Geschichte der Schwarz-Weiß-Fotografie
Autor Dr. Michael Neubauer bespricht in sisterMAG No. 64 im Rundumschlag die Geschichte der Schwarz-Weiß-Fotografie, wichtige Personen und Entwicklungen. Obendrauf gibt es noch aktuelle Ausstellungs-Tipps in Leipzig, Hamburg, Berlin und Potsdam zum Thema!
- Text: Dr. Michael Neubauer
Geschichte der Schwarz-Weiß-Fotografie
Fotografieren war nie so einfach wie heute! Jeder zückt sein Handy, schon ist das Selfie, das Dinner oder der Urlaubshit für alle Ewigkeit festgehalten. Ist man einen Schritt weiter, verfremdet man anschließend das Motiv, spielt mit den Farben oder zaubert einen Wolkenhimmel, der nie da war. Alles geht, nichts ist unmöglich. Und doch nagt da etwas in unseren farbigen Fototräumen, „Schwarzweiß“ ist wieder im Kommen, ist cool … und etwas Besonderes, besonders wenn manuell fotografiert. Und überhaupt, die berühmtesten Ikonen der Fotokunst fotografierten zu allen Zeiten schwarzweiß. Ob die Amerikaner Man Ray (1890 – 1976) und Ansel Adams (1902 – 1984), der Schweizer Robert Frank (1924 – 2019) oder der deutsch-australische Helmut Newton (1920 – 2004) und viele andere zeigten, welche Ausdruckskraft in einem schwarzweißen Bild bestehen kann. Sie komponierten Formen und Motive, jonglierten mit Schatten, Licht und Kontrast und schufen Emotionen, die uns bis heute begeistern. Das war und ist Kunst bis heute.
So lange es Menschen gibt, reizt es uns, unser Tun, unsere Umgebung, uns selbst darzustellen. Das Fazit eines Erfolges, das bestechende Outfit, die Würde des Alters, die Schönheit der von uns entdeckten Natur halten wir bildlich fest, als Erinnerung, für die Nachwelt, … um nicht vergessen zu werden. Nur durch die prähistorische Höhlenmalerei, durch die Veduten- und Landschaftsmalerei, durch unterschiedlichste gemalten Porträts wissen wir, wie lebte man vor Jahren, wie sahen unsere Städte aus, welche Mode herrschte vor, wie sahen diese oder jene Berühmtheiten aus. Nur zu verständlich, dass man neben der Malerei nach anderen Darstellungsformen suchte und Kreative gab es immer. Da merke man sich 4 Namen:
Aristoteles (384 v. Chr. – 322 v.Chr.) und sein Team beschrieben schon 350 Jahre vor Christi die Möglichkeit, einen Gegenstand auf der Rückwand einer Dunkelkammer darzustellen, wenn gegenüber dieser Rückwand ein kleine Öffnung vorlag. Der Gegenstand stellte sich auf dem Kopf stehend dar. Die Camera obscura war geboren. Dem Franzosen Joseph Nicephore Niepce gelang es 1826 seine Umgebung auf einer mit Asphalt bestrichenen Zinnplatte aufzunehmen. Diese als Heliografie bezeichnete Technik ist die erste fotografische überhaupt. Sie stellte das erste noch heute erhaltene fotografische Bild her. Allerdings, die heliografische Belichtungszeit musste extrem lang sein. Dem nahm sich 1839 der französische Maler Louis Jacques Daguerre an. Er brachte auf eine Kupferplatte eine lichtempfindliche Silberjodidschicht auf, die in einer Lochkammer belichtet wurde. Es entstand ein instabiles, wiederum auf dem Kopf stehendes Silberbild, das mit Quecksilberdämpfen sofort entwickelt werden musste. Die Daguerreotypie, die eigentliche Fotografie, war nicht mehr aufzuhalten. Auch weil es dem Engländer William Henry Fox Talbot 1841 gelang, Bilder durch Abzüge vom Negativ, zu vervielfältigen. Die merkantile Seite der Fotografie nahm ihren Lauf. Ende des 19. Jahrhunderts kam der Rollfilm auf, der es ermöglichte, mehrere Bilder aufzunehmen und vor allem, den Film bei Licht zu wechseln. Verschiedene Formate der Rollfilme und Spezialfilme entstanden. Der klassische Rollfilm mit einer Bildbreite von 60mm wurde später durch den 35mm breiten ersetzt. Dieser ist auch heute noch der Standard. Es gab von allen Rollfilmen verschiedene Längen, z.B. die mit 24 oder 36 Aufnahmen. Wer erinnert sich nicht an die Schwarzweißbilder, die mit den aufwendig gezackelten Umrandungen jedes Familienalbum schmückten, und sich lose gern zum Bild hin ringelten. Mit „Schwarzweiß“ hatte es begonnen. Wenn man früher von „Fotos“ sprach, meinte man schwarzweiße Bilder. Doch bald schon lag die Frage nahe „Warum gibt es keine farbigen?“ Das klärten die Firmen „Kodak“ und „Agfa“. Sie erfanden 1936 den Farbfilm als Dreischichtfilm. Die Farbfotografie setzte sich allerdings erst nach dem 2. Weltkrieg in der Breite durch. Spielarten wie die Polaroid-Sofortbildkamera ergänzten das Repertoire. Rasche technisch-optische Entwicklungen für die Aufnahmetechnik folgten vor allem in den 1950iger und 1960iger Jahren, 1973 wurde die erste vollelektronische Kamera „Rolleiflex SLX“ von der deutschen Firma „Rollei“ aus Norderstedt vorgestellt.
Revolutionierend wirkte sich die Digitalisierung am Ende des 20. Jahrhunderts auf die Fotografie aus. Nicht mehr der Film dient als Fotospeicher, sondern die in einem Sensor digitalisierten Bilder können auf einem Speicher in Sekundenschnelle geborgen werden und sind jederzeit abrufbar, … auch die schwarzweißen! Das Digitale hat uns also nichts genommen. Im Gegenteil! Wenn man im RAW-Status fotografiert und den Aufnahmemodus der Kamera auf S/W einstellt, kann man schon beim Fotografieren die Bedingungen für S/W einschätzen und RAW garantiert, dass alle Farben erhalten bleiben. Man bleibt flexibel.
Die Schwarzweiß-Fotografie ist attraktiv, natürlich als eigenständige Kunstform, aber auch der Hobbyfotograf wird sie nicht missen wollen. Das Spiel zwischen Licht und Schatten, der starke Kontrast beider Komponenten betonen die Komposition. Farben lenken nicht ab, Schwarzweiß betont das reale Motiv – auch bei schlechten Lichtverhältnissen. Leider ist das auch der Fall, stellt man sich bei rasanter Fahrt einem Blitzer als Motiv zur Verfügung! Dieses schwarzweiße Bild gehört zwar dann nicht in die Kategorie „Kunst“, teuer ist es aber leider auch.
Wer sich noch mehr für die Kunst des Fotografierens in Schwarz-Weiß interessiert, dem seien diese Ausstellungen empfohlen:
Leipzig
Oft verbindet sich die Schwarz-Weiß-Fotografie mit analoger Technik. Im GRASSI-Museum für Angewandte Kunst kann man vom 18.Januar bis 03.April 2022 in der Ausstellung „ANALOG TOTAL“ u.a. moderne Schwarzweiß-Arbeiten sehen. Daneben präsentiert sich die Ausstellung „FOTOBÜCHER. Kunst zum Blättern“ ebenfalls bis zum 03. April 2022 mit einer Vielzahl schwarzweißer Bildbeispiele.
Hamburg
Im Haus PHOXXI. Haus der Photografie der Deichtorhallen werden vom 11. Februar bis zum 01.Mai 2022 Arbeiten der Preisträgerinnen und Preisträger des renommierten Nachwuchspreises “GUTE AUSSICHTEN – JUNGE DEUTSCHE FOTOGRAFIE“ mit vielen Beispielen schwarzweißer Fotokunst gezeigt.
Berlin
nüüd.berlin gallery zeigt ab 21. Januar 2022 die Ausstellung „#SpiritOfStBerlin“ mit Fotografien des Berliner Fotokünstlers Martin A. Völker. ART@BERLIN schreibt: „Die Fotoausstellung in der nüüd.berlin gallery zeigt die Stadt Berlin schwankend zwischen der Melancholie des Alltags und dem Aufbruch ins Traumhafte“ und das in schwarzweiß!
Wenn es dann ganz ruhig wird, hat der Künstler Jürgen Klauke Bilder in der Galerie Guido W. Baudach seine Gedanken zur „FORMALISIERUNG DER LANGEWEILE“ auf Photopapier niedergelegt. ART@BERLIN sagt dazu: „Das Triptychon, ausgestellt als seltener Vintage-Print auf Baryt-Papier, hat eine konzeptuelle sowie auch eine beinahe skulpturale Anmutung. Geradezu beispielhaft zeigt sich hier, wie Jürgen Klauke Ende der 1970er / Anfang der 1980er Jahre zu existentiellen Fragestellungen“ Stellung nimmt.
Nicht zu vergessen ist das Museum für Fotografie. Am 31. Oktober 2020 wäre Helmut Newton 100 Jahre alt geworden. Deshalb zeigt das Museum bis zum 22. Mai 2022 mit „HELMUT NEWTON. LEGACY“ eine große sehenswerte Retrospektive, vor allem in Schwarzweiß. Daneben kann man bis zum 13. Februar 2022 Arbeiten von Ruth Walz in „Theaterfotografie“ und einen photografischen Rückblick auf das Theater der 1920iger Jahre genießen.
Potsdam
Vom 12. Februar bis 8. Mai 2022 präsentiert das Museum Barberini, die Ausstellung „EINE NEUE KUNST. PHOTOGRAPHIE UND IMPRESSIONISMUS“. Das Museum schreibt: „Von Anfang an verfolgte die Photographie durch Erprobung von Komposition und Perspektive sowie mit Hilfe unterschiedlicher Techniken einen künstlerischen Anspruch. Ihr Verhältnis zur Malerei war bis zum Ersten Weltkrieg sowohl von Konkurrenz als auch von Einflussnahme geprägt. Die Ausstellung untersucht diese Wechselwirkungen und beleuchtet die Entwicklung des neuen Mediums von den 1850er Jahren zu einer autonomen Kunstform um 1900.“ Hochinteressant, mit Beispielen in früherer Technik und natürlich schwarzweiß!