Pierre-Auguste Renoir (1841–1919)
Frau mit Sonnenschirm in einem Garten, 1875
Öl auf Leinwand
54,5 x 65,0 cm
Museo Nacional Thyssen Bornemisza, Madrid
Foto: Museo Nacional Thyssen-Bornemisza, Madrid
Diese Maxime von Pierre Auguste Renoir (1841 – 1919) traf den Geschmack seiner Zeit aufs Beste. Die französische Revolution, Napoleons Eroberungskriege, die Restauration mit der Wiederherstellung der Bourbonenmonarchie und ihr endgültiger Sturz in der Julirevolution von 1830 steckte den Franzosen in den Gliedern. Die Sehnsucht nach Leben, einem angenehmen, freien und fröhlichen in einem liberalen Nationalstaat „Frankreich“ war groß. Die Erinnerung an das Rokoko, an die galant-verspielte, bewusst verfeinerte Formenwelt des Barocks war da genau das Richtige. Man war begeistert von Mode, Kunst, und Dekoration in sinnlichen, stimmungsvollen Farben, dem prunkvollen, reich verzierten Schmuck und natürlich von den charmanten Umgangsformen des vergangenen Jahrhunderts. „Rokoko“, vom sogenannten „Muschelwerk“ dem „rocaille“ abgeleitet, eroberte die französischen Herzen im Sturm. Sammlungen und Ausstellungen, druckgrafische Reproduktionen in Kunstzeitschriften zeigten Bilder von Antoine Watteau (1648 – 1721), Jean-Honore Fragonard (1732 – 1806) und Francois Boucher (1703 – 1770). Sie alle malten so, wie die Franzosen fühlten, sie zeigten das, was die Franzosen liebten: die Frauen.
Rocaille
Auguste Renoir war gerade 13 Jahre alt, als er 1854 in dieses Rococo – Revival“ hinein seine Lehre als Porzellanmaler in Paris begann. So war die Auswahl der zu malenden Muster klar. Und wie er sie malte, diese verspielten Schäferszenen, Blumen oder Tierbilder, das „Dixhuitieme“ in den schönsten Ausführungen. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten, auch wenn er bald das Porzellan gegen zu verzierende Fächer eintauschen musste.
… bemalte kirchliche Gewände mit religiösen Themen, um sich ein Kunststudium leisten zu können. 1862 nahm ihn die Pariser Ecole des Beaux-Arts auf, wo er auf die gleichgesinnten Frederic Bazille (1841 – 1870) , Alfred Sisley (1839 – 1899) und Claude Monet (1840 – 1926) traf. Gemeinsam zogen sie in die Natur, malten im Wald von Fontainebleau, kämpften gegen die vorgefassten Meinungen der Akademiker und gegen ihren Hunger. Ein schweres Ringen um ihre Kunst begann, Teilnahmen an den offiziellen Salons waren ihnen lange verwehrt. 1874 inspirierte Claude Monets Bild „Impression. Der Sonnenaufgang“ den Kunstkritiker Jules-Antoine Castagnary (1830 – 1888), der „neuen“ Malerei einen Namen zu geben: „Impressionismus“!
Er, Auguste Renoir, gehörte fest ihrem Kreis an, aber mehr als die anderen, war er den „alten Franzosen“ verpflichtet. Beeinflussten ihn in seinen frühen Jahren Gustave Courbet (1819 – 1877) und Eugene Delacroix` (1778 – 1863) fühlte er sich in den Motiven und Stimmungen der Rokokomalerei viel näher.
Pierre-Auguste Renoir (1841–1919)
Frau mit Fächer, ca. 1879
Öl auf Leinwand
65,4 x 54 cm
The Clark Art Institute, Williamstown
Foto: Image courtesy Clark Art Institute. clarkart.edu
Der technische Fortschritt machte vor Frankreich nicht halt, Paris erlebte einen nie dagewesene Bauboom, Fabriken entstanden und veränderten das gesellschaftliche Leben. Angeregt, angetan von dem Fortschritt malte Claude Monet 1877 z.B.den „Bahnhof Saint Lazare in Paris“ mit der Ankunft eines Zuges, nicht so Auguste Renoir! Er schaute, vielmehr sehnte sich zurück in das beschauliche, fröhliche und liebenswürdige Leben von vor der Revolution. Er begeisterte sich an fröhlichen Szenen am Biertisch, war Zeuge beim Tanz in den Biergarten oder hielt die Ruderfreunde am Ufer der Seine fest.
Pierre-Auguste Renoir (1841–1919)
Nach dem Mittagessen (La fin du d jeuner), 1879
Öl auf Leinwand
100,5 x 81,3 cm
Städel Museum, Frankfurt am Main
Foto: Städel Museum, Frankfurt am Main
Viele, viele Porträtaufträge waren zu bewältigen, aber ein Motiv reizte ihn in allen seinen Lebensphasen bis zum Ende: die Darstellung des Weiblichen, der Frau, in ihren unergründlichen Formen, ihren Posen, in ihrer Eleganz und betörenden Anmut. Die Wege zu Fragonard, Boucher und Watteau, ja zu Rubens konnten nicht kürzer sein. Sein freies Spiel in Form und Farbe, frei von den Spannungen seiner Zeit lenkte über zu den verspielten Werken seiner französischen Vorgänger. Ungebunden, ja gelöst näherte er sich seinen Motiven und erreichte eine nur ihm eigene bewundernswerte Natürlichkeit.
Welche Eleganz, Anmut und Achtung vor dem Weiblichen umfängt uns, beobachten wir seinen „Spaziergang“ von 187. Abgesehen von der aus heutiger Sicht beneidenswerten Galanterie des Herrn entzückt das weite, mit zahllosen mehrfarbigen Pinselstrichen gewebte weite Kleid der Dame. Renoir hatte ein Vorbild, die „Einschiffung nach Kythera“, der Liebesinsel der griechischen Mythologie. In der Pariser Fassung von 1717 ließ es sich Antoine Watteau nicht nehmen, die sehnsüchtig zurückblickende Dame in der Mitte des Bildes durch eine galante Geste des Begleiters auf die Einschiffung nach Kythera vorzubereiten.
Pierre-Auguste Renoir (1841–1919)
Der Spaziergang, 1870
Öl auf Leinwand
81,3 x 64,8 cm
The J. Paul Getty Museum, Los Angeles
Foto: Digital image courtesy of the Getty’s Open Content Program
Naturmotive waren im 18. Jahrhundert so beliebt wie 100 Jahre danach bei impressionistischen Malern. Gefielen die einen mit tanzenden Figuren in erdachten Ideallandschaften, demonstrierten die anderen ihre Liebe zur Natur, indem sie Ausflüge, Kahnfahrten und Spaziergänge colorierten.
Auch schaukelnde Damen inspirierten beide Malergilden. Schiebt der verliebte Jüngling bei Jean- Baptiste Pater (1695 – 1736) seine Verehrte liebevoll an („Ländliches Fest“ um 1725/35), schwingt die Dame bei Jean-Honore Fragonard mit wehendem, gehobenen Rock auf ihrer Schaukel („Die Schaukel“ um1767/68). Frivole Interpreten deuten auf den Fingerzeig des unterhalb sitzenden Verehrers, aber besser, man erfreue sich an der mit genialer Leichtigkeit gezauberten berauschenden Natur, die das Bild einzigartig macht. Und Renoir? Die Schaukel ruht noch („Die Schaukel“ 1876), wer von den beiden Herren wird sie später anschieben dürfen? Man diskutiert noch!
Jean-Baptiste Pater (1695–1736)
Ländliches Fest, ca. 1725–1735
Öl auf Leinwand
49,5 x 59,1 cm
Städel Museum, Frankfurt am Main, Foto: U. Edelmann
Pierre-Auguste Renoir (1841–1919)
Ruderer bei Chatou, 1879
Öl auf Leinwand
81,2 x 100,2 cm
National Gallery of Art, Washington, D.C., Gift of Sam A. Lewisohn
Foto: Courtesy National Gallery of Art, Washington
Francois Boucher wurde der „Maler der Grazien“ genannt. 1742 beobachtete er, als Diana nackt dem Bade entstieg. Er hielt es in einer sehr sinnlichen Weise fest. Dieses Bild ließ Auguste Renoir nicht mehr los. Bis zu seinem Lebensende befasste er sich mit dem Akt der Frau, häufig in der Natur sitzend oder beim Baden in freier Natur.
Francois Boucher (1703–1770)
Ruhendes Mädchen (Louise O Murphy), 1751
Öl auf Leinwand
59,5 x 73,5 cm
Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, K ln
Foto: Rheinisches Bildarchiv, www.museenkoeln.de/rba.de
Pierre-Auguste Renoir (1841–1919)
Weiblicher Akt in einer Landschaft (Femme nue au paysage), 1883
Öl auf Leinwand
65 x 54 cm
Musee de l’Orangerie, Paris, Jean Walter and Paul Guillaume Collection,
Foto: RMN-Grand Palais (mus e de l’Orangerie)/Franck Raux
Auguste Renoir hat im Laufe seines Lebens seine Malweise variiert, selten aber die Motive. Was immer blieb, war seine spielerische Natürlichkeit.
Julius Meier-Graefe (1867 – 1935) schrieb in seiner Monografie „Auguste Renoir“:
Die Ausstellung im Städel-Museum, Frankfurt stellt die komplexe Rezeptionsgeschichte des Rokoko im 19. Jahrhundert in Frankreich vor. Durch treffende Gegenüberstellungen der Kunst Renoirs mit Werken des 18. Jahrhunderts sowie seiner Zeitgenossen – Edgar Degas, Édouard Manet, Claude Monet oder Berthe Morisot und anderer – entsteht ein Einblick in die vielschichtige Auseinandersetzung mit dem Rokoko im Impressionismus.
Julius Meier Graefe sinnierte weiter:
Schrieb sie Auguste Renoir?
Man müßte ins Städel gehen …! Öffnungszeiten DI, Mi, Fr, Sa, So 10:00 – 18:00 Uhr
Do 10:00 – 21:00 Uhr
„Renoir. Rococo-Revival“
2. März – 19. Juni 2022
Städel-Museum Frankfurt am Main
Schaumainkai 63,
60596 Frankfurt am Main
Telefon: 069 605098200
Service unter
https://www.staedelmuseum.de