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Wie die Hose zur Frau kam

In sisterMAG Ausgabe No. 57 nimmt euch Autorin Barbara Eichhammer mit auf eine kleine Zeitreise und erläutert, wie die Hose eigentlich zur Frau gekommen ist…. Na, habt ihr eine Ahnung?!

Wie die Hose zur Frau kam

»I make fashion women can live in, breathe in, feel comfortable in and look younger in.« –  Coco Chanel, Pionierin der Frauenhose

Dass Frauen Hosen tragen, erscheint für uns heute selbstverständlich. Allerdings ist das weibliche »Hosenrecht« sehr jung. So galten beispielsweise in internationalen Luxushotels noch in den 1970er Jahren Hosenverbote für Frauen. Auch das Nobelkaufhaus Harrods in London durften hosentragende Kundinnen bis 1970 nicht betreten. Die Geschichte der Frauenhose ist daher auch eine Geschichte der Emanzipation. Unser kleiner Überblick zeigt euch, wie die Hose tatsächlich in einem jahrhundertelangen Kampf zur Frau kam.

Hosen = Männersache?

Bereits frühchristliche Reitvölker kannten hosenähnliche Kleidung. Aber erst im Mittelalter gehörte die Hose zur ritterlichen Kriegstracht. Seit dem 14. Jahrhundert war sie in den USA und Europa als Bekleidung ausschließlich dem Mann vorbehalten. Für Frauen im Westen waren Hosen also jahrhundertelang tabu; teils war dies sogar gesetzlich festgehalten. Die Hose wurde allmählich zum ideologischen Zeichen für Stärke, Kampfeskraft und Männlichkeit in einer patriarchalen Gesellschaft. Tatsächlich galt die Vorstellung, dass Frauen Stoff zwischen den Beinen tragen bis ins 20. Jahrhundert als skandalös. Trotz dieses patriarchalen »Hosenbanns« gab es über die Jahrhunderte hinweg jedoch immer wieder kühne Frauen, die sich in Hosen in der Öffentlichkeit zeigten. Sei es, um Sport zu machen, zu reisen oder bewusst gegen Geschlechterkonventionen zu rebellieren. Wie etwa die Sansculottinnen, die während der Französischen Revolution 1789 zu ihren Pantalons griffen. Paris erließ daraufhin ein Gesetz, das Frauenhosen nur dann erlaubte, wenn es die städtischen Behörden persönlich genehmigten. Schriftstellerin George Sand verstieß im 19. Jahrhundert gerne dagegen. Ein Kuriosum: dieses Gesetz wurde übrigens erst 2013 aus der französischen Verfassung gestrichen.

Amelia Bloomer

Wie sehr die Frauenhosenbewegung an die feministische Emanzipationsbewegung geknüpft war, zeigt sich ab Mitte des 19. Jahrhunderts. Der Ruf nach Hosen für Frauen wurde zu der Zeit immer lauter. Für Aufsehen sorgte in diesem Zuge die US-amerikanische Frauenrechtlerin Amelia Bloomer. Als Herausgeberin der Frauenzeitschrift »The Lily« machte sie sich für Reformkleidung stark. 1851 entwarf sie eine knöchellange Hose für Frauen, die Bloomers genannt wurden. In der breiten Allgemeinheit kam die Hose aber nur zögerlich an. Im Nordosten der USA trugen manche Damen der Gesellschaft die Bloomers zwar zu offiziellen Anlässen, in Europa aber trauten sich kaum Frauen, im »Bloomer Kostüm« auszugehen. Denn für lange Zeit galten die weiten Frauenhosen als zu radikal.

Paul Poiret

Erst in den 1910er Jahren gab es einen neuen Vorstoß im Kampf um die Hose. Inspiriert vom damaligen Trend des Orientalismus entwarf der Pariser Designer Paul Poiret ein bodenlanges Hosenrock-Kostüm. Es endete in einer Art Pluderhose, die über den Knöcheln zusammengehalten wurde. Gegen diese Haremshosen machte sich in der Gesellschaft jedoch großer Widerstand breit. Als Poiret 1911 mit Models in seinem Hosenrock ein öffentliches Pferderennen besuchte, musste er die Mannequins gar mit einem Stock gegen die entrüstete Menge verteidigen. Der Grund: Frauen in Hosen kannte man fast nur aus pornographischen Bildern. Die Darstellung von Schritt und Beinen galt als anrüchig. So kam es in Berlin gar zu Verkehrsstaus, wenn eine Dame im Hosenkleid auftauchte.

Der erste Weltkrieg

Was dem Hosenbann erstmals in der breiten Masse ein Ende bereitete, war der Erste Weltkrieg. Viele Frauen mussten plötzlich wichtige Erwerbsarbeiten übernehmen. Dafür wurden sie mit Arbeitskleidung ausgestattet, die zuvor den arbeitenden Männern gehört hatte. So trugen Fabrikarbeiterinnen Overalls. Frauen im öffentlichen Dienst bekamen im Winter eine Uniform mit langer Hose. Hilfsbeamtinnen erhielten Hose, Gamaschen und Mütze. Dass Frauen plötzlich männliche Kleidung trugen, wurde jedoch nicht als Grenzüberschreitung von Geschlechterrollen angesehen. Frauenhosen stufte die Kriegsgesellschaft eher als zweckdienliches, aber gleichzeitig als vorübergehendes Phänomen ein. Und tatsächlich: Sobald der Krieg vorbei war, kehrte die patriarchale Modetrennung im Alltag wieder ein.

Coco Chanel: Die Pionierin

Als Pionierin der Frauenhose zeigte sich nach dem ersten Weltkrieg die französische Modedesignerin Coco Chanel. In den 1920er Jahren entwarf sie eine Hose für sich selbst, um während ihres Venedig Urlaubs besser in die schaukelnden Gondeln steigen zu können. Der Vorläufer ihrer bis heute legendären Segelhose war geboren. Zu ihrem endgültigen Durchbruch verhalf Chanel der Frauenhose, als sie die sogenannten Yachting Pants kreierte. Weit geschnittene Hosen für alle Freizeitaktivitäten, die gleichzeitig eine gewisse Eleganz ausstrahlten. Die Inspiration dazu kam ihr während eines Strandurlaubs an der französischen Küste. Vorbild war die Herrenmode: Sie entlehnte die geraden, weiten Schnitte der Matrosenhosen und führte für Frauen Accessoires wie Krawatten ein. Zunächst schneiderte sie die Hosen für Strandurlauberinnen, später für alle Frauen. Coco Chanel schaffte damit, was vielen Designer*innen nicht gelungen war: die breite Masse der Frauen von der patriarchalen Kleiderordnung zu befreien. Dem Korsett sagte sie ebenso den Kampf an wie Volants, Spitzen oder Rüschen. Sie wagte sich als erste Designerin überhaupt an Baumwolljersey, einen Stoff, der zuvor nur für männliche Unterwäsche verwendet wurde. Das weiche elastische Material eignete sich ideal für ihre bequemen, fließenden Schnitte und war nach dem ersten Weltkrieg günstig erhältlich. Coco Chanel revolutionierte nicht nur die Modebranche, sondern brach auch mit den vorherrschenden Geschlechterkonventionen. Emanzipation durch Mode war das Motto. Mit ihrem schwarzen, kurzen Bubikopf, der Zigarettenspitze und ihren Jersey Hosen machte sie den androgynen Garçonne Stil in Paris zum Modetrend der Goldenen Zwanziger. Der Begriff Garçonne (französisch für »knabenhafte Frau«) geht dabei auf den 1922 erschienenen Roman La Garçonne von Victor Margueritte zurück. Das Buch löste einen regelrechten Skandal aus, da die Protagonistin in Männerkleidung auftrat, Karriere machte und ein selbstbestimmtes Liebesleben wählte. Den Trend zum androgynen Look brachte Marlene Dietrich 1930 nach Hollywood. Im Film Marokko trug sie eine gerade geschnittene Hose mit weitem Bein, die fortan nach ihr Marlene Hose benannt wurde.

Yves Saint Laurent: Le Smoking

Bis Frauenhosen endgültig gesellschaftlich akzeptiert wurden, mussten jedoch noch einige Jahrzehnte vergehen. Modegeschichte schrieb dabei Yves Saint Laurent mit seinem »Le Smoking«. 1966 brachte der Modedesigner erstmals einen Hosenanzug für Frauen im Stil eines Männersmokings heraus. Catherine Deneuve war 1967 seine erste Kundin. Berühmte Schauspielerinnen und Starlets der Zeit wie Liza Minelli, Lauren Bacall und Bianca Jagger folgten. Letztere wählte sogar ein weißes Modell des Hosenanzugs zu ihrer Hochzeit mit Rockstar Mick Jagger. Le Smoking revolutionierte außerdem die moderne Arbeitskleidung: Yves Saint Laurents Kreation leistete bürotauglichen Hosenanzügen für Frauen weltweit Vorschub. Die Fashion Fotografie spiegelte den weitreichenden Einfluss dieses Hosenanzugs auf das Frauenbild wider. Helmut Newton setzte den Smoking für Damen für die französische Vogue in cleanen Schwarz-Weiß-Bildern in Szene – mit androgynen Models und streng nach hinten gekämmten Haaren.

Karl Lagerfeld

In den Achtziger Jahren machte Karl Lagerfeld die Frauenhose zum neuen It Piece. Er verhalf dem leicht angestaubten Pariser Modehaus Chanel zu neuem Glanz, indem er die großen Chanel Klassiker gleich einem postmodernen Pastiche neu interpretierte und chic-sexy für die Gegenwart umsetzte. 1984 entwarf er mit seiner ersten Prêt-à-Porter-Kollektion die allererste Chanel Jeans. Das klassische Chanel Kostüm modernisierte er als Motorradkluft für Frauen inklusive Helm. Chanel war damit eines der ersten Haute Couture Häuser weltweit, die bewusst Streetwear Elemente in die High Fashion integrierten. Und auch jungen Frauen einen modernen, unkonventionellen Hosen Look gaben, der dem Zeitgeist und der Gleichstellung der Geschlechter entsprach. Seine Musen wie Claudia Schiffer, Kate Moss oder später Kristen Stewart kleidete Lagerfeld fortan in maskulin-sexy Outfits, die einen zeitgemäßen Gender Mix populär machten. So erscheint Kate Moss 1997 im freizügigen braunen Tweed Hosenanzug super sexy und lässig auf dem Laufsteg; eine gewagte Neuinterpretation des klassischen Chanel Tweed Kostüms. Ein Befreiungsschlag für die weibliche Kleiderordnung. Dabei bringt Lagerfeld den legendären Garçonne Look in die Populärkultur des 21. Jahrhunderts. Bei einem Shooting für die deutsche Vogue fotografierte er 2010 Schauspielerin Diane Kruger unter dem Titel »Dandy Diane« ganz androgyn mit Glencheck Anzug, Hut, Krawatte und Männerhemd. Selbst die Freizeithose machte er High Fashion tauglich: 2014 präsentierte Lagerfeld mit Cara Delevingne auf dem Catwalk die erste Chanel Jogginghose.

Der Spur der Frauenhose nachzugehen zeigt auf, wie im jeweiligen Zeitalter Geschlechterrollen definiert und gelebt wurden. Mode ist eine kulturelle Praxis, die die gesellschaftlichen Verhältnisse nicht nur widerspiegelt, sondern ihrerseits erst hervorbringt und verfestigen kann.