Rezension zu Ada Nolde »meine vielgeliebte« Muse und Managerin Emil Noldes
Im Verlag Klinkhardt & Biermann ist das Buch Ada Nolde »meine vielgeliebte« Muse und Managerin Emil Noldes erschienen. sisterMAG Kulturredakteur Michael Neubauer hat das Buch rezensiert. Es wirft ein neues Licht auf das Leben von Emil und Ada Nolde, insbesondere im Hinblick auf ihre politische Haltung während der Zeit des Nationalsozialismus. Eine Leseempfehlung!
- Text: Michael Neubauer
Ada – die Frau an der Seite Emil Noldes
Wer war die Frau Emil Noldes? Anlässlich ihres 140. Geburtstages erschien 2019 im Verlag Klinkhardt & Biermann, München ein umfangreicher, reich bebilderter Band zum Leben dieser für Emil Nolde so wichtigen Frau. Es ist die erste Publikation, die das Verhältnis beider, vor allem die Bedeutung Adas für den Künstler Nolde umfassend darstellt. Herausgegeben von der Nolde Stiftung Seebüll, beschreiben mit dem Stoff eng vertraute Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker wichtige Interna. Es ist keine reine Biografie, kein reiner Bildband, es ist viel mehr!
Emil Nolde war einer der bedeutendsten Expressionisten des 20. Jahrhunderts. Er war es, der vor anderen mit den in Akademien gelehrten Malkonventionen brach, den Impressionismus und Naturalismus überwand, auf der Leinwand großzügig mit Farbe und Licht jonglierte und bewusst Formen und Figuren deformierte. Seine Werke werden weltweit bewundert und sind unverändert heiß begehrt.
Aber! Abgesehen von dieser rein künstlerischen Leistung leidet die heutige Beurteilung seiner Persönlichkeit durch die bekanntgewordene antisemitische und profaschistische Lebenseinstellung Noldes. Welche Rolle spielte dabei die in Dänemark geborene (1879) Adamine Frederikke Vilstrup, die er 1902 heiratete? Eine große! Ohne Ada, gäbe es nicht den Emil Nolde, so die Autoren. Sie, die zierliche, allseits als attraktiv geschilderte, wendige, sprachbegabte und geschäftstüchtige Ada glaubte an ihn und seine Kunst in einer Intensität, die Zweifel, Malblockaden, wirtschaftliche Engpässe und vieles andere überwinden half. Bis zu ihrem letzten Atemzug war sie von seiner Schöpferkraft und seinen künstlerischen Ideen zutiefst überzeugt. Ada Nolde starb 1946.
Das Buch demonstriert mit zahlreichen Bildreproduktionen, wie Emil Nolde seine Ada malerisch sah. In den frühen Jahren 1902 bis 1904 entstanden zahlreiche Porträts in Öl und als Aquarell, die weniger Verkaufsobjekte waren, vielmehr seine Entwicklung zur expressionistischen Umsetzung aufzeigen. Die Bilder werden besprochen, u.a. das lange verschollene Ada-Porträt »Muggi« (1904), dass einem Durchbruch gleich die von ihm ersehnte »Ausdruckskraft und Formensprache« fand. Spätere Garten-, Landschafts- und Blumenbilder mit und ohne Ada machen den Band zu einer Kostbarkeit. Die expressive Farb- und Lichtgestaltung, ineinander fließende Formen und Konturen präsentieren den begabten Emil Nolde. Freunde, Mäzene (Gustav Schiefler/Hans Fehr), Besucher treten auf den Gemälden hinzu. Reich wird das graphische Schaffen, dass sich mit Ada und ihrer Umgebung befasst, dargestellt. Für viele Leser werden die weiteren Kapitel Interessantes aufzeigen, wenn Ada Noldes Verhältnis zum Hamburger Landgerichtsdirektor und Graphiksammler Gustav Schiefler ausführlich beschrieben oder ihr kurzer aber bedeutender Einfluss auf die Dresdner Künstlergruppe „Die Brücke“ dargestellt wird. Emil Nolde war weniger als ein Jahr Mitglied dieser Vereinigung (1906–1907). Altersunterschied, unterschiedliche malerische Auffassungen, vor allem aber die offensichtlichen Sympathien von Erich Heckel und mehr noch von Karl Schmidt-Rottluff für die attraktive Ada Nolde führten zu Emil Noldes Austritt.
Ada Nolde bewunderte die nationalsozialistische Bewegung von Anfang an. Hier fand ihre zutiefst antisemitische Einstellung Gehör. Sie richtete ihr ganzes Bestreben darauf, dass die Herrschenden des dritten Reiches die Kunst ihres Mannes anerkannten. Es gab durchaus ambivalente Reaktionen, die aber Berufs- und Malverbot nicht verhindern konnten. Auch seine Bilder waren entartet. Sich anbiedernd »besprach sie beispielsweise am 3. August 1933 (mit von Oppen, Kulturministerium) die gemeinsam mit ihrem Mann entwickelte Idee, einen Plan Noldes, der die territoriale Aussonderung der Juden aus der Gesellschaft vorsah, an Hitler zu übermitteln und damit eine Gesinnungstreue und sein Engagement zu belegen» (Zitat, Buch S. 180/181). Weiter Aktivitäten folgten und werden in dem vorliegenden Band beschrieben.
Nach diesem Kapitel folgen fotografische Bilder aus dem Leben Adas und fast etwas versteckt, überrascht als letztes ihre Biographie.
Der vorliegende Band »Ada Nolde – meine vielgeliebte Muse und Managerin« stellt umfassend und mit vielen Details das Leben Ada Noldes, ihr Verhältnis zu ihrem Mann und ihren Beziehungen zur Außenwelt dar. Hervorragend sind die zu dieser Zeit und zu diesem Thema zahlreich kommentierten Bilder, Graphiken und Zeichnungen Emil Noldes eingefügt. Allein der vollständige Bild- und Textnachweis, das Namens- und Sachregister und die bibliographische Auswahl regen zu einer weiteren Bearbeitung an. Die Texte sind ausführlich, insbesondere wird die schonungslose Darstellung beider Noldes zu Aktivitäten im dritten Reich und ihre Interpretation in den ersten Nachkriegsjahren als wichtig empfunden. Für den nicht so kundigen Leser wäre die biographische Abhandlung über Ada im vorderen Teil des Bandes sinnvoller, weil die übrigen Texte sich in ihren Daten besser einordnen ließen.
Ada Nolde war eine tatkräftige, intelligente und aufopferungsvolle Frau, aber sie hatte das falsche Weltbild. Bei aller Begeisterung für die gemalten Blumen, Menschen und Landschaften Emil Noldes sind dem Rezensenten die Menschen Ada und Emil Nolde nach diesem Text nicht sympathischer geworden.
Ein empfehlenswertes, ein lesenswertes Buch!
ADA NOLDE »meine vielgeliebte« Muse und Managerin Emil Noldes
Hg. Christian Ring, Astrid Becker für Nolde Stiftung Seebüll
Mit Beiträgen von Astrid Becker, Kirsten Jüngling, Aya Soika, Gude Suckale-Redlefsen, Indina Woesthoff
232 Seiten, 189 Abbildungen
21 x 25,5 cm, Broschur mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-943616-69-9
Weitere Informationen: ADA NOLDE