Quilten und Patchworken – Die Geschichte
Denkt ihr an Quilten, stellt ihr euch eine dicke, gefütterte Steppdecke vor, die im Winter warmhält – von Generation zu Generation weitergegeben, geliebt und natürlich von Hand gefertigt!
Aber das ist nicht alles, Quilten ist viel mehr! Quilten ist eine eigene, riesige Welt des textilen Kunsthandwerkes.
- Text: Madison Jones
Geschichte Quilten und Patchworken
Neben der Gemütlichkeit, die wir mit dem Quilten verbinden, war und ist es vor allen Dingen eine kreative Handarbeit und Ausdruck vieler kultureller Traditionen.
In dieser Ausgabe befassen wir uns mit der Kunst des Quiltens und einem ähnlichen, aber doch anderen Handwerk: das Patchworken. Für beide Handwerke, Patchwork und Quilten, zeigen wir lokale Besonderheiten, geschichtliche Traditionen und künstlerische Höhepunkte auf. Entgegen dem traditionellen Verständnis, dass das Quilten nur als Technik zur Herstellung von Decken verwendet wird, findet es heute auf vielfältige Weise seinen Platz in unserem Leben. Ihre reiche Geschichte, die längst nicht mehr nur mit der steppdecke und der Nähmaschine verbunden ist, hat tiefe Wurzeln auch außerhalb von Europa geschlagen – in vielen fernen Ländern.
Ob als Kunst oder als Hobby, es findet sich in Kleidung und Wohnkultur wieder. Das Internet und Bücher versorgen nun mit neugierigen und kreativen Ideen rund um das Patchwork und Quilt. Hier sind einige Fakten über die Geschichte und die verschiedenen Applikationen.
Quilts gibt es schon lange
Quilten, von der lateinischen Sprache Begriff „culcita“ stammend, umfasst drei Schichten von Textilien. Zwei äußere Schichten Stoff umschließen eine Schicht aus Füllmaterial in der Mitte. Sie bildet die Polsterung. Schon die alten Ägypter sollen gequiltet haben. Wenn es um die Entstehung geht, verweisen Historiker auf eine Elfenbeinschnitzerei aus dem 35. Jahrhundert v. Chr., die den Pharao der ersten ägyptischen Dynastie (Menes?) in einem gesteppten Kleidungsstück zeigt, als frühesten Nachweis einer Quilt-Herstellung. Archäologische Ausgrabungen in der Mongolei fanden einen gesteppten Bodenbelag, der vermutlich aus dem Jahr 200 nach Christus stammt. Die Europäer übernahmen das Quilten während der Kreuzzüge. Neidvoll hatten sie ihre türkischen Gegner beobachtet, die Quilts gegen Kälte und zum Schutz unter ihren Rüstungen trugen. In der Regel, Quilts waren in ihrer Anfangszeit Kleidungsstücke oder Einrichtungsgegenstände.
Die frühesten bekannten dekorativen Quilts stammen aus dem 14. Jahrhundert. Zwei Quilts wurden in Sizilien gefunden, die die Legende von Tristan und Isolde darstellen. Das war neu, mit Quilts konnte man Geschichten erzählen!
Vom 17. bis zum 19. Jahrhundert erfreute sich Quilten in Großbritannien einer enormen Popularität. Auch Patchwork-Quilten war sehr beliebt, es fand seinen Höhepunkt in den „Crazy Quilts“ des Viktorianischen Zeitalters. Das waren Quilts in freier Form, die aus nicht zusammenpassenden Stoffresten ohne jegliches Quiltmuster hergestellt wurden. Weil sie aus aussortierten Stoffresten gefertigt wurden, stellen die Crazy Quilts eine frühe Form vom „Upcycling“ dar.
Quilt erobert die Welt
Viele Kulturen beschäftigen sich weltweit mit dem Quilten und Patchworken. Und jede hat ihre eigene Technik und Muster. In der indischen Region Karnataka schaffen Frauen traditionelle Kaudi-Quilts aus Saris und Reststoffen. Kaudi-Quilts sind handgenähte Patchwork-Kreationen aus bunten Stoffen. Wieder einmal wird deutlich, wie vielfältig diese Kunstform in Bezug auf Techniken und Farbe ist.
In der pakistanischen Provinz Sindh werden dagegen traditionell Ralli-Quilts als Bett- oder Bodenbelag hergestellt. Die Region Sindh rühmt sich einer eindrucksvollen Geschichte von Textilkunst und -handwerk, Stoffe, die Ralli-Quilts sind ein wichtiger Bestandteil dieser Kultur, um die sich Lieder und Legenden drehen. Die fertigen Produkte werden oft zur Erinnerung an Hochzeiten verschenkt.
In einem anderen Teil der Welt – in Korea werden mehrfarbige Stoffreste einer Textilart in einem als Jogabko bekannten Patchwork-Quilting-Verfahren kombiniert. Die Stücke werden mit der sogenannten „Gekki-Technik“, einer sogenannten Kappnaht aneinandergenäht. Dadurch ist der Stoff von der Oberseite und der Rückseite gleichermaßen verwendbar. Die bekannte zeitgenössische Künstlerin Chunghie Lee bezieht Jogabko in ihre textilen Kunstwerke ein, die von traditionellen Mustern inspiriert sind, aber einen modernen Dreh haben. Wenn die Artikel aus durchsichtigen Stoffen hergestellt werden, wirkt das Endergebnis wie eine Glasmalerei.
Quilt und Patchwork führt die Menschen zusammen
Im 16. Jahrhundert fertigten in Nordamerika die Puritanern aus alten Stoffen Quilts, um isolierende Steppdecken und Kleidungsstücke herzustellen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde in Amerika jedoch das künstlerische Quilten populär, besonders als Form der Geselligkeit und der Bildung von Gemeinschaften. Quilt-Hersteller in Baltimore (Maryland) schufen in einem unverwechselbaren Stil. Diese Quilts sind auch als „Freundschaftsquilts“ bekannt, weil sie die Quilter miteinander in Verbindung brachten. Mehrere Quilterinnen stellten individuelle Quilt-Blöcke her, die dann zu einem fertigen Quilt zusammengenäht wurden. Die Amerikaner verglichen ihre Freundschafts-Quilts mit dem Sammeln von Unterschriften von Freunden und Familienmitgliedern in einem Adressbuch, was zu dieser Zeit eine beliebte Mode war.
Quilter trafen sich in sozialen Kreisen, den Quilting Bees. Das Gefühl von Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit, vor allem rund um besondere Ereignisse wie Hochzeiten und die Geburt von Kindern, war ihnen sehr wichtig. Zum Gedenken an eine Hochzeit setzten sich Quilting Bees manchmal das Ziel, einen gesamten Quilt an einem einzigen Tag fertigzustellen und es dem frisch vermählten Paar zu schenken.
Eine ähnliche Tradition im nördlichen China beinhaltet den Bai Jia Bei oder den „Quilt der 100 guten Wünsche“. Familien, in denen ein Baby erwartet wird, rufen ihre Freunde, Familienmitglieder, Nachbarn und die Gemeinde dazu auf, mit einem riesigen quadratischen Patchwork-Quilt zu dem freudigen Ereignis beizutragen. Jedes dieser Quadrate von Gemeindemitgliedern ist mit guten Wünschen und viel Glück für das Baby in Verbindung zu bringen. Das Endergebnis ist ein wunderschöner zusammengesetzter Quilt.
Quilten und Patchwork als soziales und politisches Engagement
Neben dem Aufbau von Gemeinschaften und dem Feiern besonderer Anlässe kann Quilten auch eine Form und Bezeichnung für eine kollektive soziale Initiative sein. In den 1830er-Jahren traten die Abolitionisten mit ihren Quilts gegen die Sklaverei auf. In Amerika stickten sie Gedichte und Botschaften gegen die Sklaverei auf und verkauften die Quilts auf Messen, um Geld zu sammeln. Das Quilten hat eine lange und reiche Geschichte in afroamerikanischen Gemeinschaften, wofür die abgelegene Quilting-Gemeinde von Gee’s Bend (Alabama) beispielhaft ist. Viele Quilter von Gee’s Bend sind direkte Nachfahren ihrer versklavten Vorfahren, die auf den nahen Plantagen als Sklaven gearbeitet haben. Ihre Quilts stellen einen integralen Teil der amerikanischen Geschichte dar. Sie wurden in jüngster Zeit mit verschiedenen Ausstellungen u.a im Whitney-Museum gewürdigt.
Geschichte kann auch in den Quilt-Designs selbst dokumentiert werden. Die letzte Monarchin von Hawaii, Königin Lili’uokalani, schuf einen Quilt, der die Kolonisierung von Hawaii behandelt. Die Königin nähte Namen ihrer Vertrauten und Symbole des Königreichs in der Quiltoberseite ein.
Ebenso wie traditionelle Quilts enthalten auch zeitgenössische Quilts und moderne Patchwork-Arbeiten ähnliche Erzählungen und politische Botschaften. Die Künstlerin Faith Ringgold, deren Arbeiten im Museum of Modern Art und im Guggenheim Museum ausgestellt werden, beschäftigt sich in ihren Quilts die Beziehung zwischen Feminismus, Bürgerrechten und afroamerikanischer Geschichte. In einem „Street Story Quilt“ bebildert sie den Wandel eines Apartment-Hauses in Harlem.
Und die Mode – mag sie auch das Quilten?
Die Kunstform hat natürlich auch in die Mode Einzug gehalten. Weit entfernt von der funktionalen Quilt-Kleidung, die unter mittelalterlichen Rüstungen getragen oder von Puritanern verwendet wurde, erfreut sich modernes Quilten an interessanten Designs, Handarbeitskunst, einzigartigen Textilien und Stoffe. Das Revival der Quilt-Mode begann in den 1970ern und ist der Hippie-Mode zu verdanken, die den lässigen und uneinheitlichen Stil von Patchwork-Quilts für sich annahm. Von da an ging es mit der Anpassung der Stoffstücke an die Mode steil nach oben. Designer Greg Lauren setzt in seiner Arbeit auf Patchwork und Quilt-Designs und arbeitete für eine aktuelle Kollektion mit den Gee’s Bend Quiltmakers zusammen. Die Kollektion besteht aus 93 Stücken, in die die Signaturen und Lebensläufe der Quilter eingestickt ist.
Es gibt noch viele weitere Geschichten. Aber wenn es um den Modestil Patchwork geht, sind Kordelsteppung und Blockmuster das Thema der aktuellen Trends und können überall in den Herbstkollektionen 2022 und den Streetstyles gefunden werden. Von Patchwork-Jeans zu gesteppten Jacken bietet diese Technik unendlich viele Design-Möglichkeiten, die ihr in eure bestehende Garderobe integrieren könnt. Obwohl sich die Quilting-Stile mit der Zeit verändert haben, beweist die lange Geschichte, dass Quilten auch heute noch Geselligkeit und das Miteinander fördern kann… und das Outfit! Bekleidung aus Quilts und Flickwerk sind chic, modern und schützen vor dem kalten Winter!
In dieser Ausgabe befassen wir uns mit der Kunstform in Beziehung zur Mode und zeigen euch, wie ihr eure eigenen gesteppten Kleidungs- und Patchwork-Styles erschafft. Die lange und interessante Geschichte des Quiltens und Patchworkens wird zur Freude bei dieser tollen Handarbeit beitragen und Euch zu interessanten Kreationen motivieren.