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Japanische Materialien – Teil 2

Japanische Handwerkskunst 2/2 |Es ist doch eine Traumvorstellung: Aufwertung durch Reparatur. Ein Objekt, zum Beispiel eine Schale aus einer alten, längst nicht mehr erhältlichen Serie, geht zu Bruch – und was machen wir? Anstatt den Verlust zu bedauern, reparieren wir die Schale nicht nur, sondern machen sie dank kintsugi zu etwas Besonderem.

All das ging Elisabeth Stursberg durch den Kopf, als sie neulich zwei Schalen aus einem schönen weißen achteckigen Service ungünstig übereinanderstapelte – und eine zerbrach. Zum Glück in zwei glatte Hälften. Perfekte Voraussetzungen für ein kintsugi-Experiment, dachten wir uns. Was sich dabei schnell zeigte: Goldpuder zu beschaffen, lohnt sich absolut! Den zweiten Teil zu den japanischen Materialien und das DIY von Elisabeth gibt es hier für euch im sisterMAG.

Japanische Materialien – Teil 2

Feature: Kintsugi und eine DIY-Anleitung für Eilige

Japanische Handwerkskunst 2/2 | Es ist doch eine Traumvorstellung: Aufwertung durch Reparatur. Ein Objekt, zum Beispiel eine Schale aus einer alten, längst nicht mehr erhältlichen Serie, geht zu Bruch – und was machen wir? Anstatt den Verlust zu bedauern, reparieren wir sie nicht nur, sondern machen sie dank kintsugi zu etwas Besonderem. Kintsugi bedeutet, dem Objekt seine ganz eigene Geschichte einzuschreiben – in Form einer ganz individuellen keshiki, einer »Landschaft« aus Goldlinien. Was nicht besser zum aktuellen Nachhaltigkeits-Zeitgeist passen könnte, ist in Japan schon lange üblich. Im Sinne der Philosophie, Schönheit eben im Vergänglichen und in der Individualität zu finden (wabi sabi), gewinnt ein Objekt dank kintsugi also sogar an Wert – emotional wie materiell. All das ging mir durch den Kopf, als ich neulich zwei Schalen aus einem schönen weißen achteckigen Service, das wir schon lange haben, ungünstig übereinanderstapelte – und eine zerbrach. Zum Glück in zwei glatte Hälften. Perfekte Voraussetzungen für ein Experiment!

Wie also geht kintsugi zu Hause?

Traditionell wird bei diesem Reparaturverfahren urushi verwendet, ein aus Baumharzen hergestellter Lack, der für kintsugi mit Goldpuder vermischt und als Kleber verwendet wird. Die Klebestelle wird von außen noch einmal mit Goldpuder bestäubt, dann muss das Objekt lange und unter bestimmten Luftbedingungen trocknen. Anschließend wird die Oberfläche gegebenenfalls möglichst eben geschliffen. Da herkömmlicher urushi aber nicht nur im Einsatz kompliziert ist, sondern auch allergische Reaktionen auslösen kann, setzt eine Art adaptiertes kintsugi-Verfahren inzwischen auf Porzellan-Spezialkleber. Auch ich wollte für mein Projekt etwas Schnelleres und dabei testen, wie diese nicht-traditionelle Variante in Bezug auf unterschiedliche Goldfarben funktioniert.

Also los: Zuallererst die zu klebende Fläche entfetten, zum Beispiel mit einem in Nagellackentferner getränkten Wattestäbchen. Anschließend den Kleber möglichst dünn auftragen, zum Beispiel mit einem Holzstäbchen, und die Bruchkanten vorsichtig aufeinanderlegen. [Fotos 1 a oder b, 2] Klassischen Porzellankleber gibt es übrigens sowohl in Weiß als auch transparent. Nachdem sich bei meinem Experiment der überschüssige Kleber gut abwischen ließ (dafür eignet sich wiederum ein Holzstäbchen oder auch ein feuchtes Tuch) und damit kaum noch zu sehen war, vermute ich, dass man für kintsugi weißen Kleber im Zweifel auch für dunklere Objekte verwenden kann – insbesondere, wenn man ihn sowieso mit Goldfarbe vermischt beziehungsweise diese im Anschluss aufträgt. Wichtig ist bei der Auswahl nur, dass der Kleber »lebensmittelecht« ist.

Wiederum von der Tradition abweichend und weil ich ja Alternativen zum klassischen Goldpuder testen wollte, habe ich die Goldfarbe nicht direkt mit untergemischt. Ich fragte mich auch, ob der Kleber damit unter Umständen weniger gut hält. (Im Nachhinein weiß ich: kein Problem, solange der Kleber selbst gut genug ist.) Nachdem der Kleber getrocknet war, versuchte ich also stattdessen, die Farbe außen entlang der Klebelinie aufzutragen.

Verwendet habe ich dafür zunächst Goldspray. Fazit: Es lässt sich zwar mit einem feinen Pinsel präzise auftragen, die Farbe deckt aber nicht genug. Der Effekt erinnerte eher an Wasserfarben. [Foto 3] Wem das so gefällt: Wunderbar! Mit dem Ergebnis des traditionellen kintsugi vor Augen wollte ich noch etwas Anderes probieren und ging die Schale deshalb mit einem Goldstift an. Fazit: Ebenfalls ein präziser Auftrag möglich, dazu eine wesentlich bessere Deckkraft, der Großteil der Farbe ließ sich allerdings schon mit etwas Wasser wieder abwaschen. Auch mit an sich wasserfesten Goldstiften also nicht die beste Lösung, denn zurück blieb nur eine sehr feine goldene Linie, weniger prominent als in meiner Vorstellung. Kurz gesagt: Goldpuder zu verwenden, lohnt sich. Entweder man mischt ihn direkt unter den Kleber und klebt damit, oder man klebt ohne Gold und trägt die Mischung im Nachhinein fein entlang der Klebelinie auf. Dass die Oberfläche dann vielleicht nicht ganz eben ist, gehört zum Konzept und ist kein Makel. [Finales Ergebnis: Foto 4]

Weniger Glas, mehr Keramik und Porzellan

Obwohl auch in Japan früh Glas hergestellt wurde, dominieren von jeher Porzellan und Keramik. Der japanische Schriftsteller Tanizaki Jun’ichirō führte das schon in den 1930ern weniger auf technische oder wirtschaftliche Faktoren zurück, als auf etwas, das er den japanischen »Volkscharakter« nannte: »Man kann nicht sagen, dass wir ganz allgemein glänzende Dinge ablehnen; doch einem seichten, hellen Glanz ziehen wir ein vertieftes, umwölktes Schimmern vor.« Die außerordentliche Vielfalt an Keramikprodukten – übrigens auch glasierte – wird noch heute in unzähligen Werkstätten hergestellt, die stark in der jeweiligen Region verwurzelt sind und ganz eigene gestalterische Traditionen entwickelt haben. Keramik wird in Japan deshalb nach ihrem Herkunftsort benannt. Während für Porzellan zermahlene Steine mit Wasser vermischt, geknetet und bei 1.200 bis 1.400 Grad Celsius gebrannt werden, benötigt auf Tonerde basierende Keramik »nur« 800 bis 1.200 Grad. Anschließend wird noch die Oberfläche geglättet.

Hinweise und Adressen

Die komfortable, aber etwas teurere Variante ist ein fertiges kintsugi-Set, das neben Kleber und Goldpuder auch Utensilien wie die oben unterstrichenen beinhaltet. Oft empfohlen, aber nicht für dieses Experiment getestet:

New Kintsugi repair kit Goldklebeset von Amazing Crocodile

diy: the original new kintsugi repair kit von humade, auch erhältlich beim Berliner Süper Store

Auch Korest hat diverses Zubehör sowie schlichte Schälchen im Angebot (die man zuerst selbst zerbrechen soll?).

Wagumi  in London hat eine hinreißende Auswahl an japanischem Kunsthandwerk und Design, inklusive kintsugi-Zubehör, Workshops und sogar »Übungsteller« (umsichtigerweise bereits vor-zerbrochen)! In Deutschland zu bestellen via Trouva, wo es auch kintsugi-Objekte von Seletti gibt.

In Berlin führt SPACE.Berlin in der Kantstraße Seletti. Wer die kintsugi-Arbeit lieber beauftragen möchte, wird zum Beispiel bei Satoko Toyoda oder Natsuyo Watanabe fündig.

In München fand zum Beispiel am 27. Oktober 2020 ein Workshop im Gasteig statt. Vielleicht wird dieser beizeiten wiederholt.