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Klimts Musen – Emilie, Adele und andere Goldfrauen

Auch nach 100 Jahren glänzen die goldenen Frauenkörper auf Gustav Klimts Gemälden. Sie sind zum Inbegriff seiner Kunst geworden. Jene geheimnisvollen weiblichen Gestalten, die allesamt eine besondere Beziehung zum Jugendstil-Meister pflegten. Doch wer waren Klimts Musen und warum malte und zeichnete sie der Künstler in unzähligen Werken? Lest in der neuen sisterMAG Ausgabe den ganzen Artikel über Klimts Musen von Autorin Martina Klaric.

Klimts Musen – Emilie, Adele und andere Goldfrauen

Die aktuelle sisterMAG Ausgabe würdigt eines der berühmtesten Kunstwerke der modernen Malerei: Gustav Klimts Der Kuss (1907/1908). Das Gemälde, stammt aus der »goldenen Zeit« der Schaffensphase Klimts und gilt als eines der bedeutendsten Werke des österreichischen Jugendstils. Es zeigt ein engumschlungenes Liebespaar in Goldfarben auf einem Blumenbeet. Dieses Gemälde ist nicht nur der Versuch das Thema »Liebe« darzustellen. Es zeigt zugleich den Stil des Künstlers, der »die Frau« in einer magisch verklärten Darstellung in den Mittelpunkt seiner Bildkunst rückte.

Das Gesamtwerk von Gustav Klimt umfasst eine Vielzahl von Gemälden und Zeichnungen, die in unzähligen, medialen Reproduktionen fortleben. Wie kein anderes Kunstwerk schmückt Der Kuss heute nicht nur abwegige Bildträger, wie zum Beispiel Kissenbezüge, Wandposter und Kühlschrankmagneten. Die Faszination für Klimts Werk versinnbildlicht sich in dieser Weise auch in Form eines Nachlebens seiner Frauenbilder. Gustav Klimt malte neben Landschaften hauptsächlich Frauen. Er malte sie immer gleich schön, nur manchmal noch schöner.

Vor oftmals blumigem Grund zeigte er sie als ikonenhafte Gestalten, umhüllt von goldglänzend kolorierten Mosaikmustern, die er gekonnt als Kleider und Schleier ins Bild einwebte. Mal blicken sie den Betrachter verträumt und elegant an, ein anderes Mal wirken sie elfengleich in einer eigenen Traum- oder Wasserwelt gefangen. Den für den Jugendstil prägenden, dekorativen Stil entwickelte Klimt mit und an seinen Frauenfiguren. Seine spezifisch flächige Ornamentik entfaltete ihre Wirkungskraft gerade durch die Inszenierung dieser geheimnisvollen Weiblichkeit. Trotz abstrakter Züge sind Klimts Frauen größtenteils realistisch dargestellt. Nicht um eine Art transzendentale Rezeption zu verhindern oder die weibliche Figur zum Symbol ästhetisierter Erotik eines utopischen Jenseits zu deklarieren. Auch nicht, um den männlichen objektivierenden Blick auf die Frau zu thematisieren. Vielmehr geht es in Klimts Bildern um eine Beschäftigung mit historischen Frauenfiguren seiner Zeit.

Kurz gesagt: Die realistisch gemalten Wesen existierten tatsächlich. Es handelt sich zum Beispiel um Emilie Flöge, Adele Bloch-Bauer oder Eugenia Primavesi. Allesamt wichtige Frauen der Wiener Moderne, mit denen der Künstler eigenwillige Beziehungen pflegte. Klimts Werke waren zunächst Auftragsarbeiten männlicher Kunden der gehobenen Wiener Gesellschaft der Belle Époque, die ihre attraktiven Gattinnen auf prunkvollen Gemälden vom Meistermaler verewigt sehen wollten. Im Schaffensprozess entwickelte er seinen spezifischen Stil des Porträtierens durch die enge Zusammenarbeit mit diesen Frauen. Anfänglich wurden sie von ihm als vergoldete Juwelen ihrer Ehemänner im Bild präsentiert – als Symbol für die Rolle der Frau als Schmuckelement in der damaligen Gesellschaft. Klimt ließ sich dabei von ihrer zunehmenden Unabhängigkeit künstlerisch anregen.

Alles beginnt mit seinem ersten Porträtauftrag und der aus adligen Kreisen stammenden Sonja Knips, die Klimt 1898 in verwunschenem rosa Tüll en masse malt, (Bildnis Sonja Knips, 1898). Von herabhängenden Lilien umgeben, lässt er die aparte junge Dame gleich einer diaphanen, engelsgleichen Gestalt erscheinen. Er schafft mit diesem Werk beinahe das Bild einer Verklärungsszene. Denn obwohl die zierliche Figur noch sitzend den Blick des Betrachters sucht, deutet sich im nächsten Augenblick der Moment ihres Verschwindens, die Verschmelzung mit dem Hintergrund, an. Es ist schöpferische Magie, die hier greift. Und es ist Klimts Geburtsstunde als wichtigster Gesellschaftsmaler seiner Zeit. Von da an folgen unzählige weitere Auftragsangebote, die Klimt jedoch nicht alle annimmt. Seine künstlerische Beziehung zum weiblichen Geschlecht findet nur mit auserwählten Damen statt. Emilie Flöge und Adele Bloch-Bauer kommt dabei bekannterweise eine spezielle Rolle zu. Sie werden vom Maler als Musen auserkoren.

Als erfolgreiche Modedesignerin betreibt Emilie einen eigenen Haute Couture-Salon. Inspiriert von Coco Chanels Modeesprit kreiert sie hier ihre Kleider. Sie ist für den Maler eine ebenbürtige Bezugsperson, mit der er zeitlebens eine rege Briefkorrespondenz pflegt.

Der intellektuelle, anregende Geist Adeles ist für ihn heterogene Inspirationsquelle. Beide verkörpern in Klimts Bildern als entmaterialisierte Körper märchenhaft-mythologische, mitunter auch biblische Wesen. Obwohl laut wissenschaftlichen Bildanalysen Emilie die Frau in Klimts Bildepos Der Kuss ist, malt er nur eine offiziell zweimal: Adele. Es sind die berühmten Porträts Adele I und II aus den Jahren 1907 und 1912, die die junge Unternehmensgattin jüdischer Herkunft als goldene Adele betiteln. Klimt sollte von ihr noch weitere Porträts malen: etwa als Judith des Alten Testaments (Judith I/II, 1901/1909) oder als griechische Göttin Athene (Pallas Athene, 1898). Mit einem Verkaufswert von über 130 Mio. US Dollar gehört das Porträt Adele Bloch-Bauer I zu Klimts berühmtesten und teuersten Gemälden der Welt. Kennzeichnend ist sein leuchtendes Meer aus Blattgoldauflagen.

Klimt porträtierte weitere Damen in ähnlicher Darstellungsweise. Unter ihnen Marie Henneberg, Gattin des Kunstfotografen Hugo Henneberg, als anziehende Gestalt mit einem strengen Blick im impressionistischen Stil (Bildnis der Marie Henneberg, 1901), die österreichische Schauspielerin Eugenia Primavesi mit unschuldig verführerischer Körperdarstellung in einem Blumenkosmos (Porträt der Eugenia Primavesi, 1913) und Gertrud Löw, Tochter des angesehenen Arztes Anton Löw, gleich einer Nymphe mit mystischer Aura in fließend hellem Gewand (Porträt von Getrud Loew, 1902). Die Besonderheit in Klimts Verarbeitung weiblicher Figuren lag in ihrer »Entpersonifizierung«. In seiner Malerei überführte er seine Figuren ins Undefinierbare – ein kompositorisches Verfahren der Metamorphose, das er in seinen becircenden Gemälden den Wasserschlangen (1904-1907) vollends umsetzt.

Obwohl es die Biografie-Forschung früh widerlegt hat, deutet die allgemeine Rezeption seiner Werke darauf hin, dass Klimt intime Beziehungen zu seinen Modellen pflegte. Vermutlich deshalb, weil die Darstellung weiblicher Körper in aufreizenden Posen mit eindeutig sexueller Konnotation immer noch oder gerade in der heutigen Zeit äußerst irritierend, gar verwerflich erscheint. Angesichts von #metoo-Debatten und zunehmenden Protesten um »Women-Empowering« sollte diese Art der Präsentation weiblicher Figuren kritisch betrachtet und feministisch moniert werden. Nackt, lüstern, obszön wirke die Frau in Klimts Werken. Ihre Verkörperung einer Femme fatale dränge sich geradezu auf. Es wird folglich von einer höchst erotischen Ausstrahlung und einer verachteten weiblichen Gefährlichkeit gesprochen, die sich in Klimts Gemälden und Zeichnungen nicht zuletzt wegen partieller Visualisierungen der Geschlechtsteile in realistischer Formsprache zeigt.

Eindeutig sei ein voyeuristischer Blick ins Bild gesetzt. Somit könnten seine Frauenbilder lediglich Material eines männlich konstruierten, befangenen Blicks auf das weibliche Geschlecht sein, das es zu torpedieren gelte. Nichtsdestotrotz oder gerade deswegen kann an dieser Stelle erwidert werden: Klimts sinnliche Frauen figurieren als Musenbildnisse von emanzipatorischer Kraft. Sie rufen zwar als laszive Ikonen einen Erotikdiskurs auf, keinesfalls aber im pornografischen, grenzüberschreitenden Sinne. Vielmehr sind die symbolistisch-allegorischen Bildnisse Reflexionsfläche für das sich wandelnde Frauenbild in der Avantgarde-Zeit. Klimts Goldfrauen muten gleichzeitig verführerisch und provokativ, stark und wunderschön an. Immer aber verortet in einem unbestimmbaren Transformationsprozess – dabei ungreifbar, sich befreiend und neu bestimmend.

Namhafte Maler der Moderne und zeitgenössische (Mode-)Fotografen haben das Bildmotiv »Frau« in ihren Werken immer wieder umgesetzt: Mal abstrakt wie Pablo Picasso oder anstößig-aggressiv wie Egon Schiele und Helmut Newton. Ein anderes Mal intim offen wie Richard Avedon oder realistisch, fast dokumentarisch, wie Peter Lindbergh. In den meisten Fällen jedoch wird die Frau als Bildmotiv und simple Inspirationsquelle aufgegriffen – weniger als autonome, relevante und vielschichtige Figur des soziokulturellen und künstlerischen Kontextes.

Kein Künstler hat sich in seinem Gesamtwerk auf solch ambivalente und stringente Art und Weise der visuellen Erörterung weiblicher Figuren verschrieben wie Klimt. Damit soll Klimt nicht als Feminist bezeichnet werden. Es lässt sich aber vorsichtig behaupten, dass in Klimts Bildern eine ausgeprägte Faszination für das Frauen-Thema mitschwingt. Mehr noch: Es kann von einer komplexen Auseinandersetzung mit dem Weiblichen gesprochen werden, wie sie heute nur in Werken bestimmter Künstlerinnen der bildenden Kunst zu finden ist: Zum Beispiel in den autobiografischen, surrealistisch gemalten Selbstporträts von Frida Kahlo, in Alice Neels sozialkritischem Bildwerk des amerikanischen Realismus oder in der auf Körper-Reflexion ausgerichteten Malerei der österreichischen Künstlerin Maria Lassnig.