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Feuer, Stahl und Internet – Thomas Lampert und seine Schmiede „Fuschina da Guarda“ im Unterengadin
In unserem Interview gibt Thomas Lampert, Schmied und Inhaber der Schmiede Fuschina da Guarda im Unterengadin Einblicke in seinen Lebensweg. Er erzählt, wie sein Interesse am Handwerk entstand, die Rolle seiner Eltern und den Reiz der Bergwelt. Lampert spricht auch über die Herausforderungen der Digitalisierung im Handwerk und seinen Stolz über den Aufbau seines gut funktionierenden Online-Vertriebs.
- Interview: Alex Sutter
- Fotos: Mayk Wendt
Feuer, Stahl und Internet – Thomas Lampert und seine Schmiede „Fuschina da Guarda“ im Unterengadin
Alex Sutter (AS): Lieber Herr Lampert: Warum haben Sie sich ursprünglich für ein Handwerk entschieden und warum ist es dann – trotz anderer Optionen, die Sie ja zwischenzeitlich hatten, mit Ihrem Physikstudium und mit dem humanitären Aufenthalt im Kosovo – am Ende doch das Handwerk geworden?
Thomas Lampert (TL): Ich habe mir die ganze Geschichte ursprünglich etwas einfacher vorgestellt, als sie dann wurde. Ich habe eigentlich immer gedacht, dass ich im Handwerk – nebenbei zu einem Hauptberuf – noch ein bisschen praktisch arbeiten kann und habe dann ziemlich rasch gemerkt, dass das nicht möglich wäre – und dann habe ich mich letztlich wirklich für das Handwerk entschieden. Ich hatte den ersten Bildungsweg und die Schule auch ein bisschen satt, habe gerne gearbeitet und dann lag es irgendwie so auf der Hand.
AS: Und Ihre Eltern, waren die auch schon handwerklich orientiert oder kommen Sie aus einer ganz anderen Form von Haushalt?
TL: Nein, da gibt es schon Zusammenhänge. Das mit dem Stahl, mit dem Eisen, das kommt schon ein bisschen vom Vater, der hat das verkauft. Weil ich relativ gut zeichnen konnte, hat mein Vater gesagt „ja, versuch’s doch mal, geh mal gucken, schnupper rein in eine Lehre“.
AS: Also die Eltern haben es eher befördert damals und nicht ihr Veto eingelegt und gesagt, sie sollen Arzt werden oder sowas?
TL: Nein, überhaupt nicht, im Gegenteil. Schön!
AS: Und wie sind Sie dann zu Ihrer Schmiede in den Bergen gekommen? Dass Sie sie seit 2002 haben, weiß ich ja. Aber wie kam das, dass Sie aus der Region Basel, aus dem Unterland, wie man in der Schweiz sagt, in den Bergen gelandet sind? War das Ihr Wunsch, ins Oberland – in die Berge – zu gehen?
TL: Nein, mein Wunsch ist eher, etwas zu machen, was nicht alle machen. Das ist immer so. Und ich war damals wirklich auf der Suche nach einer Selbständigkeit als Schmied. Erstmal habe ich in der Region Basel gesucht nach einer alten Werkstatt. Und dann ist mir zu Ohren gekommen, dass Guarda hier oben jemanden sucht, der diese alte Schmiede übernehmen würde. Und dann habe ich das schließlich gewagt.
AS: Welche Rolle spielt für Sie als Handwerker und Unternehmer diese Bergwelt, die Sie da umgibt? Hat das einen Einfluss auf das Lebensgefühl oder auf Ihre Arbeit?
TL: Ja, man hat wahrscheinlich ein bisschen mehr Ruhe. Ansonsten nicht so extrem. Es gefällt mir einfach hier. Das ist eigentlich der Hauptpunkt. Und etwas vielleicht noch: Natürlich hat man schon für gewisse Produkte einen Vorteil, nämlich den Tourismus. Muss man schon so sagen. Da laufen einem ja quasi die Leute in den Betrieb. Irgendwo in einem Industrie- oder einem Gewerbequartier, irgendwo in der Schweiz oder in Deutschland, wäre das ja nicht der Fall. Das ist ein Vorteil, den ich auch voll ausnutze.
AS: Zum Tourismus und zu Ihren Kunden kommen wir gleich nochmal. Aber vielleicht vorher ganz generell: Was ist schön an Ihrem Beruf und was eher nicht? Was geht Ihnen manchmal oder gar häufig auf die Nerven daran?
TL: Also…was mir auf die Nerven geht, das ist fast einfacher zu beantworten: Das ist manchmal König Kunde, wenn er sich nicht ganz so königlich verhält *lacht*. Aber hauptsächlich ist es die Hektik. Die Hektik, denn wir arbeiten ja sehr viel im Baugewerbe, das mache ich jetzt seit 35 Jahren, und eigentlich kann man sagen, es wird jedes Jahr schlimmer und das ist so aufgrund der Digitalisierung. Da bin ich überzeugt davon. Als ich die Lehre begonnen habe, da hatte niemand ein Handy, da konnten wir nicht so miteinander reden, wie wir es jetzt machen. Das war schon wesentlich einfacher damals. Da hat man irgendwie besser oder weiter vorausgeplant. Es war nicht so kurzfristig alles und es wurde weniger vergessen. Das geht mir oft auf die Nerven. Und das Schöne ist halt die gestalterische Seite, dass wir doch noch in vielen Dingen einen gewissen Freiraum haben, den wir selbst gestalten können.
AS: Also würden Sie sagen, dass die Digitalisierung auch im Handwerk und im Bauwesen eine Menge verändert, insbesondere in der Kommunikation, und dass das die Qualität der Ausführung negativ beeinflusst?
TL: Es geht nicht unbedingt zulasten der Qualität, aber zulasten der Gesundheit, man ist einfach gestresster heutzutage.
AS: Sie bilden ja auch aus. Haben Sie Probleme, ausreichend viele und vor allen Dingen auch ausreichend gute Mitarbeiter zu finden?
TL: Jein. Mit meinen Mitarbeitern bin ich sehr gut bedient, weil drei meiner Mitarbeiter bei mir schon die Lehre gemacht haben. Die sind dann irgendwie mal weggegangen und anschließend zurückgekommen, es gefällt Ihnen offenbar hier. Und im Schmiedebereich, wenn man mal kurzfristig jemanden braucht, da sind auch heute noch Wandergesellen unterwegs, auf die man zurückgreifen kann. Ich weiß nicht genau, wie das Berufsbildungssystem in Deutschland aufgebaut ist in unserer Branche. Bei uns ist es so, dass unsere Azubis Metallbauer mit Fachrichtung Schmied lernen – und die Metallbauer haben grundsätzlich schon ein Riesenproblem. Niemand möchte sich mehr die Hände schmutzig machen. Allerdings sind die Schmiede gegenüber anderen Handwerkern doch noch in einem gewissen Vorteil. Es gibt immer noch genügend so ein bisschen, wie soll ich sagen, freakige junge Leute, die das toll finden. Und ja, die wenigen, die wir ausbilden, da finden wir eigentlich immer die Richtigen.
AS: Wie gefährlich ist denn Ihr Beruf? Denn man hat ja viel mit Stahl und Kanten und Hitze und Feuer zu tun.
TL: Ja, das ist aber das einzig Gefährliche. Es sind gewisse Maschinen, bei denen man einfach ein bisschen aufpassen muss. Aber heutzutage, das ist ja nichts im Vergleich zu vor 35 Jahren, jetzt ist überall hier noch eine Sicherheit eingebaut und dort noch eine Sicherheit eingebaut. Also ich würde jetzt nicht sagen, dass wir einen wirklich gefährlichen Beruf haben.
AS: Welches Ihrer Produkte, Sie machen ja sehr unterschiedliche Sachen, vom Messer bis zum Treppengeländer…welches Ihrer Produkte liegt Ihnen denn am meisten am Herzen und warum?
TL: Ja, das darf ich fast nicht sagen. Doch, ich sage es eigentlich immer offen: Grabkreuze oder Grabmale. Und zwar weil da der gestalterische Freiraum doch recht groß ist und man auch modern arbeiten kann. Man kann irgendwie auf die Vergänglichkeit eingehen. Und ja, es ist dann ein Monument…es ist ein Monument, das nicht unbedingt, wie soll ich das sagen, zeitbedingt ist. Es darf auch ein bisschen mehr kosten und das Gespräch mit dem Kunden, was der Verstorbene für ein Mensch war, was zu ihm passt und so weiter, das ist eigentlich fast das Interessanteste.
AS: Das ist eine spannende Antwort. Und wer kauft ihre Produkte? Was sind das für Menschen?
TL: Beispielsweise bei den Küchenprodukten ist das der ganze Mittelstand, der oder die Freude haben an einem solchen handwerklichen Produkt, das man auch brauchen kann. Das ist ja nicht einfach ein Dekoprodukt, sondern es ist ein Gebrauchsgegenstand. Aber grundsätzlich reicht die Spanne der Kunden vom Bauern, der die Reparatur einer Gerätschaft braucht, und das möglichst günstig und schnell, bis zum Luxus-Produkt für eine Villa.
AS: Und welche Kunden sind da anspruchsvoller oder schwieriger? Diejenigen, die ein landwirtschaftliches Gerät schnell und günstig…
TL: Das können Sie sich ja vorstellen. Da muss ich nicht ewig darauf antworten.
AS: Sind Ihre Kunden insgesamt eher Männer? Metall, Messer und so weiter, das ist eher ein Thema für Männer, oder?
TL: Das dachte ich auch. Eigentlich sind wir in die Messerproduktion mal so reingerutscht. Ich dachte mir, das wäre doch was für die Märkte, die es hier im Engadin gibt. Ich hatte auf diesen Märkten beobachtet, dass die hauptsächlich für Frauen sind, dass es da vorwiegend Gegenstände für Frauen gibt, seidenbemalte Halstücher oder Keramik. Und die Männer habe ich beobachtet, die laufen so hintendrein. Und dann dachte ich mir, ja wenn du Messer machst, dann haben die Männer auch was zu gucken! Aber das war eigentlich ein Irrtum. Weil die Messer jetzt eigentlich 50/50 von Männern und von Frauen erworben werden.
AS: Das passt ja bestens, denn unsere sisterMAG Zielgruppe sind ja fast ausschließlich Frauen! Auf welche Ihrer beruflichen Leistungen sind Sie denn besonders stolz? Gibt es da etwas?
TL: Das ist extrem schwierig. Vielleicht, es den Zweiflern gezeigt zu haben, dass es doch geht. 95% meines ganzen Umfelds hat gedacht, das klingt verrückt, der Thomas macht den Schmiedemeister und dann geht er da in letzten Ort im entlegenen Engadin? Und auch die Leute hier oben waren skeptisch, ob das funktionieren kann. Und dass das jetzt doch funktioniert, das ist vielleicht das, was einen gewissen Stolz mit sich bringt. Aber sonst, Stolz auf ein spezifisches Produkt, nein, den fühle ich nicht.
AS: Wie soll es denn jetzt noch weitergehen bei Ihnen – Sie haben ja schon einiges erreicht, sich auch räumlich vergrößert mit der tollen Schmiede hier in Giarsun. Welche Ziele haben Sie noch? Sie sind ja noch ein junger Mann…ein bisschen braucht´s noch bis zur Rente!
TL: Ja, ja, 14 Jahre sind es noch – oder 13? Ich hätte schon Ideen, aber ich kann Ihnen dazu noch gar nichts sagen, Dazu bräuchte ich beispielsweise noch mehr Raum. Hier haben wir jeden Quadratmeter ausgenutzt und größer darf ich auch nicht bauen.
AS: Wäre es denn ein handwerkliches Ziel? Sie denken ja schon über den Tellerrand hinaus und sind jetzt auch Gastronom bei sich in Ihrer schönen Schmiede.
TL: Ja, das bin ich. Das ist eigentlich meine Frau. Zwischen Schmiede und Gastronomie gab es aber schon immer Bezüge, weil früher der Bauer zum Schmied kam, um entweder den Ochsen oder das Pferd zu beschlagen oder eine Reparatur machen. Der Schmied erledigte das und der Bauer ging zu Schmieds Frauen und bekam was zu trinken in der Zeit. Und so haben sich diese Restaurants entwickelt, die heute noch „Zur Schmiede“ oder „Schmiedestube“ heißen. Hier in der Schweiz war und ist diese Kombination also gar nicht so fremd.
AS: Aus der Vergangenheit zurück in Gegenwart und Zukunft: Sie haben ja auch einen Onlineshop. Welche Rolle spielt das Internet für Sie als Vertriebs- oder auch als Marketingkanal?
TL: Ja, es spielt eine riesige Rolle, die Welt läuft heute einfach so. Wir haben den eigenen Onlineshop inzwischen sogar enorm verkleinern müssen. Das heißt, wir versenden nur noch ganz spezielle Produkte selber, weil wir total überfordert waren. Wir sind ja kein Versandhaus, bei dem sie auf einen Button klicken und kurz bestellen – und die Ware kommt dann quasi automatisch aus China. Wir produzieren hier und machen auch die Logistik. Das wurde einfach schnell zu viel. Aber es ist ganz klar, Online ist für uns das größte Geschäft. Ich habe jetzt schon alle großen Weihnachtsbestellungen von den Stammkunden und den Partnern zusammengetragen, die unsere Produkte ihrerseits online vertreiben. Das ist für uns der wichtigste Teil des Geschäfts.
AS: Das hätte ich nicht gedacht, interessant. Ich hätte gedacht, dass der wichtigste Teil die Kundschaft ist, die tatsächlich bei Ihnen vor Ort ist, touristisch motiviert oder eben die Ansässigen.
TL: Der Direktverkauf, das sind vielleicht 10 Prozent aller Produkte, die wir herstellen, nicht mal. Es sind pro Jahr circa 3.000 handgeschmiedete Messer, und davon verkaufen wir 300 hier selber. Ja, das könnte hinkommen.
AS: Prima – dann hat die Digitalisierung ja nicht nur Nachteile! Ich danke Ihnen herzlich, Herr Lampert, und wünsche Ihnen weiterhin alles Gute!