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Zur Ausstellung »Splitter. David Schnell« in den Kunstsammlungen Chemnitz

Wie ergeht es uns in einem Museum, zwischen Bildern, Gemälden, Skulpturen oder Installationen? Staunend bewundern wir die kompositorische und handwerkliche Kunst, die vor mehr als 500 Jahren Heiligengesichtern menschliche Züge zauberte, die uns den schweren Stoff der Gewänder von Johannes und Hieronymus förmlich spüren lässt. Oder bestaunen wir eher den Mut eines so manchen modernen abstrakten Künstlers, der uns in turbulenten Farbgefühle taumeln lässt, die uns so richtig berauschen, so dass man gar nicht wieder gehen möchte – das gelingt nicht allen Arbeiten!

Aber es gibt sie, jetzt, heute, hier!

David Schnell zeigt uns in den Chemnitzer Kunstsammlungen, wie auch heute Bilder vermögen, uns zu erfassen, uns mit Herz und Verstand hineinzuziehen. Er nennt sie »Splitter«.

Der aus dem Bergischen Land Nordrhein-Westfalens stammende David Schnell begann 1995 mit 24 Jahren das Studium der Malerei an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Professor Arno Rink entließ ihn 2002 als seinen Meisterschüler. Die in diesen Jahren sehr aktive Leipziger Malschule firmierte mit ihren stark beachtenden Werken bald als die »Neue Leipziger Schule«. Darüber hinaus erweiterte David Schnell durch Stipendien des Landes Sachsen, Studien in der Wilhelm Kempff Akademie im italienischen Positano und in der Villa Massimo in Rom sein Repertoire. Mehr als 20 Einzelausstellungen machten den Künstler national aber vor allem international bekannt.

Nach einer großen Werkschau 2017 im Museum für Moderne Kunst in Duisburg zeigt David Schnell nun in den Kunstsammlungen Chemnitz zum zweiten Mal in seinem Heimatland Arbeiten seines bisherigen Schaffens. Die Auswahl seiner Gemälde, Grafiken und einer Glasarbeit sind in den Chemnitzer Sammlungen auf 3 Räume verteilt.

Man betritt als erstes einen großen, ganz in weiß gehaltenen repräsentativen Museumssaal. Imposant heben sich die ca. 3 x 4 m großen monumentalen, in eindrucksvoller Farbigkeit gehaltenen Gemälde ab.  In allen dominieren unterschiedliche Grundtöne, die mit vielfältigen farbigen Abstufungen korrelieren, einzelne bunte »Protest«-Farben steigern die gewünschte Spannung.

Verpackt in den verschiedensten geometrischen Formen, die miteinander in unterschiedlichster Weise spielen, verleihen sie den Bildern Strahlkraft, Energie und Schönheit – ein kraftvolles Gefühl. Allen gemeinsam ist der großzügige Raum, der sich in einer zentralen Perspektive verliert, den Betrachter »hineinzuziehen« vermag. Angedeutete architektonische und landschaftliche Strukturen erleichtern den bildlichen Zugang, lösen sich aber in der Peripherie auf.

David Schnells Bilder zeigen keine Menschen. In seinen ersten Jahren verschaffte er Comicfiguren Zugang in seine visionären Welten. Sie sind aber mittlerweile auch zum Zuschauen gebeten worden, weil die Bilder sie nicht brauchen, eher stören. David Schnell fordert nicht nur für seine Werke Raum und Perspektive, sondern auch sein Atelier, seine Motivation in Natur und im Urbanen suchen Größe und Platz. Nebeneinander stehende Eindrücke, getrennt wahrgenommen, versucht er in seinen Gemälden in einer Ebene zu vereinen.

Der folgende Raum überrascht mit einer sensationellen Glasmalerei, die David Schnell für diese Chemnitzer Präsentation extra geschaffen hat. In drei großen Glasfenstern hat der Künstler ein dunkelblaues Antikglas in zahlreichen Einzelschritten in verschiedenen Tiefen geätzt, so dass ein zusammenhängendes Gemälde in den unterschiedlichsten Blaustufen entstand. Unzählige querverlaufende, vertikale und schräge Formen vermitteln das Bild einer explosiven zersplitternden Kraft. Licht, Betrachtungswinkel und Tageszeit ergeben die unterschiedlichsten Eindrücke. Die »Splitter« erregen das Gefühl einer Eruption, einer Aufwallung im Widerstreit mit dem durchscheinenden, Ruhe gebietenden und wohl geordneten Raster der drei Sprossenfenster.

Glasmalerei betreibt der Künstler bereits seit 10 Jahren. Er schuf 2008/09 ein »Friedensfenster« für die Thomaskirche in Leipzig, 2014 Kirchenfenster für die Johanneskapelle in Naumburg und 2016/18 Kirchenfenster für die Christuskirche im Stadtgarten Köln. Die Entwürfe für diese letzten Arbeiten zeigt die Ausstellung im gleichen Raum.

In einem langgezogenen dritten Saal zeigen eine Reihe von Siebdrucken und Radierungen das Können des Künstlers auch auf diesem Gebiet. Mit Licht und Schatten, von Schwarz bis Weiß spielen die eher kleinformatigen Arbeiten mit Begriffen wie »Hof«, »Intermezzo«, »Forum« oder »Kabinett«. Abstrahierende Darstellungen von visionären Gerüsten eröffnen die Lust, dem Thema zu folgen oder der List des Radierers zu erliegen.

Zwei Gemälde, jeweils an der Stirnseite des Raumes angebracht, verdienen Aufmerksamkeit. Beide wurden erst 2018 gefertigt.
Der Blick fällt zunächst auf das großformatige Gemälde »MongKok«, das eine langgestreckte Straße in einem Stadtteil Hongkongs darstellt. Es entstand in den Abendstunden einer Reise David Schnells in diese Metropole. Ohne Worte fühlt man die Stimmung der hereinbrechenden Nacht, die durch Lampen, Leuchtreklamen und Fensterlichter noch aufgehalten wird. Aus der Sicht eines Fußgängers kann man die schnurgerade durch die Hochhäuser bedrängte Straße bis ins Unendliche verfolgen.

David Schnell liebt die Perspektive!

Das Bild »Forum« gegenüber könnte durch die vorherrschenden Gelb-, hellblauen- und hellen Brauntöne einen optimistischen, frohen Blick auf die Skyline einer Stadt vermitteln, angedeutete Bauten, Pflanzen würden den urbanen Charakter verstärken. Aber Deutung hin und her – allein die Farbenpracht, die Abstimmung der Farben und die Komposition des Gemäldes – aller Arbeiten David Schnells – beglücken am Ende des Rundganges dieser einzigartigen Ausstellung.

Neben einer Dauerausstellung zu Karl Schmidt-Rottluff zeigen die Kunstsammlungen Chemnitz aktuell noch »AUS SACHSEN. Zeitgenoessische Malerei und Grafik aus der Sammlung der Ostdeutschen Sparkassenstiftung« und »Andreas Schmid: Farbfeld Chemnitz 2018«.

Splitter. David Schnell
03.02. bis 12.05.2019

Kunstsammlungen Chemnitz
Museum am Theaterplatz
Theaterplatz 1
09111 Chemnitz
Tel.: 0371/488 4474
eMail: almut.neumeister@stadt-chemnitz.de

Di, Do bis Sonntag, Feiertag: 11:00 bis 18:00 Uhr
Mi: 14 bis 21 Uhr
Website: http://www.kunstsammlungen-chemnitz.de/

Ergänzende Veranstaltungen zur Ausstellung über oben genannte Adressen.