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Rezension für das Buch »Kurt Schwitters – Merzkunst« von Isabel Schulz

Im Verlag Klinkhardt & Biermann ist ein kleines und feines Werk über Kurt Schwitters‘ Werke und die sogenannte „Merzkunst“ nach 2018 entstanden. sisterMAG Kulturredakteur Michael Neubauer hat das Buch rezensiert und erklärt im Folgenden, worum es sich bei dieser Merzkunst handelt und was man vom Buch erwarten kann.

  • Text: Michael Neubauer

Isabel Schulz: »Kurz Schwitters – Merzkunst«

Es ist ein kleines Buch, es ist ein informatives Buch, es ist ein anspruchsvolles Buch. Merzkunst ist mit einem Namen verbunden, mit dem des Malers, Dichters, Raumkünstlers und Werbegrafikers Kurt Schwitters. Sicher für jeden Hannoveraner, jeden Kunsthistoriker und Kunstliebhaber wird es ein Begriff sein, aber darüber hinaus füllt es unerwartet, aber lohnenswert eine Lücke, an der sich Interessierte für die Kunst des 20. Jahrhunderts erfreuen sollten.

Man nimmt das Buch gern zur Hand, bereits das Blättern macht aufgrund der gediegenen Buchgestaltung, aufgrund der lebensfrohen, farblich einfach schönen Collagen Schwitters Freude. Gemeinsam mit dem Verlag „Klinkhardt & Biermann“ hat Isabel Schulz, Leiterin des Kurt Schwitters Archivs im Sprengel Museum Hannover und Expertin für die Merzkunst mit diesem Buch ein umfassendes, sehr verständliches Werk zu dem seltenen Kunstprodukt »Merz« geschaffen.

Die Situation war eine besondere. Der Erste Weltkrieg war zu Ende, eine politisch und wirtschaftlich unzufriedene Stimmung im Land ließ die Gesellschaft nicht zur Ruhe kommen. In den nur 14 Jahren der Weimarer Republik blühte die Kunst umso mehr! Es gab eine ganze Reihe von Strömungen und Stilen. Manche kamen noch aus der Kaiserzeit, andere entstanden im oder nach dem Krieg. Expressionismus, abstrakte Kunst, Dada, Surrealismus, Kubismus, Konstruktivismus bis zur Neuen Sachlichkeit buhlten um die Gunst der Kunstliebhaber.

Und dazwischen Kurt Schwitters, 1887 in Hannover geboren, Absolvent der Kunstgewerbeschule Hannover und der Königlich Sächsischen Akademie der Künste Dresden, ein Mann voll fortschrittlicher Ideen, besorgt, wie man die Trümmer dieser Zeit in etwas Positives verwandeln könnte! Er nahm das Brauchbare und fügte es zu neuen Aussagen zusammen, Aussagen, Wirkungen, die eine befreiende und versöhnende Funktion erfüllen sollten. Kurt Schwitters blieb nicht bei diesen Collagen stehen, in denen er expressionistische, kubistische oder konstruktivistische Einflüsse verarbeitete, in denen er durch herausgerissene Schnipsel oder Streifen von Briefen, Fahrkarten, Zeitungen Rechnungen u.a. einen örtlichen und zeitlichen Bezug gab. Er packte alles, sich selbst und sein ganzes Tun in ein Paket, in ein Produkt und nannte es »Merz«. Merz umfasste alles, seine von ihm herausgegebene Zeitschrift »Merz«, Gedichte, Bilder. Seine Wirkungsbereiche waren die geografischen Merzgebiete, Merz umfasste auch angewandte Kunst, umfangreiche Grafikarbeiten für Werbung und Musterblöcke, die »Merz Werbe«.

Was heißt »Merz«, kommt es von KomMerz oder von »ausMERZen«, Altes sinnvoll entsorgen, Neues schaffen? Merzen war für Kurt Schwitters universell, sei es in dadaistischer Lyrik, Bindung an eine imaginäre Dame namens »Anna Blume«, seien es Ideen für Architektur oder Bühnenbau, die er für sich in seinem Atelier als »Merzbau« auch realisierte (als Nachbau im Sprengelmuseum, Hannover zu bewundern).

Hochinteressant und köstlich für den Willigen sind die besprochenen Lautdichtungen Schwitters, als Ursonaten, die Poesie, Musik, Typografie und Performance miteinander verbinden. Hier sei auf einen Vortragsmitschnitt von Schwitters selbst auf Youtube verwiesen.

Was der Künstler nun eigentlich aussagen möchte mit seiner Merzkunst? Dazu hat er auch nach etlichen Jahren beharrlich geschwiegen. Er begnügt sich mit der Auskunft, dass sein Ziel ganz einfach gewesen sei, „Kunstwerke zu gestalten“. Es ist unklar, ob ihm bewusst war, dass seine Arbeiten maßgeblich die Entwicklung der Postmoderne beeinflussten.

In dem 132 Seiten und 80 Abbildungen umfassenden Büchlein von Isabel Schulz wird all die Vielseitigkeit Kurt Schwitters beschrieben, seine hohe Autorität, die bei Vortragsreisen zu Erfolgen führte, die ihm ein breites Netzwerk zu prominenten Künstlern seiner Zeit erlaubte und die ihm half, eine Sammlung avantgardistischer Kunst aufzubauen.

Aber wie für alle, die nicht bereit waren, ihre Kunst nach den Vorschriften der Machthaber von 1933 auszurichten, wurde es auch für Kurt Schwitters in Deutschland eng. 1937 kehrt er aus Norwegen nicht wieder zurück und 3 Jahre später musste er noch einmal fliehen, nach England, weil deutsche Truppen Norwegen besetzten. All seine Arbeiten waren beschlagnahmt worden. Kurt Schwitters hinterließ auch in diesen neuen Domizilen Proben seiner Ideen und Schaffenskraft, die noch heute präsentiert werden.

Er starb nach einem Schlaganfall und einer schweren Grippe 1948 im englischen Kendal.

Nach der Lektüre des Buches »Merz Kunst – Kurt Schwitters« ist man in diese sonderbare, originelle und schaffensreiche Welt eines der bedeutenden Künstler der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert gut eingeführt. So wie er selbst »Merzliche Grüße« versandte, darf ich den hoffentlich zahlreichen Lesern nur noch »Merz-liches Vergnügen“ wünschen.

 

Schulz, Isabel: Kurt Schwitters. Merzkunst; Auflage: 2020.132 S. 80 Abbildungen in Farbe, Hardcover, gebunden. ISBN: 978-3-943616-64-4

Verlag Klinkhardt & Biermann, München

Ladenpreis: Eur (D) 14,90   Eur (A) 15,40   CHF 19,30

Mehr Informationen zum Buch auf der Verlagsseite von Klinkhardt & Biermann