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Nur wer Hut trägt, ist ein freier Mensch – Über verschiedene Huttypen

Eine kleine Hommage an den Hut im sisterMAG. Autor Dr. Michael Neubauer erzählt euch eine kurze Kulturgeschichte über den Hut als Mode-Accessoire und stellt euch gleichzeitig die verschiedenen Huttypen für Frauen und Männer vor. Vielleicht kriegt auch ihr jetzt Lust, einen Hut zu tragen?!

  • Text: Dr. Michael Neubauer

Nur wer Hut trägt, ist ein freier Mensch

Es ist wirklich schade. Wie selten begegnet man heutzutage einer Frau oder einem Mann mit Hut – mit einem Hut, der eine notwendige Kopfbedeckung zu einem modischen Accessoire macht? Welch Ehre gebietendes Ereignis, wenn »Mann« zur Ehre des zu Grüßenden den Hut lupft oder beim Betreten einer Einrichtung ihn absetzt. Oder wie variantenreich könnten die Damen unter uns ihr Outfit mit einem Aufschlaghut, Porkpie oder Florentiner Hut verschönern.

All das trifft auf die modernen »Kopfschützer« nicht so zu. Ist es allerdings mal richtig kalt und man muss die Ohren mit Ohrenschützern retten, ist der den Kopfäquator überspannende Metallbügel auch nicht so prickelnd. Hüte drücken die Haare platt, werden schnell weggeweht oder führen bei schlechter Passform zu Kopfschmerzen. Also doch Wollmütze, Schild- oder Schiebermütze und Basecap? Sie sind praktisch, lassen sich schnell verstauen, schnell reinigen und erledigen ihre eigentliche Aufgabe, den Kopf vor Wärmeverlust, Regen oder intensiver Sonneneinstrahlung zu schützen, mindestens genauso gut wie Hüte – aber Hüte sind eben einfach schöner!!

Eine kurze Geschichte des Huts

Kein Wunder, Hüte sind mit der Zivilisation entstanden. Zwar tauchen in allen Epochen immer auch Mützen auf, aber Hüte waren über all die vergangenen Jahrhunderte en vogue. So trugen die männlichen Griechen neben einer kegelförmigen Filzkappe, Pilos genannt oder einer phrygischen Mütze einen breitkrempigen Hut mit Sturmriemen, einen Petasos. Leicht ließ er sich auf den Rücken schieben und in der Hitze nach vorn holen. Diesen trugen auch Frauen.

Bei den Römern waren Hüte nicht verbreitet, sieht man von den Helmen ab, mit denen sie ganz Europa eroberten. Der Hut besaß sogar eine besondere Bedeutung bei ihnen. Er war ein Symbol der Freiheit. Sklaven trugen deshalb nie einen. Die Römerinnen ließen sich vor allem in der Kaiserzeit ihre Haare so aufwendig und kompliziert frisieren, dass ein Hut nur gestört hätte.

Im Mittelalter kamen auch in unserer Region einfache Strohhüte, vornehmlich für die Arbeit auf dem Feld, auf. Getragen wurde gern ein Chaperon, während sich die Frauen mit einem Turban und einem Schleier begnügten.

In der Frührenaissance trugen die Frauen wieder Hut z. B. einen Sella, in einer minder auffälligen Variante eines Hennin, eine Haube in spitzer oder stumpfer Kegelform, von der ein Schleier herabhing. Es kamen Barette in verschiedenen Formen in Mode, die zunehmend für beide Geschlechter ab dem 16. Jahrhundert bestimmend waren. Selbst der Dreißigjährige Krieg kreierte neue Hutformen für die Männer: Rubenshüte mit Federn, auch Schlapp- oder Kavaliershut genannt. Frauen trugen Kappen oder einfache Tücher.

Nicht genug mit diesen kapitalen, punktuell hochgeschlagenen breitkrempigen Hüten der Männer, der barocke Herr, der etwas auf sich hielt, schützte sein Haupt zunächst mit einer Perücke und zierte diese mit einem sogenannten Dreispitz (Tricorne). Frauen dieser Zeit, waren sie vermögend, balancierten große Federhüte auf ihrem Kopf, oft verboten aber riesige Frisuren einen Hut. Die Einfachen setzten sich ein Häubchen auf.

Im Laufe der Jahre wandelte sich der Drei- zum Zweispitz (Napoleon Bonaparte) und die Herren genehmigten sich, nachdem sie einen Kastorhut getragen hatten, den Zylinder. Mit Beginn des 19. Jahrhunderts, dem Empire, schmückten sich die Frauen mit Spitzenhauben und gingen dann zu auffällig dekorierten Schuten über. Der Mann blieb seinem Zylinder treu.

Zum Ende des 19. Jahrhunderts tauschten die Herren ihre Zylinder allmählich gegen runde steife Hüte ein (»Melone«). Die Frauen bevorzugten engere Kleider, dafür trugen sie dazu große, mit Blumen, Schleiern oder Federn geschmückte Hüte. In den »Goldenen Zwanzigern«, eroberte Neues die Häupter: Canotiers, auch Kreissägen genannt für die Männer. Die jungen, feschen Damen trugen Aufschlaghüte oder Glockenhüte (Cloche). Dazu gefielen all die Formen und Modelle, die wir noch heute kennen.

Nach dem 2. Weltkrieg folgte ein Jahrzehnt, in dem der Hut für Frau und Mann nochmals bedeutsam wurde. Ohne ihn war man nicht angezogen. Dabei waren den Möglichkeiten und Varianten keine Grenzen gesetzt. Aber nach 1960 verlor er auf ganzer Linie. Mütze und Cappy gewannen, im Auto störte der Hut und mit den 68ern wurde er endlich zum Symbol altmodischer und angestaubter Zeitgenossen. Ein Hut-Model reizte kurzfristig nochmals die Willigen, weil James Bond in einem Film diesen »Trilby« getragen hatte.

Ganz vorsichtig, leise hat man den Eindruck, dass die junge Generation wieder Gefallen an der Kopfbedeckung »Hut« findet. Auf den Laufstegen der Welt und folgend in den Modejournalen sind Hüte wieder präsenter, weil sie einfach chic sind. Auch gibt es Anlässe wie Staatsempfänge, Hochzeiten oder offizielle Beerdigungen, bei denen der Hut nicht fehlen darf.

Machart des Huts

Früher wurden die Hüte in der Regel aus Filzen von Schafwolle, Biberfell oder Kaninchenhaar hergestellt, aber auch Stroh, Leder, bestimmte Papiere, Baumwolle, Leinen und auch Chemiefasern finden Verwendung.

Der »gute Hut« besteht aus der Krone (Kopf) mit oder ohne Kniff, der Krempe und dem Hutband außen. Innen sollte man ein Schweißband mit Schleife und das Futter vorfinden. Individuell sind Schmuckaccessoires oder auch ein Sturmband angebracht.

Bedeutung des Huts

Der Hut schützt, kleidet, aber er ist auch ein Symbol. Mit ihm signalisiert man die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, z.B. zu einem Trachtenverein oder wichtiger zu einer Religion. Die Juden tragen die Kippa. Orthodoxe Juden unterscheiden sich durch Kleidung und Hutform, z.B. durch einen Kneitsch oder einen Schtreimel. Die Polizei, Feuerwehr oder das Militär nutzen die Kopfbedeckung als Erkennungszeichen wie viele andere Berufe. Als nach 1848 Anhänger des demokratischen Aufbegehrens graue Filzhüte mit einem breiten Rand, auch Kalabreser genannt, trugen, zeigten sie damit ihre politische Einstellung an und wurden verboten. Ebenso nutzten Frauen in den 80iger Jahren des 19. Jahrhunderts einen Hut, der in einem Theaterstück »Fedora« getragen wurde, als Symbol der Frauenbewegung. Dieser Hut-Name hat alle Zeiten überstanden. Spezielle Hutformen kennzeichnen einzelne, bevorzugte Träger wie z.B. der Doktorhut, der Pileolus des Papstes oder die Mitra der Bischöfe.

Immer war der Hut auch Symbol für die Zugehörigkeit zu einer bestimmten gesellschaftlichen Schicht. Der Chef trug den Hut, der Chauffeur die Schildmütze. Ich glaube, diese Zeiten sind glücklicherweise vorbei. Und weil das so ist, möchte ich »Ihr« wie »Ihm« Mut zum Huttragen machen. Es ist nicht nur Mode, es ist einfach mehr. Es ist ein Bekenntnis. Vor allem zu dem, was wir in der Mode zunehmend vermissen: Stil. Es würde in jedem Fall unser modisches Straßenbild auflockern und hätte für den Einzelnen die Pflicht zu überlegen, was denn am besten zum Hut passt.

Auswahl heute gängiger Hutformen

Für die Frauen

  • Porkpie ist ein flacher, kreisrunder fester Filzhut mit einer schmalen aufgeschlagenen Krempe
  • Der Glockenhut (Cloche) wurde in den 1920iger Jahren kreiert. Die Glocke hat einen schmalen, nach unten gebogenen Rand.
  • Der Aufschlaghut hat eine breite Modelpalette. Gemeinsam ist allen, dass die Krempe vollständig oder partiell aufgeschlagen ist.
  • Der Florentiner Hut ein auffälliger breitkrempiger Strohhut, flach, oft mit Blumen o.ä. geschmückt, am hinteren Ende weht ein langes Band.
  • Der Schlapphut gewinnt durch seine breite, wellenartig die Krone umschließende Krempe, er ist aus Filz, kann aber auch aus anderen Materialen stammen.
  • Der Kapotte ist ein kleiner Damenhut mit einer zirkulär verlaufenden schmalen Krempe, u.U. mit einem Sturmband versehen.

Für Männer

Viele Modelle der männlichen Hutformen können und werden heute auch von Frauen getragen werden.

  • Der Fedora, er ist der klassische Männerhut mit einer breiten, aber variablen Krempe ausgestattet.  Die Krone ist oben eingeknickt und an beiden Seiten vorn eingeknifft. Er besteht aus weichem Filz. Berühmtes Beispiel: der Borsalino
  • Der Cityhut ist ebenfalls aus Filz. Die Krempe ist schmaler, vorn und hinten nach unten gezogen, die Krone ist beidseits vorn eingekniffen.
  • Der Trilby der Kopf ist in der Mitte eingeknickt, auffällig ist die sehr schmale Krempe.
  • Der Charpentier oder Kalabreser oder Zimmermannshut besteht aus wetterfestem Filz. Die Krone ist halbkugelförmig aufgestellt, die Krempe breit. Keine Kniffe.
  • Der Homburg ist ein hoher, steifer Filzhut, die Krempe ist fest und nach oben gebogen, die Krone ist geknifft.
  • Die Melone oder Bowler ist ein fester, abgerundeter Hut, die Krempe ist oft am Rand aufgeschlagen.
  • Der Canotier oder Kreissäge, er ist rund und aus Stroh, die Krone ist flach, die Krempe flach und steif
  • Der Zylinder!