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„Dress Code“ – eine Ausstellung der Bundeskunsthalle Bonn

„Was könnte ich heute bloß anziehen?“ – das wird mit Sicherheit einer der ersten Gedanken bei so manchem am Morgen sein. Sicher – Hose, Rock, Kleid und Mantel müssen sein, schon um uns gegen Hitze, Kälte, Regen und Schnee zu schützen. Aber reicht das? Mit Sicherheit nicht für die meisten von uns. Wir wollen uns wohlfühlen, gesehen werden, vor allem mit unserem Outfit erscheinen, seriös, verwegen extravagant, brav, wie auch immer. Wir wollen mit unserer Bekleidung etwas aussagen, letztlich mit unserer Umwelt auf diese Weise kommunizieren.

Auf wunderbare Weise zeigt eine Ausstellung aus Japan, aus dem National Museum of Modern Art, Kyoto und dem Kyoto Costume Institute, zur Zeit in der Bundeskunsthalle Bonn zu sehen, wie Mode als spielerisches Instrument das Wesen unserer Persönlichkeit unterstricht.

Wie wir unbewusst auf die Kleidung unserer Mitmenschen reagieren, zeigt gleich zu Beginn der Schau ein grossformatiges Video, in dem der georgische Modedesigner
Demna Gvasalia (Balenciaga) die auf einer Rolltreppe herabsteigenden Models mit Aufschriften betitelt, wie „Mailänderin“, „Miss No 5“ oder „Rentnerin“ – so, wie wir sie nach ihrem Outfit beurteilen würden.

Es ist bekannt, dass schon im Altertum neben der Schutzfunktion die Kleidung geschmückt wurde, schon, um sich von anderen abzusetzen.

dress-code 2021, Ausstellungsansicht, Foto: Michael Neubauer, 2021 © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH

Am wenigsten gelingt es denen, die sich in uniformierter Weise kleiden müssen. Polizei-, Feuerwehr-, Soldaten- oder gar Schuluniformen signalisieren eine Gruppenzugehörigkeit, selbst der klassische Anzug bezeugt keine Individualität. Aber durch auffällige Farben oder Muster, durch besondere Schnittformen oder mittels Stilbrüchen durch Kombination mit alternativen Bekleidungselementen holen die Designer die Individualität zurück.

dress-code 2021, Ausstellungsansicht, Foto: Michael Neubauer, 2021 © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH

dress-code 2021, Ausstellungsansicht, Foto: Michael Neubauer, 2021 © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH

„Schwarz“, heute die Farbe der unabhängigen Frau, wurde in den 1920iger Jahren durch das von Coco Chanel entworfene „Kleine Schwarze“ eingeführt. Von der männlichen Gesellschaft stürmisch abgelehnt, begeisterte es die Damenwelt. Sie entwickelte es weiter, das „Chanel-Kostüm“ erobert die Welt bis heute.

Chanel/Gabrielle Chanel Ensemble für den Tag (Day Ensemble)
Ca. 1928
Crepe und Jersey aus Wolle
(Wool crepe, Wool Jersey)
Label: Chanel
The Kyoto Costume Institute
Foto: Michael Neubauer, 2021
© Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH

dress-code 2021, Ausstellungsansicht, Foto: Michael Neubauer, 2021 © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH

Eine ungewollte Uniformierung können wir auch im Alltag beobachten, wie es die folgenden Bilder zeigen:

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Hans Eijkelboom
Photo Notes 1992–2019
1992–2019
©Hans Eijkelboom

dress-code 2021, Ausstellungsansicht, Foto: Michael Neubauer, 2021 © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH

Eine interessante Entwicklung liefert uns die Jeanshose. 1870 von Levi Strauß und Jakob Davis als strapazierfähige und bequeme Arbeitshose gefertigt, deshalb an den belasteten Ecken mit Nieten versehen („Niethosen“), wurde sie in 1930iger Jahren ein Zeichen der rebellierenden Jugend in Amerika. Und heute motiviert die Bluejeans die Designerinnen und Designer zu stylischen Modeartikeln in den unterschiedlichster Varianten. Die Hosen werden eingeschnitten, ausgefranzt, der Jeansstoff zur Jacke, zum Kleid, zur Bluse oder gar zum Mantel verarbeitet.

dress-code 2021, Foto: Michael Neubauer, 2021 © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH
Comme des Garçons / Junya Watanabe, Dress and Jeans, Spring/Summer 2002,
Collection of The Kyoto Costume Institute, photo by Takashi Hatakeyama

Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich bei Ablegern der Militäruniformen. Im ersten Weltkrieg waren es schützende Umhänge in englischen und französischen Schützengräben (engl. „trench“= Graben, „coat“ = Mantel), 1909 entwarf Thomas Burberry den ersten „zivilen“ Trenchcoat, dessen Siegeszug in unterschiedlichsten Varianten bis heute anhält.

dress-code 2021, Ausstellungsansicht, Foto: Michael Neubauer, 2021 © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH

dress-code 2021, Ausstellungsansicht, Foto: Michael Neubauer, 2021 © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH

Auch Camouflage-Muster lieben Designerinnen und Designer. Dienten Stoffe mit diesen Mustern in den Kriegen der Tarnung, wurden sie später als Zeichen des politischen Protests angezogen.
Heute sind sie Ausdruck eines extravaganten Modegeschmackes.

dress-code 2021, Foto: Michael Neubauer, 2021 © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH, Comme des Garçons / Junya Watanabe
Cape, Sweater and Skirt, Autumn/Winter 2010
Collection of The Kyoto Costume Institute, photo by Takashi Hatakeyama

dress-code 2021, Ausstellungsansicht, Foto: Michael Neubauer, 2021 © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH

Besonders im vergangenen Jahrhundert entwickelte sich die Modebranche rasant. Modemessen in Mailand, NewYork, Paris und London wurden zu kulturellen Ereignissen. Haute Courture als Zeichen hochwertiger, vor allem handwerklich auf höchstem Niveau gefertigter Einzelstücke in Handarbeit und Pret-a-Porter als Messe für die tragbare Mode heizten das Geschäft an. Bedeutende Marken wie Yves Saint Laurant, Armani, Chanel oder Fendi outeten sich mit ihren Produkten und schützten sich mit ihren charakteristischen Markenzeichen. Diese Logos dienten und dienen der Wiedererkennung im Salon, heute eher im Internet und sind für viele Frauen oder Männer mehr als begehrt. „Ja, man trägt …!“

dress-code 2021, Ausstellungsansicht, Foto: Michael Neubauer, 2021 © Kunst- und Au sstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH(Fendi und Moschino)

dress-code 2021, Foto: Michael Neubauer, 2021 © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH,
Yves Sain Laurant, Kleid (Dress) Herbst/Winterr 1965 (autumn/winter 1965) Woll-Jersey (Wool-Jersey)
Label: Yves Saint Laurant Paris
The Kyoto Costume Institute, Schenkung von Yves Saint Laurant

Die Grenzen zwischen Modedesign und Kunst verwischen sich zunehmend. Große Modeschauen finden in Kunstgalerien statt, Museen öffnen sich der Mode. Folgerichtig verwenden Modeschöpfer auf ihren Stoffen und auf ihren Modeaccessoires wie Taschen, Hüten, Schals Motive der bildenden Kunst. Eine Harmonie entsteht aber erst dann, wenn nicht nur die Schöpfer sondern auch die Träger dieser Mode Verständnis und Kenntnis für die jeweilige Kunst haben.

dress-code 2021, Ausstellungsansicht, Foto: Michael Neubauer, 2021 © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH

dress-code 2021, Foto: Michael Neubauer, 2021 © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH
Gucci / Alessandro Michele,
Jacket, Top, Skirt, Spats, Stole, and Shoes, Autumn/Winter 2018 Collection of The Kyoto Costume Institute,
photo by Takashi Hatakeyama

Was ist Mode heute? Ein Spiel um Ansehen und Wertschätzung, ein Produkt kreativer textiler Kunst, aber auch ein Feld größter Vielfalt!
Es gibt keinen bestimmten Trend, keine allgegenwärtige Marke, nicht „den“ Stil. Marken werden gemixt alles ist erlaubt. Kleidertrends werden eher durch Personen, Vorbilder in Filmen, im Internet promotet, eine große Rolle spielen sogenannte Influenzerinnen und Influenzer, die im Auftrag der Firmen die Modeprodukte auf ihren sozialen Kanälen vorstellen.

dress-code 2021,Foto: Michael Neubauer, 2021 © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH, Yohji Yamamoto, Jacke, Kleider und Hose (jacket, dress and trousers), Herbst/Winter 2007 (autumn/winter 2007), Kalbsleder, Seidencrepe, Seiden/Nylon-Taft (calfskin, silk creper, silk/ nylon taffeta,
Label: YOHJI YAMAMOTO The Kyoto Costume Institute

dress-code 2021, Ausstellungsansicht, Foto: Michael Neubauer, 2021 © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH,
Campbell’s Soup Company
Dress “The Souper Dress”, 1968
 Collection of The Kyoto Costume Institute,
 photo by Takashi Hatakeyama

Die Ausstellung „Dress Code“ in der Bundeskunsthalle Bonn bietet die Möglichkeit, sich vor einem Monitor mit aktuellen Modekreationen virtuell zu stylen und Mode verschiedener Designer an sich wirken zu lassen, ein Vergnügen der besonderen Art, viel Spass dafür!

Der Autor im weißen Rockanzug.

Die Modewelt heute macht aus verschiedenen Gründen einen erheblichen Wandel durch. Die Stärkung der Frau in der Gesellschaft, ihre Emanzipation aus der Abhängigkeit vom männlichen Geschlecht und ihre zunehmende Selbstbestimmung haben auch in der Mode zur Auseinandersetzung mit Gender und Identität geführt. „Genderless Fashion“ heißt für die Zukunft, Frau und Mann tragen das Gleiche. Die geschlechtstypische Mode wird zum Auslaufmodell.
Andererseits hat die weltweite Produktion von Bekleidung in den letzten 20 Jahren so zugenommen, dass aufgrund der niedrigen Preise reine Lustkäufe stattfinden. Von 2000 bis 2010 ist der Preis für Kleidung in Europa um 25% gesunken. Alarmierend kommt hinzu, dass die Modeindustrie heute weltweit der zweitgrößte Umweltverschmutzer ist. Ein Umdenken ist dringend, Nachhaltigkeit darf hier nicht zur Floskel verkommen.
Selbst etwas nähen!, Reparatur von vorhandener Kleidung! und der bewusste Kauf von wirklich benötigter Bekleidung! wären vernünftige Wege zur Lösung.

„MODE IST DIE SYNTHESE AUS WISSEN UND AUSPROBIEREN.“ Vivienne Westwood

Literatur: Presseinformationsmappe des Museums
Zeitschrift „Madame“ März 2021, S.74-75

Bundeskunsthalle Bonn 2021

Dress Code
Ausstellung bis zum 12. September 2021

Helmut-Kohl-Allee 4
53113 Bonn
Tel.: 0228 91710
www.bundeskunsthalle.de
außer montags 10:00 bis 19:00 Uhr, Die und Mi bis 21:00 Uhr

Freier Eintritt bis einschließlich 18 Jahre Tageskarte 15 €