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Botanische Illustrationen: Irene Laschi

Wie sieht die Arbeit einer Illustratorin eigentlich aus? Und wie macht man überhaupt botanische Illustrationen? sisterMAG-Gründerin Thea im Gespräch mit der in Florenz lebenden Künstlerin Irene Laschi. Erfahrt in der neuen sisterMAG Ausgabe alles über ihre Arbeit.

Wie macht man überhaupt botanische Illustrationen?

Interview mit Irene Laschi

Erzähl uns ein bisschen über dich. Wer bist du, was machst du und wo lebst du?

Ich bin Irene Laschi und selbstständige Illustratorin. Ich wurde in Siena geboren, habe wissenschaftliche Studien durchgeführt und habe einen Abschluss in prähistorischer Archäologie. Ich habe das Zeichnen immer geliebt, und als ich Teenager war, verbrachte ich meine gesamte Freizeit damit. Aber erst nach meinem Uni-Abschluss merkte ich, dass ich das beruflich machen will. Ich lebe jetzt in Florenz. Ich bin vor zehn Jahren in diese Stadt gezogen, um als Illustratorin zu arbeiten. Erst habe ich für ein paar Jahre in einem Illustrationsstudio gearbeitet, habe mich aber dann selbstständig gemacht.

Wie hast du mit botanischen Illustrationen angefangen?

Eigentlich per Zufall! Ich wusste immer, dass ich keine Fantasy- oder fiktionalen Motive malen will – ich war nie sehr interessiert am Geschichtenerzählen und habe andererseits immer Enzyklopädien und anschauliche, extrem detaillierte Illustrationen geliebt. Angefangen habe ich mit historischen Illustrationen: Als Archäologin liebe ich historische Rekonstruktionen und ich dachte, dass Illustrationen das beste Medium sind, einem breiten und nicht spezialisierten Publikum schwierige Inhalte zu vermitteln – sowohl in Büchern als auch in Museen. Das Studio, für das ich gearbeitet habe, war auf historische Rekonstruktionen spezialisiert, hat aber auch andere Aufträge erfüllt. So war meine erste wichtige Arbeit eine Reihe von botanischen Illustrationen für Verpackungen … und so fing ich an, Pflanzen zu zeichnen und verliebte mich in Blumen und Früchte! Ich habe mein Portfolio online gestellt. Die ersten Kunden kamen und wollten diese botanischen Motive. Seitdem habe ich nicht mehr aufgehört, diese Motive zu zeichnen.

Würdest du dich als typische moderne botanische Illustratorin bezeichnen? Oder wie sieht deine geschäftliche Arbeit aus?

Ich beschreibe mich gerne als gewerbliche Illustratorin, die auf botanische Motive spezialisiert ist. Ich mag es, das Wort »Illustratorin« zu betonen. Ich bin keine Künstlerin oder Malerin, auch wenn ich hauptsächlich traditionelle Medien verwende, um meine Zeichnungen zu erschaffen. Mein Job ist näher an dem einer Grafikdesignerin als an dem einer Künstlerin: Dem Publikum soll nicht das Unikat gefallen, das ich auf Papier male, sondern die Kopien (auf Verpackungen, Websites etc.), und dessen sollte ich mir bewusst sein, wenn ich die Illustrationen plane. Das Illustrieren ist ein Teil der visuellen Kommunikation und hat seine eigenen Regeln. »Gewerblich«, weil meine Illustrationen vor allem in der Werbung und für Verpackungen benutzt werden: Gestaltung, Farbpalette und alle anderen wesentlichen Merkmale der Illustration sollten geplant werden, während ich darüber nachdenke. Es sind wissenschaftliche Illustrationen, aber ihr Ziel ist es nicht (oder nicht nur), einen wissenschaftlichen Inhalt zu kommunizieren. Meine Illustrationen haben einen modernen Stil, erstellt mit einer lebhaften Farbpalette und einem realistischen und doch anschaulichen Effekt – geeignet für kommerzielle Ziele.

Was ist die größte Herausforderung in deiner Arbeit?

Sicherlich die sorgfältige Planung von allem. Ganz am Anfang war die größte Herausforderung, alles fristgerecht in der höchsten Qualität abzuliefern. Ich habe nie an einer Kunstschule studiert, aber ich habe gelernt, wie man Pflanzen zeichnet, während ich die Aufträge erledigte (wenn du Miete und Rechnungen bezahlen musst, dann lernst du ziemlich schnell!). Aber nach zehn Jahren, in denen man botanische Motive gezeichnet hat, ist eine der größten Herausforderungen, niemals eine Arbeit zu wiederholen – vor allem nicht bei gleichen Motiven. Davon zu ermüden, ist etwas, das mir keine Sorgen bereitet. Ich liebe Pflanzen zu sehr, und außerdem sind die Kunden jedes Mal anders, ebenso wie meine Herangehensweise an das Motiv – eben speziell nur für diese Kunden.

Wie erreichst du Präzision in deinen Illustrationen?

Sobald ich die Motive kenne und noch bevor ich die Illustration plane, fange ich damit an, sie zu studieren und zu verstehen. Die finale Illustration ist eine Art Zusammenfassung der vorherigen Analyse. Skizzen von Stillleben, Fotos, Recherche im Netz und in Büchern sowie das Betrachten von alten Meistern sind die grundlegenden Schritte: Es gibt keine Abkürzung, um ein gutes Ergebnis zu erzielen. Die Gestaltung und die Farbpalette sind ebenfalls etwas, das zu Beginn geplant werden sollte. Wenn sie nicht funktionieren, dann funktioniert die Illustration nicht. Ich zeichne schneller als vor zehn Jahren, aber ich überspringe niemals einen dieser Schritte.

Was würdest du als größten Unterschied zwischen modernen Arbeiten und Kunstwerken und Illustrationen der Renaissance bezeichnen?

Grundsätzlich gibt es diese wesentlichen Unterschiede: die Verwendung unterschiedlicher Technologien, ein anderer Markt und folglich ein anderes Timing. Darüber hinaus war das Zeichnen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts die einzige Art, neue Entdeckungen und die Umgebung im Allgemeinen zu dokumentieren. Wenn ich nur über botanische Motive und insbesondere meinen Job nachdenke, dann gibt es wenige Unterschiede, aber auch einige Gemeinsamkeiten zwischen meiner Arbeit und den alten Meistern – auch, aber nicht nur den Künstlern der Renaissance. Jacopo Ligozzi und Giovanna Garzoni sind zum Beispiel eher Künstler als Illustratoren. Sie haben für bestimmte Kunden wie die Medici oder andere gearbeitet und einzigartige Stücke geschaffen. Aber die Recherche und die wissenschaftlichen Studien hinter diesen Zeichnungen sind die gleichen, die ein zeitgenössischer gewerblicher Illustrator wie ich durchführt, nur dass das Ziel anders war. In den Kunstwerken von Giovanna Garzoni sind alle Pflanzen realistisch, aber es gibt keinen Hyperrealismus. Die wissenschaftliche Absicht geht einher mit einer persönlichen und lebhaften Farbpalette. Selbst wenn das Resultat unterschiedlich ist, ist meine Vision von naturalistischen Motiven sehr nah an ihrer. Zu guter Letzt sind sowohl die alten Meister als auch ich die ersten Akteure, die ein Handwerk ausführen. Unsere Kunden bitten uns um bestimmte Dienstleistungen und bezahlen uns dafür. Manchmal ist es schwierig, Kunst und Illustration in der Ära der sozialen Medien als bezahlte Dienste zu betrachten. Ich bin zu einem »bottega« (italienisches Wort, das sowohl für das Studio eines Künstlers als auch für seinen Workshop steht) gegangen, um ein Handwerk zu erlernen und habe das Know-how von Leuten gelernt, die diesen Job seit Jahren machen (und nicht aus Lehrbüchern oder in einer Schule), während sie ihn machen – so wie es die alten Meister gemacht haben. Meine »Lehrer« sind auch zur bottega gegangen, ebenso wie ihre Lehrer und so weiter. Ich denke schon, dass dies eine direkte Linie bis in die Renaissance bildet.

Mit welchen Materialien und Werkzeugen arbeitest du?

Hauptsächlich mit Airbrush, Acryltinte und Buntstiften, aber auch mit Wasserfarben, Acrylfarbe und Gouache. Ich benutze diese traditionellen Medien, wann immer es möglich ist, aber oft benutze ich auch Photoshop, besonders für meine redaktionellen Illustrationen. Airbrush war meine erste Liebe. Ich habe meine erste gekauft, als ich 15 war, und habe nie damit aufgehört, sie zu benutzen – erst in meiner Freizeit, dann für meinen Job. Normalerweise benutzen botanische Künstler nur Wasserfarben oder Buntstifte. Wie ich aber schon gesagt habe, bin ich eine gewerbliche Illustratorin und keine botanische Künstlerin.

Hast du dich je in anderen Bereichen als den botanischen Illustrationen bewegt?

Wie schon zu Anfang gesagt, habe ich mit historischem Illustrieren und archäologischem Zeichnen begonnen. Heute haben 90 % meiner Illustrationen botanische Motive, aber ich zeichne auch allgemeine naturalistische Motive (wie Tiere oder Infografiken und Illustrationen für wissenschaftliche Bücher), ebenso wie Illustrationen von Speisen und Portraits. Ich liebe Herausforderungen! Verschiedene Motive sind immer eine großartige Gelegenheit, aus meiner Komfortzone herauszukommen, neue Dinge zu lernen und eine bessere Illustratorin zu sein.

Welche Rolle spielt das Digitale für deine Arbeit?

Ich betrachte Photoshop (als eine der wenigen Softwares, die ich benutze) gerne als Medium – nicht mehr, aber auch nicht weniger als der Pinsel und die Tinte, die ich auf Papier benutze. Wenn ich ein digitales Kunstwerk schaffe, dann sind meine Schritte die gleichen: Die Ebenen in Photoshop sind so wie verschiedene Schichten von Farbe oder verschiedene Blätter Transparentpapier (als ich vor langer Zeit angefangen habe, wurden Skizzen noch auf Transparentpapier gemacht), und ein Pinsel ist nur ein Pinsel. Photoshop allein wird die Probleme nicht lösen, auf die ich stoße, wenn ich nicht weiß, wie sie zu lösen sind. Natürlich macht das Digitale viele Dinge schneller und leichter (wie Anpassungen und Korrekturen). Für mich ist es sowohl für die anfängliche Planung als auch für die Postproduktion wichtig.

Florenz und die Toskana sind weltbekannt für ihre berühmten Lichtverhältnisse. Spielt das eine Rolle für deine Arbeit?

Ja, ich trage »meine« Farbpalette immer bei mir. Ich bin in der ländlichen Gegend von Siena aufgewachsen und war sowohl von Natur als auch von mittelalterlicher Kunst umgeben. Aber wenn ich meine Heimatstadt beschreiben sollte, dann würde ich über das Licht sprechen: Kein anderer Ort hat diesen rosa und orangen Sonnenuntergang, und es ist immer erstaunlich, dieses warme Licht auf den mittelalterlichen Gebäuden zu sehen, die aus rosa Backsteinen und matten, warmen Farben bestehen. Schatten sind immer lila und blau und nie schwarz und grau. Florenz hat dasselbe warme Licht, aber diesmal spreche ich nicht über Rosa und Orange, sondern über Gelb und Ocker. In jedem Fall wiederholt sich diese warme und lebhafte Palette ohne dunkle Schatten stets in meinen Illustrationen.

Hast du immer in Italien gelebt?

Ja, bis auf ein paar Monate, als ich während meines Archäologiestudiums auf Kreta gelebt habe.

Wie beeinflusst Florenz als Stadt deine Arbeit? Spielt die Welt der Medici und diese reiche Geschichte eine Rolle für deinen Alltag oder dein Berufsleben?

In der Toskana sind wir inmitten von kunsthistorischen Meisterwerken der Malerei und Architektur aus dem Mittelalter oder der Renaissance aufgewachsen. Wir haben immer Schönheit und Kunst vor Augen, sie sind Teil unseres täglichen Lebens (und leider werden all diese Dinge oft als selbstverständlich hingenommen). Natürlich liebe ich das Reisen, sehe gerne neue Orte und Kulturen, bewundere verschiedene Architekturen und Lichtverhältnisse, aber manchmal reicht es aus, durch meine Städte zu laufen und sie mit anderen Augen zu betrachten. Als ich ein kleines Kind war, habe ich Stunden vor den mittelalterlichen Gemälden von Ambrogio Lorenzetti, Simone Martini und Duccio di Buoninsegna verbracht. Ihre Farbplatte und die Liebe zum Detail haben mich sehr beeinflusst. Und was Florenz angeht: Die Uffizien, die Gallerie dell’Accademia, aber auch kleinere Museen und Kunstsammlungen sowie Kirchen sind Orte, die ich immer dann besuche, wenn ich kann. Und jedes Mal bemerke ich ein anderes Detail, erfahre etwas Neues und werde für meine Illustrationen inspiriert. Die Kunstsammlungen der Medici sind etwas, das jeder Illustrator (oder Künstler) sehen und studieren sollte. Einer meiner Lieblingsmaler in den Kollektionen der Medici ist Jacopo Ligozzi. Seine botanischen und naturalistischen Zeichnungen auf Pergament sind ein Meilenstein des botanischen Illustrierens. Giovanna Garzoni hat ebenfalls von seinen Zeichnungen gelernt (sie haben sich nie getroffen), wie das  Herangehensweise und Ausführung deutlich zeigen.

Von alten Meistern zu lernen, ist etwas, von dem man nie genug haben sollte – wir sind nur Zwerge, die auf den Schultern von Riesen stehen.