Das Grüne Gewölbe im Dresdner Schloss begeht sein 300. Jubiläum!
Das Jahr 1723 in Sachsen
Wie war die Situation im Sachsenland, als Friedrich August I. (1670 – 1733), bekannt als „August der Starke“, am 1. Juni 1723 den Ausbau der bislang als Depot dienenden „Geheimen Verwahrung“ im Westflügel des Dresdner Residenzschlosses zu einer musealen Schatzkammer befahl?
Am gleichen Tag wurde J. S. Bach zum neuen Thomaskantor und »director musices« nach Leipzig berufen, ein Paukenschlag für das sächsische Musikleben. Die ersten 60 Kantaten für den sonn- und festtäglichen Gottesdienst in der Thomaskirche entstanden in diesem Jahr.
Ein Grossbrand in Stolpen hatte im April 1723 das Land erschüttert, alle Häuser innerhalb der Stadtmauer waren betroffen, nicht mehr bewohnbar. Auch das Dach des von der Gräfin Cosel bewohnten Fürstenhauses hatte Feuer gefangen. Zum Glück konnte man die herrschaftliche Gefangene in Sicherheit bringen. Umfangreiche Hilfen und Kosten kamen auf die kurfürstliche Verwaltung in Dresden zu.
Das Ende des Grossen Nordischen Krieges (1700 – 1721) lag erst 2 Jahre zurück, ein Krieg, in dem die Schweden unter König Karl XII. Sachsen belagert hatten und August zeitweilig auf die polnische Krone verzichten musste. Obwohl seine Abhängigkeit vom russischen Zar Peter dem Grossen durch den Kriegsverlauf deutlich zugenommen hatte, litt sein internationales Ansehen darunter nicht. Seine großzügige und schönheitsdurstige Seele, die er als junger Mann während seiner ausgedehnten Reisen durch Europa mit allem Schönen gesättigt hatte, liess ihn rasch in die höfische Festkultur in seiner Residenzstadt Dresden zurückkehren.
Residenzschloss Dresden
Innenhof
Foto. Dr. Michael Neubauer
Das Repräsentative galt es zu fördern, sei es in der Architektur oder in der Kunst. 1723 bewilligte er Mittel für Pöppelmanns Zwinger, befahl die Errichtung des Pillnitzer Bergpalaisˋ und des sogenannten Ringrenngebäudes in Pillnitz, einem achteckigen Pavillon, der heute zur Orangerie gehört. Im gleichen Jahr trat er als Grosskäufer von Kunst für das Kupferstichkabinett, die Bildergalerie auf, erweiterte die Hofbibliothek
… und begründete im „Grünen Gewölbe“ eine Kunstsammlung für Goldschmiedearbeiten, Juwelen, Pretiosen und Kleinodien, die von den Wettinern zusammengetragen worden waren. Unter der Regie des Hofbaumeisters Matthias Daniel Pöppelmann (1662 – 1736) wurde dieser Museumsteil 1729 fertiggestellt. Weltberühmt wurde das „Grüne Gewölbe“ wegen seiner Kostbarkeiten, vor allem aber auch wegen der vom fürstlichen Initiator gewollten meisterhaften künstlerischen Einheit.
Sie ist erhalten bis heute, so wie auch die Bestände der Sammlung im Laufe der 300 Jahre sich nur marginal ergänzt haben.
Neu! „Augsburger Schachspiel“ im Neuen Grünen Gewölbe Dresden
Wie groß ist deshalb die Freude bei den Dresdner Musealen über die von der Ernst von Siemens Kunststiftung gestiftete Dauerleihgabe zum 300. Geburtstag des Grünen Gewölbes:
ein Prunkschachspiel aus Elfenbein, Ebenholz, Schildpatt und Silber.
Schachspiel,
Figuren von Paul Heermann,
Dresden um 1705,
Brettschatulle von Paul Solanier,
Augsburg, um 1705-1709
Silbereinlagen, gefärbtes Elfenbein, Schildpatt
© Galerie Kugel, Paris,
Fotos: Guillaume Benoit
Der Direktor der Sammlung, Herr Marius Winzeler, beschreibt das Prunkstück so:
Schachspiel,
Figuren von Paul Heermann,
Dresden um 1705,
Brettschatulle von Paul Solanier, Augsburg, um 1705-1709, Detail
Silbereinlagen, gefärbtes Elfenbein, Schildpatt
© Galerie Kugel, Paris,
Foto: Guillaume Benoit
Die Figuren des sogenannten Augsburger Schachspiels werden dem sächsischen Bildhauer Paul Heermann (1673–1732) zugeschrieben. Er wurde in Weigmannsdorf im Erzgebirge geboren, trat schon mit 12 Jahren in die Lehre seines Onkels, dem Bildhauer Georg Heermann, ein. Nach gemeinsamen Arbeiten im Prager Schloss Troja führte ihn die Wanderschaft bis nach Rom, eine Heirat danach bis nach Dresden. Er arbeitete unter Balthasar Permoser (1651 – 1732), führte aber eine eigene Werkstatt u.a. als Holzbildhauer und Restaurator.
Schachspiel,
Figuren von Paul Heermann,
Elfenbein und Ebenholz,
Dresden um 1705,
Brettschatulle von Paul Solanier, Augsburg, um 1705-1709
Silbereinlagen, gefärbtes Elfenbein, Schildpatt
© Galerie Kugel, Paris,
Fotos: Guillaume Benoit
Dresden und Augsburg – das war der Schlüssel
Der Name „Augsburger” Schachspiel weist auf die enge Zusammenarbeit der Dresdner Künstler mit Augsburger Goldschmieden im ausgehenden 17. und frühen 18. Jahrhundert hin. Auch die neben dem Augsburger Schachspiel im Neuen Grünen Gewölbe stehende „Jupitersäule“ für die Balthasar Permoser die Elfenbeingruppe schuf und der Augsburger Johann Andreas Thelot (1655 – 1734) die Silberreliefs an dem wie beim Schachspiel mit Schildpatt verkleideten und teilweise grün gefärbten Sockel der Säule fertigte, belegt die Zusammenarbeit.
Wer wird die Figuren des Augsburger Schachspiels bewegt haben? Es waren mit Sicherheit, wenn überhaupt, Zeitgenossen von August dem Starken, auf jeden Fall nur solche, die mit ihm verkehrten. Ob er selbst die Geduld, Muse und Kenntnisse für das „Spiel der Könige“ hatte, es hätte ihm zugestanden.
Seit dem 18. Jahrhundert war das Augsburger Schachspiel in Privatbesitz, tauchte 2018 bei Christie‘s anlässlich einer Versteigerung auf und gelangt dann in eine Galerie nach Paris. In Dresden erregte das Spiel anlässlich einer Ausstellung zu Paul Heermann 2022/23 in den Alten Meistern die Aufmerksamkeit der Fachwelt. Es ist die spektakuläre Neuentdeckung der letzten Jahre im Bereich der europäischen Schatzkunst des Barock. Nun bleibt es für immer in Dresden!
Schachspiel,
Figuren von Paul Heermann,
Dresden um 1705,
Brettschatulle von Paul Solanier, Augsburg, um 1705-1709,
Detail, Grünes Gewölbe
© Galerie Kugel, Paris,
Fotos: Guillaume Benoit
Neues Grünes Gewölbe,
Residenzschloss, Taschenberg 2, 01067 Dresden
Öffnungszeiten
täglich 10 – 18 Uhr
dienstags geschlossen
Telefon: 0351 / 49 14 – 2000
E-Mail: besucherservice@skd.museum