerungsprogramm der Stadt Paris Mitte des 19. Jahrhunderts als eindeutigen Triumph erkennen. Doch wenn man sich Caillebottes Bilder der Menschen auf diesen riesigen, neuen Boulevards anschaut, erkennt man bodengewandte Gesichter, die von der Veränderung befremdet sind. Vielleicht ist dies ein Zeichen für uns, dass rapide Modernisierung eine Spur stiller Opfer hinterlassen hat; dass wir etwas für die Zukunft lernen können. Im Salon hätte man von alledem nichts gesehen. Kunst zu finanzieren ist also eine Investition in Bildung und ein Aufruf zu kritischem Denken.

Zuletzt ist Kunst Freude. Sie beschwingt. Ein kurzer Gedanke an ein Leben ohne Kunst lässt das eindeutig erkennen. Design, Schreiben, Filme, Fotografie, Musik, Tanz, Theater – all diese Formen der Kunst tragen zu den lebhaften Gemeinschaften bei, an denen wir alle teilhaben dürfen sollten. Die Ausdrücke erlauben es uns, Verbindungen zu finden und andere Kulturen zu verstehen. Wir wären eine ziemlich langweilige Gesellschaft, wenn wir nur von der Industrie und Technik definiert würden.

Kunst gibt den Unterdrückten eine Stimme, ermutigt zu bürgerlichem Engagement, baut Gemeinschaften auf und zeigt, dass der Teufel im Detail steckt – alles essentielle Züge in starken, freien Demokratien. Bedenkt man außerdem, dass man durch Kunst am Diskurs der menschlichen Imagination teilhaben kann,  hat man eine ziemlich gute Vorstellung davon, weshalb Kunst die Investition immer wert ist.