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Modernes Mexiko: Olga Costa in Leipzig

 

 

Olga Costa – 1913, Leipzig  –  1993, Guanajuato

Sie war entschlossen, ein ganz eigenes Repertoire (…) von Formen und Farben zu erschaffen, die bestimmte Aspekte der Wirklichkeit hervorheben können (…) sie reproduzierte nicht, was sie sah, sondern was sie sehen wollte.“
Katalog, HIRMER, München 2022, S. 74

„Mein Protest bestand immer darin, meine Stimme zu erheben und auf die Dinge hinzuweisen, mit denen ich nicht einverstanden bin.“
Olga Costa, Katalog HIRMER, München, 2022, S. 75

Olga Costa verstand sich als Mexikanerin

Im Museum der bildenden Künste in Leipzig atmet man zur Zeit ausgiebig mexikanische Luft. Die gesamte Innung mexikanischer Künstler des vergangenen Jahrhunderts hat sich mit ihren Werken in den weiten Ausstellungsräumen des Museums versammelt. Ein großer, interessanter Überblick, der so erstmalig in Europa gezeigt wird. Im Mittelpunkt der Ausstellung steht das Schaffen Olga Costas, die uns mit einem farbenfrohen Selbstbildnis aus dem Jahr 1947 begrüßt. 

Olga Costa
Autorretrato / Selbstbildnis / Self–Portrait, 1947,
Öl auf Leinwand / Oil on canvas,
90 x 75 cm,
Colección Andrés Blaisten, Mexiko-Stadt 

 

In einem Sessel sitzend lädt
sie den Besucher mit einem selbstbewussten,
ernsten Blick zu dieser
ungewöhnlichen Präsentation
ihres Landes Mexiko ein,
… den Pinsel schon in der Hand
zeigt der auffallende Ohrschmuck:
“Ich bin eine Mexikanerin“!

Leipzig als Austragungsort dieserAusstellung ist kein Zufall. Olga Costa wurde 1913 hier als älteste Tochter des ukrainischen Violinisten und Komponisten Jacobo Kostakowsky und seiner Frau Ana Fabrikant geboren. Ein beschwerlicher Weg lag zunächst vor ihnen. Wirtschaftliche Gründe zwangen sie zu großen Entscheidungen. Bevor die jüdische Familie nach Mexiko auswanderte war Berlin Zwischenstation. Hier verbrachte Olga ihre Kindheit. 1925 verließen sie Deutschland. 1917 war als Folge einer Revolution in Mexiko eine fortschrittliche, auf demokratischen Ideen beruhende Verfassung verabschiedet worden, ein wichtiger Grund für die Familie Kostakowsky dieses Land zu suchen. So verlief die Integration sehr glücklich, der Vater fand Arbeit als Musiker und Olga und ihre ganze Familie wurden ohne Mühe auch gefühlsmäßig echte Mexikaner.

Die ersten Jahre der Malerin

Olga Costas Liebe zur Kunst führte  zunächst zu einem kurzen Intermezzo an der nationale Kunstakademie für Bildhauerei Mexikos in Mexiko-Stadt. Erste Kontakte zu namhaften Künstlern Mexikos entstanden, hier traf sie ihren Mitstudenten und späteren Ehemann Jose Chavez Morado (1909 – 2002).
Ihre Liebe zur Kunst blieb. Schrittweise, mit Engagement, großem Willen und einer klaren Konzeption für Ausführung und Motiv entwickelte sie autodidaktisch in den folgenden Jahren ihren eigenen Weg. Neben der Malerei versuchte sie sich an druckgrafischen Aufgaben, Zeichnungen, selbst in textilen Bildwirkereien. 

 

 

 

Olga Costa
Frutero / Obstschale / Fruit Platter, 1985,
Lithografie in fünf Farben / Lithograph in five colors,
63 x 48,5 cm,
Acervo Museo de Arte Moderno.
INBAL/Secretaría de Cultura, Mexiko-Stadt 

Selbstbewusste Künstlerin mitten in der mexikanischen Macho-Kultur

Sie suchte den Mensch und die Natur und interpretierte sie einfach und realistisch, um so die Identität des mexikanischen Volkes darzustellen. Landschaftsbilder, Stillleben bewusst ergänzt mit Beispielen genuiner Kultur bis hin zur Skizzierung fantastischer Ideen charakterisieren ihr Werk.   Die in dieser Zeit wirkenden Gedanken des abstrakten Expressionismus blieben ihr bewusst fern.

Wie viele ihrer Künstlerkollegen zeigte Olga Costa in dem postrevolutionären Mexiko eine klare Einstellung zur Politik und Gesellschaft. An der Seite aktivistisch agierender Kollegen arrangierte sie sich zu sozialen Problemen in der „Werkstatt der Volksgrafiker (TGP). Anfang der 1940iger Jahre war sie dabei, als die Künstlergalerie „Galeria Espiral“ gegründet wurde. Schon bald übernahm sie die Leitung der selbstverwalteten Einrichtung. Enge persönliche Kontakte und künstlerische und kulturpolitische Verbindungen zur mexikanischen Künstlerelite entstanden. Zu den herausragenden Vertretern gehörten die Fotokünstlerin Lola Álvarez Bravo (1907 – 1993), Diego Rivera (1886 – 1957) einer der „Tres Grandes“ mexikanischer Malerei, ihr ehemaliger Hochschullehrer Carlos Mérida (1891 – 1984), der vielseitige Gerardo Murillo (1875 – 1964), aber auch die schillernde Mexikanerin Frida Kahlo (1907 – 1954) und die einflussreiche Galeristin Inés Amor (1912 – 1980). Mit diesem Netzwerk festigte sich ihre Stellung im Kreis der fortschrittlichen mexikanischen Künstler. 

 

 

Frida Kahlo
Los cocos / Die Kokosnüsse / The Coconuts, 1951,
Öl auf Leinwand / Oil on canvas,
24,4 x 36,6 cm,
Acervo Museo de Arte Moderno.
INBAL/ Secretaría de Cultura, Mexiko-Stadt 

Olga Costa
La vendedora de frutas / Die Obstverkäuferin / The Fruit Seller, 1951,
Öl auf Leinwand / Oil on canvas,
195 x 246 cm,
Acervo Museo de Arte Moderno.
INBAL/ Secretaría de Cultura, Mexiko- Stadt

Überwältigend in Szene gesetzt und für ihre klare und mit dem Volk verbundene Kunst erstrahlt Costas monumentales Bild „Die Obstverkäuferin“ (La vendedora de frutas) in dem größten Saal der Ausstellung. Es ist ihr bekanntestes Werk ohne das das Museo de Arte Moderno in Mexiko Stadt nicht so stolz strahlen könnte. Dieses in hellen, frohen, bunten Farben erstrahlende Bild vermittelt mit einer mit 58 Obstsorten beschäftigten Obstverkäuferin Lebensfreude und Frohsinn, interpretiert aber auch für das Jahr 1951, in dem es gemalt wurde, den Stolz eines wirtschaftlich und sozial erstarkenden Landes. Typisch für Olga Costa sind die kräftigen, optimistischen, bunten Farben, die man auch an anderen, früher oder später entstandenen Bildern bewundern kann. Sie fordern heraus und laden den Betrachter ein.

Olga Costa

Flores de mi jardín / Blumen in meinem Garten / Flowers in My Garden, 1975,
Öl auf Leinwand / Oil on canvas,
70 x 120 cm, I
nstituto Estatal de la Cultura de Guanajuato,
Museo de Arte Olga Costa – José Chávez Morado, Guanajuato 

Aus Olga Kostakowsky wird die Malerin Olga Costa

In ihrer kurzen Studienzeit in Mexiko – Stadt lernte Olga ihren Mitstudenten Jose Chavez Morado (1909 – 2002) kennen, den sie 1935 heiratete. Morado arbeitete in dieser Zeit im mexikanischen Jalapa an einem politischen Wandgemälde. Für Olga, die in diesen Jahren an einer Schaffenskrise laborierte,  fand mit ihm gemeinsam zur Malerei zurück. Motiviert und um ihren Namen in der mexikanischen Moderne besser platzieren zu können, wählte die ehemalige Leipzigerin den animierenden Namen „Costa“, für die „Küste“. Und 1947 nahm sie die mexikanische Staatsbürgerschaft an, eigentlich nur ein äußeres Zeichen ihrer festen Zughörigkeit zu diesem Land. 

 

 

José Chávez Morado

Danzantes / Tänzer / Dancers, 1935,
Öl auf Leinwand / Oil on canvas,
55,5 x 71 cm,
Colección Andrés Blaisten, Mexiko-Stadt 

 

Die Motivos marinos (Meeresmotive), lebensvolle und farbenfrohe
Darstellungen von
Meerjungfrauen nach traditionellen Vorlagen,
bleiben Costas einziges Wandbild (Murales).
Diese Gattung war bei den modernen Malerkollegen
sehr verbreitet, viele Wandmalereien künden in
Mexiko von der Schönheit und Tradition des
Landes.

Rezeption und Erfolg der Malerin Olga Costa

Die „Obstverkäuferin“ und viele andere mittlerweile entstandenen Gemälde führten dazu, dass die Kunstkritik ihre Arbeiten zunehmend als Positionen einer genuin mexikanischen Künstlerin akzeptierte. Einladungen zu Vernissagen und Ausstellungen folgten. Die erste Einzelausstellung war 1945 in der Galería de Arte Mexicano unter der Leitung von Inés Amor. In den Jahren danach folgten Präsentationen ihrer Kunst im In- und Ausland. Neben Paris und Moskau besuchte Olga Costa Odessa, die ukrainische Heimat ihrer Eltern. Weitere Ziele waren in Asien, Afrika und rund um das Mittelmeer. Ein positives Echo war ihr bei all diesen Veranstaltungen sicher. Auch Kostüm- und Bühnenbildentwürfe entstanden. Nach Deutschland führte kein Weg, obwohl zwischen der fortschrittlichen mexikanischen Moderne (Diego Rivera z.B.) und der DDR, auch nach Leipzig, enge Beziehungen bestanden.
Gemeinsam mit ihrem Mann war Olga Costa eine Sammlerin von Kunst, Volkskunst und Kulturgütern ihrer genuinen „Vorfahren“. Diese Schätze waren oft Motive ihrer zahlreichen Stillleben und sind heute Schätze verschiedener Museen.
Das Museum der bildenden Künste Leipzig führt in der Ausstellung rund 80 Leihgaben u. a. aus dem Museo de Arte Moderno in Mexiko-Stadt, dem Museo de Arte Olga Costa – José Chávez Morado in Guanajuato, dem National Museum of Mexican Art in Chicago sowie aus internationalen Privatsammlungen zusammen. Hinzu kommen Werke aus dem eigenem Bestand des Leipziger Museums, darunter Grafiken des „Taller de Gráfica Popular (Werkstatt der Volksgrafiker, TGP s.o.).

 

 

 

 

Olga Costa um 1945
Copyright MdbK Leipzig

Der Katalog „Olga Costa. Dialoge mit der mexikanischen Moderne“ von HIRMER, München.

Der Museumsbesuch ist ein ästhetischer Genuss, kann sich der Besucher an farbkräftigen, volksverbundenen Bildern erfreuen. Mexiko ist ein fernes, vielleicht in vielem auch unbekanntes Land. So runden die Beiträge des Kataloges vom Verlag HIRMER, München die Kunst Costas und die der mit ihr im Dialog befindlichen Künstler das Erlebte bestens ab. Gleich ob Biografisches, Aussagen zur Geschichte Mexikos, ob Werkinterpretationen oder Familiäres der Costas sind es wertvolle Details zum Verständnis der Ausstellung, zumal einige Beiträge durch mexikanische Autoren an Authentizität gewinnen. Die Kunstwerke sind in bester Qualität zu bewundern. Schade, dass die schönsten Werke Olga Costas in ihrem Bildteil wie „Die Obstverkäuferin“, „Landschaft“, „Blumen in meinem Garten“ oder „Guanajuato“ durch den Buchfalz gebrochen, geteilt dargestellt sind.

 

Olga Costa starb am 28. Juni 1993 in der zentralmexikanischen Stadt Guanajuato, in der sie seit 1966 mit ihrem Mann gelebt hatte.

 

 

Olga Costa

Guanajuato, 1977,
Öl auf Leinwand / Oil on canvas,
70 x 100 cm,
Sammlung Stephanie Ehrensberger 

 

 

Museum der bildenden Künste Leipzig
Katharinenstraße 10, 04109 Leipzig

Olga Costa. Dialog mit der mexikanischen Moderne
bis 26.März 2023

Öffnungszeiten
Di, Do bis So 10 – 18:00Uhr
Mi 12 – 20:00 Uhr

Telefon: 0341 216990

Führungen, Vorträge unter
mdbk@leipzig.de