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Katalogvorstellung zur Ausstellung Mantegna + Bellini – Meister der Renaissance

Im HIRMER-Verlag ist der Katalog zur Ausstellung »Mantegna + Bellini – Meister der Renaissance« erschienen. Die Ausstellung ist nach einem ersten Halt in London seit dem 1. März 2019 in der Gemäldegalerie am Berliner Kunstforum zu besichtigen. sisterMAG Kulturredakteur Michael Neubauer hat nicht nur die Ausstellung besucht, sondern auch den Katalog rezensiert.

  • Text: Michael Neubauer

Ein Höhepunkt der kulturellen Ausstellungen 2018/2019 in London und Berlin war und wird das Miteinander und die Konkurrenz der zwei verwandten Maler »Mantegna + Bellini« sein. Rund 100 Werke von Andrea Mantegna (1431 – 1506) und seinem Schwager Giovanni Bellini (um 1435 – 1516) werden vom 1. März bis zum 30. Juni 2019 in der Gemäldegalerie der Staatlichen Kunstsammlungen zu Berlin zu sehen sein.

Zu diesem Ereignis erschien 2018 im Hirmer Verlag München ein 23 x 28 cm großer, gebundener Katalog über 304 Seiten mit 287 farbigen Abbildungen. Preis 39,90 €.

Herausgeber des Werkes sind:

Mrs. Caroline Campbell – Sie ist die Leiterin der kuratorischen Abteilung und Kuratorin für italienische Malerei vor 1500 in der National-Gallery in London.

Frau Dr.Dagmar Korbacher – Kunsthistorikerin, Direktorin des Kupferstichkabinetts in Berlin

Herr Dr. Neville Rowley – Verantwortlicher Kurator für frühe italienische Kunst in der Gemäldegalerie und Skulpturensammlung der Staatlichen Kunstsammlungen zu Berlin

Sarah Vowles – Kuratorin am British Museum London für italienische und französische Grafik und Malerei

Weitere Beiträge wurden verfasst von Andrea De Marchi, Jill Dunkerton, Babette Hartwig und Katharina Weick-Joch. 

Der Katalog gibt einen umfassenden Überblick über das Schaffen, das Verhältnis beider Künstler zueinander, beschreibt ihr differenziertes Herangehen an Themen der Frührenaissance und beleuchtet kunsthistorische Nachwirkungen ihrer Arbeiten. Beziehungen zu zeitgenössischen Malern und deren Einfluss auf Mantegna und Bellini werden erörtert.

Das Buch gliedert sich sehr übersichtlich in 5 große Themenkomplexe und den eigentlichen Katalog, denen ein Grußwort der verantwortlichen Museumsdirektoren aus Berlin und London vorangestellt ist. Hier wird die große Bedeutung der Schau – für die 3 Museen und die beiden Städte – betont.

Der erste Themenkomplex »Mantegna und Bellini, Padua und Venedig. Eine Geschichte zweier Künstler, zweier Städte« beschreibet die Entwicklung beider Künstler aus ihrem Umfeld heraus, der frühreife Mantegna und der in einer Malerfamilie aufwachsende Bellini. Sehr leicht lesbar, verständlich formuliert gibt die Autorin einen Einblick wie Zeitgeist und Personen auf die beiden einwirkten. Wie in allen Teilen des Kataloges diskutiert die Autorin den Stoff aus ihrer Sicht, wertet Einflüsse wie z.B. das große Vorbild für Mantegna durch den Bildhauer Donatello oder den Einfluß, den die Vermählung 1453 von Andrea Mantegna mit Bellinis Schwester Nicolosia ausübten.

Das Buch erfreut auf all diesen Seiten mit Abbildungen, Stadtansichten, Gemäldeausschnitten, die das Gesagte illustrieren. Hilfreich sind durchgehende Quellenanmerkungen im Anhang des Kataloges, auf die im Text verwiesen wird.

Der zweite Themenkomplex »Mantegna und Bellini: Invention versus Atmosphäre« diskutiert die Malweisen beider Künstler. Welche Themen werden bearbeitet, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede bestehen, welche gegenseitige Beeinflussung findet statt und wie entwickeln sich beide im Laufe ihres Schaffens weiter. Der Abschnitt vermittelt eine tiefe Einsicht in die Arbeitsweise beider Künstler, beschreibt Eigenheiten, bevorzugte Gestaltungsmittel – und vergleicht.

Ein sehr interessanter Abschnitt ist der dritte Themenkomplex »Bellini steht … höher als Mantegna«. Zwei Ausstellungen zu Mantegna und Bellini in Paris und Rom im Jahr 2008 werteten die Bedeutung beider Maler sehr unterschiedlich. Nicht nur die verschieden angegebenen Lebensdaten diskutiert der Autor Neville Rowley, sondern tiefgründig und profund bespricht er die Hintergründe des Streites (Rolle des Kunsthistorikers Roberto Longhi). Mit dem derzeitigen Wissen erfolgt eine klare Stellungnahme des Autorenkollektivs zu den diskutierten Problemen, die in folgenden Zeilen mündet:

»Sollte der Vergleich der zahlreichen Werke von Mantegna und Bellini es Forschern ermöglichen, differenzierte Erkenntnisse über das Verhältnis der beiden Maler zu gewinnen, wäre eines der Ziele dieser Ausstellung erreicht.« (S.49 im Katalog)

Viertens: »Andrea Mantegna und Giovanni Bellini. Gegensätzliche Herangehensweisen in der Maltechnik«. Detailliert beschreibt der Abschnitt den Wandel von der Malerei auf Holztafeln zur Leinwandmalerei, vom Malen mit Eitempera zu Öl. Das Kapitel beantwortet die Fragen: Wie wurden die Hintergründe gestaltet, wie wurden die Gemälde signiert. Welche Maltechnik bevorzugte Mantegna, welche Bellini? Welche Bedeutung hatte das Unterzeichnen von Bildern.

Dieser Abschnitt führt zum fünften Themenkomplex »Zum graphischen Werk von Mantegna und Bellini«. Mehr als Bellini war Andrea Mantegna ein Zeichner. Diese Aussage ist insofern gewagt, da auch heute noch die Zuordnung der Skizzen zu einem von beiden nicht einfach ist und durchaus unterschiedlich diskutiert wird. Vor allem bei Mantegna gibt es Merkmale, wie z.B. Parallelschraffuren, die den Meister belegen. Es gibt einen großen Fundus, der sich zum Teil auf Vorlagen von Giovanni Bellinis Vater Jacopo beziehen. Viele sind von einer Qualität, die sie zu eigenständigen Werken machen.

Der Katalog diskutiert die Bedeutung der Skizzen und Zeichnungen als Vorlagen für Gemälde oder Kupferstiche (Mantegna), Unterzeichnungen oder zu Übungszwecken.

Auf über 177 Seiten folgt der Katalog. Im Gegensatz zu den bisher unter einem allgemeinen Aspekt abgehandelten Fragen behandelt dieser umfangreiche Abschnitt das Schaffen beider Künstler anhand ihrer Werke, die sie zu bestimmten und bei beiden wiederkehrenden Themen abgehandelt haben. Beginnend mit den Lehrjahren und dem nachweisbaren Dialog über ca. 10 Jahre beschreibt der Katalog das Herangehen beider zu Themen ihrer Zeit: Der Hl. Hieronymus/Stehende Heilige/Christus am Ölberg/Als Bellini Mantegna abpauste/Der Abstieg Christi in die Vorhölle/Das Motiv des toten Christus/Die Sacra Conversazione. Marco Zoppo/Die Madonna mit Kind/Dem Opfer Gestalt geben/Porträtmalerei/Landschaftsmalerei/Beziehung zur Antike und die letzten Werke.

In jedem Abschnitt wird das Thema ausführlich anhand von Gemälden, Bildausschnitten und Vorarbeiten beider Künstler erörtert. Eine durchgehende einheitliche Beschriftung der Abbildungen erleichtert den Zugang und den Vergleich der Werke. Der Text verweist auf Entwicklungen und Ähnlichkeiten und er benennt die Kirchen, Museen oder Gebäude, wo die Werke ihre Aufstellung fanden. Der Leser erkennt geschichtliche Zusammenhänge, Abhängigkeiten, die die Maler zu dem motivierten, was wir noch heute bewundern können.

Der vorliegende Katalog zur Londoner und Berliner Ausstellung »Mantegna + Bellini. Meister Renaissance« ist im Umfang, in seiner Ausstattung und in seiner Aussage eine sehr wertvolle Ergänzung zu dieser Schau. Mit diesem Werk wird es dem Leser gelingen, in das Gedankengut der Renaissancemaler einzudringen, ihre Werke und den christlichen Hintergrund ihrer Themen zu verstehen. Ihm wird es gelingen, Eigenheiten eines jeden zu erkennen und sich an dem besonderen Verhältnis dieser beiden Größen zu erfreuen.

Der Gesamteindruck des Kataloges ist hervorragend. Das mit Hochglanzpapier ausgestattete Buch präsentiert eine große Zahl der Werke im vollständigen Format, vor allem aber auch in interessanten Detailansichten in hervorragender Qualität. Der Text ist verständlich, zahlreiche Querverweise erhöhen das Lesevergnügen. Neben den bereits erwähnten Anmerkungen zum Text, verweist der Anhang auf weiterführende Literatur, führt ausführlich die Bibliografie und den Katalog der ausgestellten Werke mit ihren Referenzen an und schließt mit einem zusätzlichen Bildnachweis und Register.

Kritisch ist dem Rezensenten lediglich folgendes aufgefallen:

Auf Seite 136 des Buches heißt es: »… rückt diese Ölbergdarstellung in die Nähe anderer Gemälde Mantegnas aus den frühen 1450er Jahren, namentlich der »Anbetung der Könige« (Abb.85). …«

Die Abb. 85 zeigt auch die »Anbetung der Könige« aber nicht von Mantegna, wie es der Text schreibt, sondern von Jacopo Bellini. Mantegnas »Anbetung« ist auch später, Ende des 15. Jh. entstanden.

Auf Seite 185 steht »Bei der »Madonna mit dem Kind« in der Accademia (Abb. 181) etwa liegt Marias linke Hand auf der Schulter ihres Sohnes, ihre rechte auf seinem Knie.«

Aus Medizinersicht ist das verkehrt, die rechte liegt an der Schulter und die linke Hand am Knie.

Ungeachtet des stattlichen Preises, der aber der Qualität des Kataloges angemessen ist, möchte ich eine Kaufempfehlung aussprechen.

Weitere Information zum Katalog können beim Hirmer-Verlag abgerufen werden.