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„KOLLWITZ“ im Städel Museum Frankfurt

 

 

 

 

Käthe Kollwitz (1867–1945)
Selbstbildnis mit aufgestütztem Kopf
1889/91
Feder und Pinsel in Sepia auf Bütten 200 x 160 mm
Käthe Kollwitz Museum Köln
Foto: Käthe Kollwitz Museum Köln

Die Zentrale Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland in der Berliner Neuen Wache von Karl Friedrich Schinkel 1781-1841) und Heinrich Tessenow (1876-1950) mahnt seit 1993 mit der Skulptur „Mutter mit totem Sohn“ von Käthe Kollwitz (*1867 in Königsberg – gest. 1945 in Moritzburg) vor den Abgründen der Menschheit. Käthe Kollwitz hatte sie 1937 als Kleinplastik geschaffen, so dass sie der Bildhauer Harald Haacke (1924-2004) für diese Aufgabe vergrössern musste.

Die Aufstellung der Plastik war sehr umstritten, vor allem in Kunstkreisen. Aber die Politik setzte ihre Idee durch, nichtzuletzt um eine Künstlerin zu ehren, die vor der Wiedervereinigung in beiden deutschen Teilen anerkannnt war. Der Unterschied war nur, dass der westliche Teil die bedingungslose Forderung nach Menschlichkeit in Kollwitz‘ Werken rühmte, während die Ostseite ihre Bilder in den Dienst ihrer ideologisch untersetzten Pläne für eine sozialistische Gesellschaftsordnung stellte. Das liess bei so manchem DDR-Bürger das Interesse an Käthe Kollwitz sinken. 

Schön, dass das Städel Museum in Frankfurt jetzt allen Kunstliebhabern fast fern jeglicher Ideologie das grosse grafische Werk dieser zielstrebigen und wirkungsvollen Künstlerin in einer Einzelausstelllung zeigt. 

Grossvater und Vater hatten entscheidenden Einfluss auf die junge Käthe, weniger in ihrer positiven überklaren Stellung zur christlichen Religion, vielmehr durch ihren Leistungswillen, ihre Durchsetzungskraft und ihrer Stringenz in ihren fortschrittlich-sozialen Gedanken. Frühzeitig erkannte der Vater die künstlerische Begabung seiner Käthe und förderte sie. So war er nicht begeistert, als Käthe sich schon als 17jährige an den Arzt Karl Kollwitz (1863-1940) band. Der künstlerischen Betätigung tat es aber keinen Abbruch

 

 

 

 

 

Käthe Kollwitz (1867–1945)
Studienblatt mit Skizzen nach Rubens und Selbstbildnis
um 1890/91
Feder in schwarzer Tusche, teils laviert, Bleistift 553 × 431 mm
The Fritsch Collection, Berlin
Foto: The Fritsch Collection, Berlin

 

 

 

 

 

Von Anfang an begeisterten sie die einfachen, arbeitenden, schuftenden Menschen.

In ihren Erinnerungen schrieb sie 1941:

„Ich möchte hierbei einiges sagen über die Abstempelung zur „sozialen“ Künstlerin, die mich von da an begleitete. Ganz gewiß ist meine Arbeit schon damals durch die Einstellung meines Vaters, meines Bruders, durch die ganze Literatur jener Zeit auf den Sozialismus hingewiesen. Das eigentliche Motiv aber, warum ich von jetzt an zur Darstellung fast nur das Arbeiterleben wählte, war, weil die aus dieser Sphäre gewählten Motive mir einfach und bedingungslos das gaben, was ich als schön empfand. Schön war für mich der Königsberger Lastträger, schön waren die polnischen Jimkies auf ihren Witinnen (lange, flache Flussboote), schön war die Großzügigkeit der Bewegungen im Volke. Ohne Reiz waren mir Menschen aus dem bürgerlichen Leben. … “
„Käthe Kollwitz“, Ernst Freiberger Stiftung, be.bra GmbH, 2013, S. 149

 

 

 

 

Käthe Kollwitz (1867–1945)
Zwei Studien einer Arbeiterfrau
1910.
Schwarze Kreide auf Bütten
624 x 480 mm
Sammlung David Lachenmann
Foto: Sammlung David Lachenmann

Nach ersten Unterrichtsstunden im Zeichnen bei dem Königsberger Kupferstecher Rudolf Mauer (1845-1905) begann sie 1885 eine Ausbildung in der Berliner Künstlerinnenschule bei Karl Stauffer-Bern (1857-1891). Eine wertvolle Phase für ihre weitere Entwicklung waren 1888 und 1889 zwei Semester in der Münchner Malklasse bei Ludwig Herterich (1856-1932). Hier spürte Käthe Kollwitz ihre Stärke im Zeichnen, im Grafischen, weniger in der Malerei. Zwei Aufenthalte in Paris folgten, die auch Kontakte zu Auguste Rodin (1840-1917) erlaubten. Die heimliche Liebe zum Dreidimensionalen, zur plastischen Kunst erwachte dabei. Ausbildungsstunden in der Klasse für Plastik der Pariser Academie Julian folgten.

Kontakte zu anderen Künstlern in Paris wie Ida Gerhardt (1862-1927), Neoimpressionistin, die sie schon in München kennnengelernt hatte, zur Impressionistin Maria Slavona (1865-1931) und ihrem Ehemann, dem Schweizer Kunsthändler Otto Ackermann, dem Schriftsteller Hermann Uhde (1845-1879) oder dem im Stil der französischen Art Nouveau malenden Théophile-Alexandre Steinlen (1859-1923) weiteten ihren künstlerischen Gesichtskreis.

 

 

Käthe Kollwitz (1867–1945)
Pariser Kellerlokal
1904
Kreide und Gouache auf Bütten 472 x 476 mm
bpk / Sprengel Museum Hannover, Vermächtnis Konrad Wrede, Hannover (1947) / Herling/Gwose/Werner

1891 heiratete Käthe den Kassenarzt Karl Kollwitz und bezog mit ihm in der Berliner Weissenburger Strasse (heute Kollwitz-Strasse) eine Mietwohnung, die sie erst 1943 kriegsbedingt verlassen musste. In den 1890iger Jahren wurden hier ihre beiden Söhne Hans und Peter geboren.

Ihre zunehmend anerkannten großen künstlerischen Erfolge, beispielsweise bei der „Grossen Berliner Kunstausstellung“ von 1898, führten zu der für eine Frau ungewöhnlichen Aufnahme in die Berliner Sezession und vor allem zum Mitglied der Preußischen Akademie der Künste. 1907 wurde ihr auf der „Ersten Graphischen Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes“ in Leipzig für ihre Arbeit zum Bauernkrieg der „Villa-Romana-Preis“ zuerkannt, ein Jahr Studienaufenthalt in Florenz. 

Der Erste Weltkrieg währte noch nicht lange, als sie und die Familie die Nachricht erschütterte, das ihr Sohn Peter gefallen sei. Bis an das Ende ihres Lebens war dieses Erleben neben ihrem großen sozialen Engagement verantwortlich für ihr ausgesprochen energisches pazifistisches Auftreten in Worten, auf Plakaten und Gemälden.

Bestimmte dieses Gedankengut ihre umfangreichen Arbeiten während der Weimarer Republik, boten sie nach 1933 den Nazis Anlass, das künstlerische und gesellschaftliche Engagement der Künstlerin massiv einzuengen. Verlust der Akademiezugehörigkeit, des Ateliers, Ausstellungsverbote und Beschlagnahmung ihrer Werke als „entartete Kunst“ gehörten dazu.

Dazu schrieb sie:

„Auch diese merkwürdige Stille bei Gelegenheit der Heraussetzung meiner Arbeiten aus der Akademieausstellung und anschliessend (dem) Kronprinzenpalais. Es hat mir niemand etwas dazu zu sagen. Ich dachte, die Leute würden kommen, mindestens schreiben - nein. So etwas von Stille um mich, - das muß alles erlebt werden. “
Tagebuch 5.11.1936 in „Kollwitz,Tagebücher“, S. 686

1940 verstarb ihr Mann Karl Kollwitz. Sie selbst lebte zunehmend zurückgezogen. Grafische Arbeiten schuf sie nur noch wenige, eine ihrer letzten Lithografien war „Selbstbildnis im Mantel“. 1942 hatte sie erleben müssen, dass auch ihr erstgeborener Enkel Peter gefallen ist. 

Die Luftangriffe auf Berlin nahmen bedrohlich zu. Die Künstlerin Margarete Böning (1911-1995), Schülerin von Käthe Kollwitz, forderte sie 1943 aus diesem Grund auf, Berlin zu verlassen und zu ihr nach Nordhausen zu kommen. Ein Jahr später, auch in Nordhausen spitzte sich die Lage zu, erhielt sie vom sächsischen Prinzen Ernst Heinrich (1896-1971) das Angebot, nach Moritzburg bei Dresden zu kommen. Der Prinz verehrte die Künstlerin und sammelte ihre Werke. Ihre Schwester Lise betreute sie. Mit 77 Jahren starb sie hier am 22. April 1945.

Eine Ihrer letzten Äußerungen lautete:

„Ja, wir hatten auf den Frieden gehofft in diesem Jahr, aber wir wurden alle in einer unglücklichen Zeit geboren, und die nimmt und nimmt kein Ende! “
Die „Union“ vom 08.07.1997

Käthe Kollwitz war eine ausserordentlich experimentierfreudige Grafikerin, alle Techniken wurden von ihr bedient, durch eigene Ideen ergänzt. War es anfangs die Lithografie, beschäftigte sie sich bald mit der Radierung und dem Holzschnitt. Das Zeichnen verband alle Techniken, diente als Probe, führte aber oft zum fertigen Werk. Gleich ob die Kohle oder die Kreide in ihrem Verlauf sich auflösende Linienstrukturen charakterisierten, die Feder klare Kante zeigte oder der Tuschpinsel ins Malerische führte, in jeder Arbeit kam ihre Kreativität zur Geltung. Ätzungen erzeugten in Druckgrafiken die gewollten Tonvarianten.

Über ihre Lebenszeit lassen sich in ihrer Kunst Motivgruppen abgrenzen. Anfangs standen erzählende Werke im Vordergrund. Angeregt durch Gerhard Hauptmanns Stück „Die Weber“ schuf sie von 1893 bis 1897 den Zyklus „Ein Weberaufstand“ in 6 Blättern. Eindringlich zeigte  sie die „Not“, den „Tod“ und die „Beratung“ in lithografischer Technik, den „Weberzug“, den „Sturm“ und das „Ende“ als Radierung.

Von 1902 bis 1908 schuf sie 7 Blätter zum Bauernkrieg von 1524. Auch diese Grafiken zeigten ihr klares Eintreten für die Unterdrückten. Künstlerisch formte sie die Grafiken in einer Weise, die dem offiziell in Kunstkreisen herrschenden Akademismus deutlich widersprach.  Für diese Arbeit wurde sie 1907 mit dem „Villa-Romana-Preis ausgezeichnet.

Käthe Kollwitz (1867–1945)
Losbruch
Blatt 5 aus dem Zyklus Bauernkrieg
1902/03
Strichätzung, Kaltnadel, Aquatinta, Reservage sowie Vernis Mou mit Durchdruck von zwei Stoffen und Zieglerschem Umdruckpapier auf Velinpapier
Blatt: 656 × 784 mm
Städel Museum, Frankfurt am Main
Foto: Städel Museum, Frankfurt am Main

Käthe Kollwitz bezog sich auf diesem Bild auf die ›Schwarze Hofmännin‹, die die Bauern vor der Erstürmung von Weinsberg segnete und anfeuerte.

 

 

 

Käthe Kollwitz (1867–1945)
Selbstbildnis mit vorgestreckter Hand
um 1900
Schwarze Kreide auf graugrünem, festem Zeichenkarton 565 x 440 mm
Käthe Kollwitz Museum Köln
Foto: Käthe Kollwitz Museum Köln

 

 

Über die gesamte Zeit ihres Wirkens schuf Käthe Kollwitz viele Selbstbildnisse, die ihre  Stimmungen realistisch wiedergeben. Die Direktorin des Berliner Käthe-Kollwitz-Museums, Frau Dr. Josephine Gabler fand dazu die richtigen Worte:

…schuf Kollwitz immer wieder Bilder einer melancholischen Frau, die selten froh, aber immer wach und konzentriert erscheint.

Schon während ihrer Münchner Ausbildungszeit spürte Kollwitz, ihre Stärke lag in der Grafik, weniger in der Malerei. Farben hatten aber auch später Bedeutung für sie.

 

 

Käthe Kollwitz (1867–1945)
Weiblicher Rückenakt auf grünem Tuch
1903
Kreide- und Pinsellithografie mit Schabnadel im Zeichenstein in zwei Farben (Braun und Grün), blaue Lichter im Hintergrund mit Pastellkreide aufgesetzt, auf hellbraunem Tonpapier
589 × 460 mm
Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett
Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett / Dietmar Katz

Sie spielte hier mit Licht und Schatten, das Licht fällt auf die Schulter, der Rücken „verschwimmt“ im Schatten, das grüne Tuch versprüht Wärme. Für diese Lithografie wurde jeder Farbton mit einem eigenen Stein gedruckt, nacheinander!

Der Verlust Ihres jüngeren Sohnes im Ersten Weltkrieg beeinflusste ihre weitere künstlerische Arbeit bedeutend. Mit Engagement wandt sie sich mit aller Kraft gegen jede Form militärischen Einsatzes, besonders in dem Zyklus „Krieg“, den sie als Holzschnitt von 1922 bis 1924 schuf.

 

Käthe Kollwitz (1867–1945)
Die Eltern
Blatt 3 aus dem Zyklus Krieg 1921/22
Holzschnitt
479 × 650 mm
Städel Museum, Frankfurt am Main
Foto: Städel Museum, Frankfurt am Main

Das Leid der Hinterbliebenen steht im Vordergrund ihrer auf 7 Blättern geschilderten Motive.

Nach 1910 begann Käthe Kollwitz sich ihrer zweiten Liebe zu widmen, der Skulptur.  Von Ihr sind 30 zum Teil ausgeführte, zum Teil nicht fertig gestellte Arbeiten bekannt. Ein wichtiges Werk stellt die aktuelle Ausstellung vor, den „Turm der der Mütter“.

Auch diese Plastik entstand, weil sie den Tod ihres Sohnes im Ersten Weltkrieg nicht verwinden konnte. Mit all ihren Werken prangerte sie den Krieg immer wieder an. Die Plastik schliesst sich an das Blatt 6 aus dem Zyklus „Krieg“ mit dem Titel „Die Mütter“ an .

Käthe Kollwitz (1867–1945)
Turm der Mütter
Modell: 1937/38, Guss: 1969 (?) Bronze
27 × 27 × 28 cm
Museum Folkwang, Essen
Foto: Museum Folkwang, Essen – ARTOTHEK

 

Mit ihrer letzten Lithografie von 1941 verband sie mit  dem Goethe-Zitat  Saatfrüchte  sollen nicht vermahlen werden“ ihre immer wieder aufgestellte Forderung „Nie wieder Krieg“!  

 

 

Ausstellungsansicht „KOLLWITZ“
Foto: Städel Museum – Norbert Miguletz

KOLLWITZ
Städel Museum
Schaumainkai 63
60596 Frankfurt am Main

Öffnungszeiten:
Di, Mi, Fr, Sa, So   10.00–18.00 Uhr
Do                            10.00- 21.00 Uhr
Mo                           geschlossen