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Bauhausprojekte – Architektur & Nachspiel

In einem historischen Überblick macht euch Autor Michael Neubauer im sisterMAG mit den Bauhaus-Direktoren Gropius, Meyer und Mies van der Rohe, den verschiedenen Bauhausprojekten und seinem internationalen Nachhall vertraut.

  • Text: Michael Neubauer

Bauhausprojekte – Architektur & Nachspiel

Die Bauhausdirektoren

  • Walter Gropius                     Direktor Bauhaus 1919 – 1928 Weimar/Dessau
  • Hannes Meyer                      Direktor Bauhaus 1928 – 1930 Dessau
  • Mies van der Rohe                Direktor Bauhaus 1930 – 1933 Dessau/Berlin

100 Jahre Bauhaus – eine Kunstschule, die nicht nur für Kunst und Design, sondern vor allem für die Architektur des 20. Jahrhunderts von größter Bedeutung ist und bis heute in diesen Bereichen Einfluss nimmt. Dabei war in den ersten Jahren des Bauhauses eine Architekturabteilung gar nicht vorgesehen. Allerdings beeinflusste der Gründer dieser Schule, Walter Gropius (1883 – 1969), mit seinem 1910 in Berlin eröffneten »Bauatelier« die moderne Baukunst in all den Jahren des Bauhauses maßgeblich und beteiligte an ihrer Entstehung Jungmeister und Studenten des Bauhauses. Stellvertretend seien das Werkgebäude der Faguswerke in Alfeld (1911 – 1925), das Haus Dr. Fritz Otte in Berlin (1921/1922) und vor allem das Bauhausgebäude in Dessau (1925/1926) genannt. Erst 1927 gewann Walter Gropius in seinem späteren Nachfolger, dem Schweizer Architekten Hannes Meyer (1889 – 1954), einen eigenständigen Leiter für die Bauabteilung des Bauhauses.

Walter Gropius gründete am 1. April 1919 das »Staatliche Bauhaus« in Weimar, letztlich um durch Kunst und Architektur einen gesellschaftlichen Neubeginn nach dem verheerenden Ersten Weltkrieg zu beeinflussen. In seinem Manifest zur Gründung wies er die neuen Gedanken und Wege aus:

»Das Bauhaus erstrebt die Sammlung alles künstlerischen Schaffens zur Einheit, die Wiedervereinigung aller werkkünstlerischen Disziplinen – Bildhauerei, Malerei, Kunstgewerbe und Handwerk – zu einer neuen Baukunst als deren unablösliche Bestandteile.«

Ende 1924 zogen Walter Gropius und alle anderen Meister des Bauhauses die Konsequenzen aus der Wahl einer rechtsorientierten thüringischen Regierung. Sie verließen Weimar und fanden ein neues Zuhause in Dessau, wo sie zum zweiten Mal das Bauhaus aufbauten. Die Schule in Weimar nannte sich in »Staatliche Bauhochschule Weimar« unter dem Direktor, dem Architekten Otto Bartnink (1883 – 1959), um.

Wenig bekannt ist, dass dieser ebenfalls im Deutschen Werkbund tätig war und hier mit Walter Gropius und anderen Avantgardisten bekannt war. Er lieferte eine Reihe von Diskussionsbeiträgen, die ebenfalls forderten: „Das einheitliche Mittel jeder bildnerischen Tätigkeit ist das Handwerk. Vom Handwerk zum Bauwerk führt der natürliche Werdegang für Handwerker, Architekten und bildende Künstler.«

Wer war nun der Vater des Bauhaus-Gedankens?

Otto Bartnink hatte eine Reihe ehemaliger Bauhäusler um sich versammelt, mit denen er ebenfalls den Kampf gegen überlebte Vorstellungen, aber auch gegen die aufkeimenden gesellschaftlichen Veränderungen begann – und verlor. Die Bauhochschule in Weimar wurde 1930 geschlossen.

All diese Gedanken hatten ein Vor- und ein Nachspiel. Schon in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts regten sich in der Kunst, Philosophie, den Sozialwissenschaften Stimmen, die, sich von der wilhelminischen Enge abwendend, ein freieres, ursprünglicheres und mit der Kunst verbundeneres Leben forderten. Jugendstil in der Architektur, bildenden Kunst und Inneneinrichtung, Kunstgewerbeschulen oder Lebensreformbewegungen mit Engagement für Vegetarismus, Naturheilkunde und Freikörperkultur waren die Folge. Reformideen, die die Kunst mit der rasch wachsenden Industrie verbinden sollten, mündeten in dem 1907 gegründeten »Deutschen Werkbund«. Die »Gute Form« als Ausdruck von Qualität und Sachlichkeit, die Betonung von Inhalt und Form begünstigten funktionales Denken in der Güterproduktion, dem Möbelbau und der Architektur. Vorreiter, Gründungsmitglied und einer seiner exzellentesten Vertreter war der Industriedesigner Peter Behrens (1868 – 1940), u.a. Schöpfer der Berliner AEG-Turbinenhalle, in dessen Büro Walter Gropius Mitarbeiter war. Für ihn war dies die einzigartige Möglichkeit, Diskussionen und Entwicklungen zur Architektur in Deutschland und darüber hinaus zu verfolgen. Seine starke Persönlichkeit, seine vielbeachteten Publikationen, seine Kontakte und sein großes Organisationstalent bestimmten Gropius geradezu zur Gründung des Bauhauses.

Alles hatte auch sein Nachspiel.

Forderte Walter Gropius anfangs, in der »romantischen« Bauhaus-Phase eindringlich die Einheit der Gewerke, insbesondere der Bedeutung des Handwerkes im Sinne früherer »Bauhütten«, zwang ihn der rasante industrielle Fortschritt schon um 1923 zum Umdenken. Er formulierte das Leitbild der Bauhaus-Lehre in »Kunst und Technik – die neue Einheit« um. Noch mehr richtete der zweite, mehr die Architektur betonende Direktor des Bauhauses, Hannes Meyer, seine Arbeit nach den sich erschwerenden gesellschaftlichen Bedingungen aus. Er schuf u.a. die Bundesschule des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes gemeinsam mit dem Architekten Hans Wittwer. Die Weltwirtschaftskrise 1929/1930 rückte politische Fragen in den Vordergrund, seine Parole »Volksbedarf statt Luxusbedarf« und vor allem sein Umgang mit kommunistischen Tendenzen unter den Studenten führten schließlich zu seiner Entlassung.

Mit Beginn der Naziherrschaft musste der dritte Direktor des Bauhauses, Mies van der Rohe (1886 – 1969), mittlerweile nach Berlin gezogen, das Bauhaus 1933 schließen. Der »Kunstbolschewismus«, wie man das Bauhaus titulierte, hatte in Deutschland keine Zukunft. Sorgte Mies van der Rohe mit dem Deutschen Pavillon auf der Internationalen Weltausstellung in Barcelona 1929 mit seiner Idee eines in der Natur luftig dahingleitenden Hauses für große Beachtung, so konnte er seine Visionen nur noch in weiter Ferne realisieren. So prägte er beispielsweise das Stadtbild von Chicago.

Das eigentliche Nachspiel hatte begonnen, die Bauhaus-Ideen war nicht gestorben. In der ganzen Welt zeugen Bauten von Architekten oder Schülern des Bauhauses davon. Man findet sie in Chile, in den USA, in Breslau, Brno, Königsberg und vor allem in Tel Aviv (»Weiße Moderne«). Aber auch der Wunsch, die modernen Ideen des Bauhauses lehrend weiterzuverbreiten, fand Widerhall:

  •             im New Bauhaus and School of Design, Chicago
  •             im Black Mountain College, NC
  •             in der Hochschule für Gestaltung Ulm

New Bauhaus and School of Design, Chicago

Dieses lebte von 1937 bis 1949.

Anstoß für die Gründung gab auch in Amerika die Wirtschaft in Gestalt der »Chicago Association of Arts and Industries«. Das deutsche Bauhaus war in den USA stark beachtet worden. Das Interesse gipfelte 1938 in der Ausstellung »Bauhaus 1919 bis 1928« im Museum of Modern Art in New York. Auf Empfehlung von Walter Gropius wurde der ehemalige Bauhauskollege, der generalisierende László Moholy-Nagy (1895 – 1946), als Direktor berufen. Weitere ehemalige Bauhäusler fanden Anstellung. Das Lehrprogramm folgte sehr genau den Vorbildern von Weimar und Dessau, wobei natürlich neue wissenschaftliche Erkenntnisse einflossen. Alle Kunstrichtungen, ergänzt durch die Fotografie im Wechselspiel mit Technik und Wissenschaft, waren ebenso wie der Vorkurs im Lehrplan enthalten, so dass die Schule zu einer wahren Kaderschmiede des modernen amerikanischen Designs wurde. Bald gab es allerdings Skepsis bei den Geldgebern, als sie Moholy-Nagys moderne Lehrmethoden nicht als zielführend akzeptierten. Die finanzielle Unterstützung blieb aus, es erfolgten Neugründungen mit anderen Geldgebern unter dem Namen »School of Design« 1939 und 1944 nochmals zum »Institut of Design«. Der frühe Tod László Moholy-Nagys war ein tiefer Einschnitt, so dass die Rettung letztlich 1949 durch die Einbeziehung in das von Mies van der Rohe geführte »Illinois Institute of Technology« erfolgen musste.

Black Mountain College, North Carolinas

Dieses lebte von 1933 bis 1956.

Neben Josef Albers (»Huldigung an das Quadrat«, 1949), einem eingefleischten Bauhaus-Meister, lehrten an diesem College berühmte Lehrer, u.a. John Cage, Merce Cunningham, Willem de Kooning, Lyonel Feininger, Walter Gropius, Charles Olsen, Alexander Schawinsky, Cy Twombly, Robert Rauschenberg. Direktor war der Gründer John Andrew Rice, ein Verfechter moderner Lehrmethoden (»learning by doing«). Es war eine sehr freie Schule ohne festen Lehrplan, allerdings mit Fächern der schönen Künste und der humanistischen Lehre. Regelmäßige Diskussionen zu allen Problemen der Ausbildung, zu gesellschaftlichen Problemen erfolgten gemeinsam zwischen Studenten und Lehrern. Die Bewirtschaftung und Pflege des Institutes mit all seinen Objekten lag in den Händen aller, die Bauhaus-Idee wurde durch Josef Albers garantiert. Der Lehrinhalt folgte seinen Vorgaben, seinem Vorkurs, künstlerische Betätigung erfolgte lernend und lehrend auf allen Gebieten. Sommer- und Kunstkurse ergänzten das Programm. Limitierend traten auch an diesem College Geldproblem auf. Dazu kam die isolierte Lage des Institutes in einer sehr konservativ geprägten Gesellschaft, die den linksliberalen Ansätzen abwehrend gegenüberstand. Mehrere Versuche, durch Strukturveränderungen die Schule zu retten, misslangen, so dass der »schwarze Zauberberg« aufgelöst werden musste.

Hochschule für Gestaltung Ulm

Diese lebte von 1953 bis 1968.

Auch in Deutschland versuchte man, die Bauhaus-Ideen nach dem Zweiten Weltkrieg aufzugreifen und in der Lehre weiterzugeben. Angeregt durch Inge Scholl, Schwester von Hans und Sophie Scholl, wurde in Ulm eine Kunsthochschule gegründet, die in künstlerischen und politischen Fragen die Folgen der Naziherrschaft in demokratischer Weise beantworten sollte. Bedeutende Lehrer fanden sich für diese Aufgabe zusammen: Max Bill als Direktor, Tomas Maldonado, Max Bense und Alexander Kluge. Marginalien der Ausbildung blieben allerdings Kunst, Architektur und Design. Leider teilten sich bei der Umsetzung die Vorstellungen der Protagonisten zwischen einer eher künstlerischen Gestaltung der Alltagsgegenstände (Max Bill) und andererseits einem auf die Massenproduktion abgestimmten Industriedesign (Tomas Maldonado). Daraufhin gab Max Bill das Direktorat ab. Die Beziehung zu den ursprünglichen Bauhaus-Ideen verblasste immer mehr, der immer mehr auf Technik und Wissenschaft basierende Ausbildungsweg missfiel den »Kunst«-Studenten, so dass nicht zuletzt unter Mitwirkung der heißen 68iger Jahre eine Schließung der Hochschule erfolgte.

1923 Oskar Schlemmer:

ein »Kampf der Geister wie vielleicht nirgends sonst, eine dauernde Unruhe, die den Einzelnen fast täglich zwingt, zu tiefgehenden Problemen grundsätzlich Stellung zu nehmen. Je nach dem Temperament des Einzelnen leidet er unter dieser Vielfältigkeit, oder sie ist ihm höchster Genuss, zersplittert ihn oder festigt ihn in seinen Anschauungen.«

2019 Richard Siegal:

»Eigentlich steht jede zeitgenössische Kunst auf den Schultern des Bauhauses, weil dort Ideen miteinander verbunden wurden, die heute noch ein Fundament für viele Künstler darstellen.«