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Frauen am Bauhaus – »Die gewebte Moderne«

Ein Thema, das im Jubiläumsjahr des Bauhauses gerne aufgegriffen und beleuchtet wird: Die Frauen am Bauhaus, die lange im Schatten der Bauhaus-Männer standen. Unsere Autorinnen stellen im sisterMAG einige bedeutende »Bauhausfrauen« genauer vor: Marianne Brandt, Gunta Stölzl, Ise Frank, Dörte Helm und Alma Mahler-Werfel (auch: Alma Gropius).

Frauen am Bauhaus

»Die gewebte Moderne«

Das Bauhaus gilt heute als Kern der deutschen Avantgarde des frühen 20. Jahrhunderts. Viele Kunstinteressierte erliegen dem Flair von Zeit und Aura berühmter Künstler an dieser weltweit bekannten Schule. Doch so langsam darf das Bild dieser vorbildlich demokratischen Einrichtung nicht nur Licht-, sondern auch Schattenseiten aufweisen. Im Schatten der Schule standen lange Zeit vor allem die Frauen, obwohl ihre Werke und Visionen die Bauhaus-Kunst fundamental prägten.

Als Walter Gropius 1919 in Weimar das Bauhaus öffnete, verkündete er in seinem Programm: »Als Lehrling aufgenommen wird jede unbescholtene Person ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht, deren Begabung und Vorbildung vom Meisterrat als ausreichend erachtet wird.«  Tatsächlich gab es im ersten Semester mehr weibliche als männliche BewerberInnen.

Nach dem Krieg gewannen die Frauen ein neues Selbstbewusstsein. Sie kamen ans Bauhaus in der Erwartung, die neuen Möglichkeiten ausschöpfen zu können. Die demokratische Verfassung der Weimarer Republik gewährte ihnen erstmals das Recht zu studieren und zu wählen.
Die Praxis sah jedoch anders aus. Gropius forderte eine scharfe Aussonderung der Studentinnen. Johannes Itten behauptete, dass Frauen im dreidimensionalen Sehen »eine Schwäche« hätten. Oskar Schlemmer prägte den Satz: »Wo Wolle ist, ist auch ein Weib, das webt, und sei es nur zum Zeitvertreib«. Fast zwangsläufig erfolgte daraufhin ein Eintritt in die Weberei und die Arbeit an zweidimensionalen Objekten. Diese Spannung zwischen den beruflichen Wünschen der Frauen, ihrer Experimentierfreude und dem traditionellen Geschlechterdenken am Weimarer Bauhaus blieb langfristig bestehen.
Ab 1920 wurde die Weberei zur »Frauenklasse« ernannt. Der Versuch, die Studentinnen auf ihre Rollen als Weberinnen zu reduzieren, gipfelte in einem enormen Entwicklungsschub im Industriedesign und in einer künstlerischen Neubewertung der Textilkunst.
Mehr und mehr gelang es ihnen, in die männlichen Domänen vorzudringen und herausragende künstlerische Leistungen zu schaffen. Zu den erfolgreichen Bauhaus-Frauen zählten etwa die Metallkünstlerin Marianne Brandt, die Malerin Lou Scheper, die Fotografin Lucia Moholy oder die Designerin Lilly Reich.
Am Bauhaus Dessau wurde die Verbindung von Kunst und Technik vorangetrieben. Einige Frauen haben diese Zusammenarbeit schwungvoll aufgegriffen. Anni Albers, Studentin der Weberei, erschloss ihr innovatives Potenzial durch die Entwicklung von Materialien für die Industrie. Andere haben mit ihren Erfindungen erfolgreich Verträge abgeschlossen oder Patente für ihre Arbeiten erhalten.

Die Werke und Visionen der Frauen haben die Bauhaus-Kunst nachhaltig und fundamental geprägt. Die Geschichte des Bauhauses ist längst nicht nur eine Geschichte männlicher Künstler. Es wird Zeit, sie von ihrem Schattendasein zu befreien und sie auf dieselbe Stufe wie einen Kandinsky, Schlemmer oder Itten zu erheben.

Frauen am Bauhaus: Marianne Brandt – Metallwerkstatt

MT 49 – vier Lettern, die unverkennbar mit Marianne Brandt verbunden sind. Sie bezeichnen eine Teekanne aus Silber und Ebenholz, die den Rekord für den höchsten Preis hält, der – im Jahr 2007 – jemals für ein Bauhaus-Objekt gezahlt wurde: 361.000 US-Dollar. Erschaffen von einer visionären Metallgestalterin, deren kugelige und flache Kännchen, Zuckerschalen und Aschenbecher zu den berühmtesten Bauhaus-Arbeiten überhaupt gehören.

»Zuerst wurde ich nicht freudig aufgenommen. Eine Frau gehört nicht in die Metallwerkstatt, war die Meinung. Man (…) hat dieser Meinung Ausdruck zu verleihen gewußt, indem man mir vorwiegend langweilig-mühsame Aufgaben auftrug.« Dennoch ist es der Metallkünstlerin gelungen, in der Werkstatt Fuß zu fassen.
Marianne Brandt stammt aus einem gutbürgerlichen Elternhaus in Chemnitz. Ihr Vater war Rechtsanwalt, Förderer des Theaters und der bildenden Kunst. Bereits mit 18 Jahren ging die junge Frau nach Weimar, um ein Studium der Malerei an der Großherzoglich-Sächsischen Hochschule für Bildende Kunst aufzunehmen. Im Sommer 1923 fand eine große Bauhaus-Ausstellung in Weimar statt, die ihr die Augen öffnen sollte. Sie brach mit der für sie brotlosen Malerei und wechselte an das Staatliche Bauhaus.
Die fünf Jahre in Weimar und Dessau wurden die fruchtbarsten im Leben der Metallgestalterin, der Ungar Moholy-Nagy dabei ihr wichtigster Unterstützer. Bereits nach kurzer Zeit setzte sie neue Maßstäbe für das Metalldesign der klassischen Moderne. 1928 wurde sie schließlich zur stellvertretenden Meisterin ernannt. Im Bereich der Fotografie galt Brandt ebenso als innovative Künstlerin.
1933 fand ihre Karriere, wie die vieler anderer Bauhäuslerinnen, einen dramatischen Abbruch. Auch später in der DDR fand sie keinen Raum mehr für ihr experimentelles Design.

Als Metallgestalterin, Industriedesignerin und Fotografin ist Marianne Brandt ein wichtiger Bestandteil der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts. Ihr Tee-Extraktkännchen gilt bis heute als Ikone des Bauhaus-Designs, wobei sie in ihrer Gestaltung auch immer großen Wert auf die Funktionsfähigkeit ihrer Arbeiten legte: »(…) Keine Kanne ist aus unserer Werkstatt gegangen, die nicht tropffrei goß.«

Frauen am Bauhaus: Gunta Stölzl – Weberei

Gunta Stölzl war eine der erfolgreichsten Frauen am Bauhaus, sie ebnete den Weg zum modernen Textildesign. Trotz ihres Talents und ihrer Durchsetzungskraft hatte sie es nicht immer leicht, denn sie wurde nicht, wie beispielsweise Marianne Brandt, von einem Meister protegiert. 1927 übernahm sie als erste weibliche Lehrkraft die gesamte Leitung der Weberei am Bauhaus Dessau.

Adelgunde Stölzl stammte ursprünglich aus München. Im Alter von 22 Jahren kam sie 1919 an das Weimarer Bauhaus, nachdem sie bereits sieben Semester an der recht konservativen Münchner Kunstgewerbeschule absolviert hatte. Die Reformideen von Walter Gropius beeindruckten sie so stark, dass sie sich noch einmal als Studentin einschrieb. Im Oktober 1919 schrieb sie in ihr Tagebuch: »…nichts Hemmendes ist an meinem äußeren Leben, ich kann mir’s gestalten wie ich will. ah, wie so oft träumt ich davon und nun ist’s wirklich wahr geworden (…).«
Gunta Stölzl verband in Entwurf und Lehre modernes Design mit solidem Handwerk. Der Einfluss von Johannes Ittens Kontrastlehre war besonders in der Farbauswahl ihrer Bauhausarbeiten erkennbar. Ihre Weberei stattete das Theatercafé in Dessau aus, entwickelte Möbelstoffe für Stahlrohrstühle von Marcel Breuer oder nahm an Verkaufsausstellungen auf den Leipziger Messen teil. Ende der 1920er Jahre heiratete sie den linksgerichteten, jüdischen Architekten Arieh Sharon, doch kurz darauf änderte sich die politische Lage. 1931 spitzte sich die Situation so zu, dass sie kündigte. Sie zog mit ihrer Familie in die Schweiz, wo sie in Zürich eine eigene Handweberei führte.

Ihre Teppiche lebten den Rhythmus, atmeten Formenreichtum und ließen sich nicht auf ein Schema festlegen. »Es galt, unsere Vorstellungswelt zu präzisieren, unsere Erlebnisse zu gestalten durch Material, Rhythmus, Proportion, Farbe, Form.« Die exzessive Farbenfreude besonders ihrer frühen Arbeiten strahlen eine Atmosphäre aus, die an Jazz und Ausdruckstanz erinnert. So vermitteln uns Gunta Stölzls Werke noch heute, wie das bewegte Leben am Bauhaus einst gewesen sein mag.

Frauen am Bauhaus: Ise Frank – Große, traurige Momente

Wer durch die zahllosen Stapel an Bauhausbüchern blättert, findet sie nicht auf den vorderen Seiten, in keiner Mediathek ziert ihr Name die Überschrift einer Dokumentation, kaum ein Mythos rankt sich um die zweite Frau des weltberühmten Walter Gropius. Dabei gebührt Ise Frank ein glanzvoller Platz in der ersten Reihe.

Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau. Eine vermeintlich einfache Wahrheit, deren Pauschalisierung nie klüger verallgemeinert hat, was sich geradezu aufdrängt: Dass hinter den breiten Rücken kein Versteckspiel betrieben wird, kein Freihalten um jeden Preis. Dort werden Notwendigkeiten erkannt und Ideen gerettet und manchmal bricht der Himmel ein unter dieser Last, diesem endlosen Kampf um die eigene Identität.

Gebrauchtwerden und Vorausdenken

Einige Semester Germanistikstudium und die Arbeit im Buchhandel führen Ise Frank zu einer ungeahnten Leidenschaft: dem Schreiben. Als Lektorin und Sekretärin verliert sie sich in jener Liebe für Wortspiele. Mit 26 Jahren heiratet sie 1923 Walter Gropius in Weimar und mit ihm auch die Bauhaus-Idee, an der sie fortan festhält, um die sie stetig ringt. Sie formuliert Briefe, Vorträge und Artikel für ihren Mann, bis sich ihr schließlich auch der nötige Freiraum für ihre eigene schriftstellerische Karriere öffnet. Sie verliert ihr ungeborenes Kind und manchmal auch Gropius in einen Strudel der Ungewissheit.

Die Flucht vor dem Schmerz

Ise Frank ist verletzlich. Sie sieht sich manchmal entwurzelt, verloren, Gefühle von Erwartetwerden und Nachhausekommen sind ihr fremd. Im Pariser Sommer wird sie von ihrer geliebten Vertrauten Irene Hecht »durch einen wochenlangen freien Fall« getragen, wie Jana Revedin in ihrem biographischen Roman »Jeder hier nennt mich Frau Bauhaus« so herzzerreißend treffend beschreibt. Irene erschafft einen Boden aus Nähe und Halt, der Ise einst so entzogen worden ist in ihrem Absturz mit Walter Gropius. Da werden bäckerwarme Croissants und Milchkaffee zur tröstlichen Heimat, zu einem Ort, der dann doch »ihr Ort« ist.

Frauen am Bauhaus: Dörte Helm – Porträt einer Bauhaus-Frau

Sucht man nach einem Bild von Dörte Helm, findet man Gesichter von Schauspielerinnen, bloß nicht das von Dörte Helm selbst. Dabei war die Rostocker Künstlerin vielseitig, war als talentierte Grafikerin tätig, malte Stadtansichten und Landschaften und war am Weimarer Bauhaus maßgeblich an der Innenausstattung des »Haus Sommerfeld«-Projekts beteiligt. Dennoch degradiert das deutsche Fernsehen sie zum großen Jubiläum gleich zwei Mal zur Geliebten: einmal als Ehebrecherin eines fiktiven Paares, ein anderes Mal als Affäre von Bauhaus-Gründer Walter Gropius selbst. Eine Verbindung, die nie bewiesen werden konnte.

Geboren wird die Tochter eines Philologen und einer jüdischen Mutter 1898 in Berlin. Ihre künstlerische Veranlagung zeigt sich früh. Helm gibt Zeichenunterricht, studiert nach ihrem Abschluss an einer Rostocker Mädchenschule drei Jahre lang Bildhauerei und Zeichnung in Kassel, bis es sie 1918 schließlich nach Weimar verschlägt. Obwohl man am Bauhaus die Angst hegt, die zahlreichen Frauen könnten den Männern wertvolle Werkstattplätze wegnehmen, ergattert Helm sich einen Platz in einer Männerdomäne, der Wandmalerei. 1922 legt sie die Gesellenprüfung in Dekorationsmalerei ab. Für die große Bauhaus Ausstellung ein Jahr darauf entstehen Postkarten, 20 Stück an der Zahl. Nur eine stammt von einer Frau: Dörte Helm.

Zurück in Rostock kann sich die junge Querdenkerin nur schwer behaupten. Ihr strenger Vater hält nicht viel vom Avantgardismus des Bauhauses, das Zusammenleben entpuppt sich als verurteilendes Schweigen. Sie heiratet den Journalisten Heinrich Heise, zieht mit ihm nach Hamburg und wird schriftstellerisch tätig. 1933 verbieten ihr die Nazis als »Halbjüdin« das Arbeiten. Helm schreibt unter Pseudonym weiter und stirbt im Alter von 42 Jahren an einer Infektionskrankheit. Sie ist ein Beispiel für die Lücke an Aufarbeitung von Frauen in der Kunst und der Beweis, dass das Fernsehen noch immer nicht bereit ist, die Geschichte einer starken Frau zu erzählen, ohne ihr einen berühmten Mann an die Seite zu stellen.

Frauen am Bauhaus: Alma Mahler-Werfel – Eine Muse, Femme Fatale und eine geheime Komponistin

Alma Gropius war eine komplexe Persönlichkeit, die unzählige, außergewöhnliche Leben führte und deren facettenreiche Beschreibung Biografien füllt. Almas Talent war ihr in die Wiege gelegt. Ihr Vater war Emil Jakob, ein renommierter Wiener Landschaftsmaler, ihre Mutter die Sängerin Anna Sofie Schindler und ihr Stiefvater der Maler Carl Moll.

Unumstritten sammelte Alma prominente Liebhaber wie andere Handtaschen. Ihre Schönheit, Intelligenz und ihr Charme zogen viele namhafte Verehrer an. Eine ihrer ersten Lieben war der 18 Jahre ältere Gustav Klimt. Alma umgab sich mit Thomas Mann, Richard Strauss und vielen anderen berühmten Künstlern aus den Salonszenen von Wien, Los Angeles und New York und hatte den Ruf einer Femme Fatale der Avantgarde. Klaus Mann bezeichnete sie als »intellektuelle Muse der Romantik«.

Ihre Ehe mit Gustav Mahler war schwierig und überschattet durch den Verlust ihrer Tochter Maria. Zu diesem Zeitpunkt lernte sie im österreichischen Sanatorium Wildbad Walther Gropius kennen. Nach fünfjähriger Liaison reiste sie als reiche Witwe 1915 nach Berlin, um ihre unsterbliche Liebe zu Gropius zu bekennen.

Aber auch diese Ehe war alles andere als einfach. Almas Bedürfnis nach sozialem Status und ihr Ehemann an der Front schufen Disharmonie. Die Erfahrung des Krieges prägte Gropius‘ Ehrgeiz und führte ihn zur Bauhausbewegung – eine Vision, die Alma nicht teilte.

Nach der Geburt ihrer Tochter Manon entdeckte Gropius ihre Affäre mit Franz Werfel und einen außerehelichen Sohn. Als Gentleman gewährte er Alma 1920 eine schnelle Scheidung, indem er die Schuld für das Scheitern der Ehe auf sich nahm und sich in flagranti mit einer Prostituierten erwischen ließ.

Alma floh mit ihrem neuen Ehemann Werfel nach Los Angeles, wo sie ihren Salon weiterführte und 1960 ihre Autobiographie schrieb, die etwas unschöne Porträts von Gropius und anderen zeichnete. Sie starb 1964, 84-jährig in New York und fand ihre letzte Ruhestätte in Wien.

So missverstanden Alma Gropius auch gewesen sein mag, ihr kreatives Talent war unermesslich, wenngleich leider zu wenig gefördert. Sie studierte Komposition bei Josef Labor, Alexander von Zemlinsky und Max Burckhard. Alma komponierte eine Oper, über 100 Lieder und Instrumentalstücke, von denen nur noch 17 existieren und ihre Legende weiterleben lassen.