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Interview mit Hutmacherin Fiona Bennett

Die Hutmacherin Fiona Bennett ist mit ihren ausgefallenen Hutdesigns zu einer echten Berliner Institution geworden. Klar also, dass wir sie unbedingt in unserer Hut-Ausgabe vorstellen wollen! Gabi und Caro vom sisterMAG-Team haben sie zu einem Interview in ihrem Laden in der Potsdamer Straße getroffen und so einiges über das Handwerk des Hutmachens erfahren. Das ganze Interview findet ihr hier.

»Dem Hut-Handwerk eine Bühne geben«

Interview mit der Hutmacherin Fiona Bennett

»Mit unserem offenen Atelier möchte ich dem Hut-Handwerk eine Bühne geben. Und zeigen, dass wir noch alles mit den Händen fertigen – das ist heutzutage eine Seltenheit.« – Fiona Bennett

Fiona Bennett lebt seit ihrem siebten Lebensjahr in Berlin. Die gebürtige Britin ist mit ihren einzigartigen Hutkreationen zu einer echten Berliner Institution geworden. In ihrem strahlend weißen »Hut-Palast« in der Potsdamer Straße 81 ist ihr die Aufmerksamkeit aller auf den ersten Blick sicher. Ihre Entwürfe werden in den großen Modezeitschriften veröffentlicht. Zahlreiche prominente Persönlichkeiten tragen ihre Modelle. In der ersten Ausgabe 2020 möchten wir die Hutmacherin daher gerne vorstellen. Denn so viel ist sicher: Auch, wenn es nur noch wenige gibt, die dieses Handwerk erlernen, ist seine künstlerische Wertigkeit nicht von der Hand zu weisen.

Im Januar war die Berlin Fashion Week. Sie haben für die Fashion-Show von Lena Hoschek einige Hüte gefertigt. Wie hat Ihnen die Show gefallen?  

Ich finde, Lena macht immer sehr gute Arbeit. Sie hat ihren eigenen Stil. Ihre Entwürfe sind sehr feminin, Vintage und schön verarbeitet. Mir hat die Show sehr gut gefallen. Insgesamt hatten wir fünf Hüte in der Show. Da diese sehr reduziert zum Einsatz kamen, war ihre Wirkung groß. Ansonsten bin ich aber gar nicht so involviert in den Fashion-Week-Trubel. Wenn Designer meine Dienste wünschen, bin ich immer gerne dort.

Wo haben Sie das Handwerk des Hutmachens gelernt und wie sind Sie dazu gekommen?

Vor gut 30 Jahren erlernte ich das Handwerk in Berlin-Kreuzberg bei einer sehr traditionellen Hutmacherin. Wir fertigten viel für den Zirkus, das Schiller-Theater und die Oper. Ich genoss eine gute Ausbildung. Der Hut galt damals noch als sehr verstaubt. Er interessierte wenige und war vom Aussterben bedroht. Nur unsere alten Kunden trugen täglich einen Hut. Ich habe damals aber gleich mehr Potenzial in Hüten gesehen.

Würden Sie sagen, dass sich das heute verändert hat?

Absolut. Wir arbeiten jetzt schon lange daran, dem Hut ein neues Gesicht zu geben – das ist Pioniersarbeit. Mich hat es gereizt, die Schönheit des Handwerks gewissermaßen ins Hier und Jetzt zu retten und in unsere Zeit zu übersetzen, damit der Hut auch heute noch gefragt ist und »kein alter Hut« bleibt.

Welche Arbeitsschritte gehören zum Gestaltungs- und Herstellungsprozess eines Hutes dazu?

Im Prinzip brauchen wir als Basis nur einen Holzkopf, Filz, Wasser und ein Bügeleisen. Und natürlich geschickte Hände, um ihn zu fertigen. Der heiße Filz wird über eine Form gespannt. Er reagiert auf Hitze und Feuchtigkeit und wird somit formbar. Wir verwenden eine sehr traditionelle Technik, die viele Modisten nicht mehr lernen – das Handbügeln: d. h. wir modellieren den Filz in der Hand. Das ist schon eine große Kunst. Viele preiswertere Hüte werden komplett über die Form gespannt. Wir können eigentlich alles zu einem Hut verarbeiten, was ein gewisses Gewicht nicht überschreitet, Hüte müssen leicht sein. Die Möglichkeiten sind unendlich und es  ist spannend zu Experimentieren.

Wie viele Kollektionen bringen Sie im Jahr heraus? 

Ganz klassisch gibt es bei uns zwei Kollektionen im Jahr: Frühjahr/Sommer und Herbst/Winter. Dazu einige Unterkollektionen, z.B. eine Hochzeitslinie, Abend-Kopfschmuck, Hüte für Pferderennen und unsere nachhaltige Sommer Edition »One World«. Hier arbeiten wir mit einem Dorf in Nord-Ghana zusammen und stellen mit den Korbflechtern vor Ort Hüte her. Mit dabei sind außerdem Herren-Hüte und -Mützen, Soft-Caps, Strickmützen aus Kaschmir usw. In einer Kollektion gibt es viele Unterthemen. Hinzu kommen Maßanfertigungen für Film und Bühne – ein breites Feld also. Einige Bestseller haben wir regelmäßig im Programm. Aber unsere Kunden können sich seinen Hut, bezüglich Farben und Details auch nach seinen persönlichen Wünschen fertigen lassen.

Wie sieht es mit Sonderanfertigungen aus?  

Die kommen in regelmäßigen Abständen noch on top. Aktuell arbeiten wir beispielsweise an einer Edition mit einer bekannten Künstlerin. Immer wieder kreieren wir auch Hüte für die Bühne. Die Serie »Babylon Berlin« z.B. haben wir in allen drei Staffeln mit Hüten ausgestattet. Im letzten Jahr bekamen wir auch Aufträge für Kinder-Kinofilme, wie zum Beispiel »Jim Knopf« und »Burg Schreckenstein«.

Wie lange dauert es in der Regel, einen Hut zu fertigen?

Abzüglich der Trockenzeiten zwischendurch, kommen wir auf etwa fünf bis 40 Stunden. Das hängt stark von der Technik ab, die wählt wird. Unikate sind natürlich deutlich aufwendiger als Reproduktionen. Die Herstellung von Modellen aus unserem Sortiment braucht natürlich weniger Zeit als die Entwicklung von neuen Kreationen.

Wo nehmen Sie die Inspiration für Ihre Hut-Designs her?

Ich glaube, kreative Menschen saugen alles auf, was um sie herum passiert – visuell, wie emotional. Dann gibt es natürlich auch immer vorgegebene Kollektionsthemen. Die letzte hieß »Unlock your Power« oder »Setze Deine Kraft frei«. Ich habe sie nach einer Indienreise entwickelt. Eigentlich kam ich mit leeren Händen zurück, hatte keine Stoffe und Zutaten eingekauft, wie vorher mit dem Atelier besprochen. Ich hatte einfach keine Lust, einkaufen zu gehen und bewegte mich lieber in freier Natur. Dennoch ist daraus eine Kollektion entstanden, die sehr inspiriert war von meiner Reise.

Welche Bedeutung hat die Potsdamer Straße für Sie? Seit wann sind sie hier? 

Seit acht Jahren sind wir in der Potsdamer Straße. Das Geschäft habe ich mit meinem Freund und Geschäftspartner Hans-Joachim Böhme bezogen, um das Label mit ihm weiterzuführen. Der Standort hat zunächst für großes Raunen gesorgt. Inzwischen ist die Straße sehr beliebt. Sie hat Flair und auch die wichtigsten Galerien sind hier vertreten. Am neuen Geschäft hat uns vor allem die enorme Schaufensterfront aus 20 Metern Glas gereizt. Aber auch das Wintergarten Varieté gegenüber, das ein bisschen an Paris erinnert.

Sie haben an einigen Ausstellungen mitgewirkt. Wie wichtig ist Ihnen Kunst? Betrachten Sie Ihre Hüte als Kunstwerke?

Hier unterscheide ich zwischen Kollektionen und Objekten, die teilweise losgelöst vom »Kollektionskopf« entstehen. Es gab z.B. ein Objekt, das ein Jahr in verschiedenen Ausstellungen im Einsatz war: Ein riesiger Vogel im Sturzflug, der in einen Spiegel kracht und diesen komplett zerschmettert. Handwerk ist immer die Basis und kann sich dann in die Kunst hineinentwickeln. Gerade haben wir eine Anfrage für eine große Hutkunst-Einzelausstellung in Portugal in Planung, die im Oktober 2020 eröffnet und sechs Monate läuft.

Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt es in Ihrem Unternehmen? 

Aktuell sind wir mit mir fünf Personen. Die Mitarbeiterzahl wechselt bei uns, je nachdem woran wir gerade arbeiten. Wir haben zwei feste Hutmacher, eine Dame im Büro, meinen Geschäftspartner Hans-Joachim Böhme und mich. Ab und zu beschäftigen wir zusätzlich Praktikanten, Studenten, Schneider und Stricker. Die Anzahl kann auf 10 bis 15 Personen anwachsen. Wir bilden auch aus. Gerade haben wir uns entschieden, ein kleineres Team zu bleiben, um uns besser zu fokussieren.

Ist die Hutmacherei ein »aussterbendes Handwerk«? Oder gibt es noch genug Nachwuchs in der Branche?

Die Hutmacherei ist immer noch ein aussterbendes Handwerk, das leider sehr schlecht gefördert und unterstützt wird. Wir dürfen nicht vergessen: Es ist das Handwerk mit dem schlecht bezahltesten Lehrlingsgehalt. Heutzutage ist es fast unmöglich, es weiterzuentwickeln. Wir setzen uns trotzdem sehr dafür ein. Zeitweise hatten wir einen richtigen Ansturm an Ausbildungsinteressenten. Wir wollten schon fast eine Schule eröffnen. Momentan ist es etwas ruhiger. Interessanterweise haben wir seit etwa einem Jahr fast nur noch männliche Bewerber, da ändert sich also etwas.

Wie sieht Ihr persönlicher Lieblingshut aus?

Das wechselt natürlich immer wieder. Unseren Klassiker trage ich täglich: Ein Baskenhut mit Ohrenklappen aus Merino-Wolle. Wenn ich unterwegs bin, greife ich sehr gern auf einen dunkelbraunen Matelot-Hut zurück, mit eingesetztem Filz-Auge auf der Stirn und braunen Seiden-Quasten an langen Bändern, die den Körper spielerisch mit dem Kopf verbinden.

Erfahrt noch mehr über Fiona Bennett auf ihrer Website.