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DONATELLO. Erfinder der Renaissance. Gemäldegalerie Berlin

Donatello. Erfinder der Renaissance, Ausstellungsansicht, Gemäldegalerie 2022, © Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker

 

Das italienische Universalgenie Leon Battista Alberti (1404 – 1472) schrieb 1435 im Prolog seines Traktates „Über die Malerei“: 

„Maler, Bildhauer, Architekten, Musiker, Mathematiker, Rhetoren, Auguren und ähnlich edle und staunenswerte Köpfe sind heute entweder sehr selten oder wenig lobenswert. … Als ich aber aus dem langen Exil … in meine unter anderen Ländern hervorragende Heimat zurückkehrte, da begriff ich erst im Umgang mit dir, Filippo Brunelleschi, aber auch im Umgang mit vielen anderen, wie unserem guten Freund, dem Bildhauer Donatello oder mit Ghiberti, Luca delle Robbia und Masaccio, das es in jeder lobenswerten Kunst auch heute jemand gibt, der den Vergleich mit den berühmten Künstlern des Altertums nicht scheuen muß. “
„Welt der Renaissance“, Verlag Galliani Berlin, MMXX, S. 129/130

Donato di Nicolo di Betto Bardi (1386 – 1466), genannt Donatello gehörte bereits zu Lebzeiten zu den ganz Großen der italienischen Kunst des Quattrocento. Die aktuelle Ausstellung in der Gemäldegalerie des Berliner Kulturforums formuliert es sogar so „Donatello. Erfinder der Renaissance“. Ehrfürchtig stehen wir vor den Werken dieses Genies und es gleicht einer Sensation, wenn die Staatlichen Museen zu Berlin mit der Fondazione Palazzo Strozzi, Florenz, den Musei del Bargello, Florenz und dem Victoria & Albert Museum, London Donatello erstmalig in Deutschland eine eigene Ausstellung mit einer großen Auswahl seiner Werke widmen. 

Donatello, Maria mit dem Kind (Pazzi-Madonna),
ca. 1422, Marmor,
© Staatliche Museen zu Berlin,
Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst /
Antje Voigt

So ganz hatten es die Italiener nie vergessen, dass ihr Land und ihre Hauptstadt vor vielen Jahren das kulturelle und gesellschaftliche Zentrum der Welt gewesen waren – die Zeit der Antike. Schon im 14. Jahrhunderte bahnten sich neue Entwicklungen an, neue Handelswege entstanden, selbstbewusste Bürger entwickelten ihre Städte, Fürsten und Adel verließen ihre Burgen und repräsentierten sich in den Ballungen. In vielen europäischen Zentren waren Universitäten gegründet worden, deren Forschungen ungeahnte Erkenntnisse erbrachten, die in allen Bereichen neue Möglichkeiten erschlossen. Gutenberg erfand den Buchdruck, große Schiffe erlaubten die Überquerung der Weltmeere, das geozentrische Weltbild der Kirche musste dem heliozentrischen weichen. Der Zusammenbruch des ehemaligen oströmischen Reiches von Byzanz, durch die Eroberung Konstantinopels, ließ viele Gelehrte nach Italien flüchten, die in ihrem Gepäck antikes Wissen, Ideen und Vorstellungen hatten. All das führte zwangsweise zu einer Erweiterung des Horizontes, die Gedankenwelt der Menschen konzentrierte sich auf das Irdische, ihre eigene Existenz rückte in den Mittelpunkt des Interesses

Eine eher kleine, gebildete Elite, bestehend aus Wissenschaftlern, Handwerkern, Künstlern, auch maßgeblichen Vertretern des Adels formten eine Weltanschauung, die sich mit dem Wesen und dem Sinn der menschlichen Existenz beschäftigte – dem Humanismus. Gefühlsmäßig erahnten schon früh Architekten und bildende Künstler (Giotto di Bondone!), zunehmend in Zünften organisiert, den heraufziehenden Wandel, sie waren es auch, die zum Motor und sichtbaren Ausdruck dieser kulturellen Bewegung wurden. Über 200 Jahre dominierte ein selbstbewusster, interessierter und an der Antike orientierter Mensch alle Gesellschaftsbereiche. Unangefochtenes Zentrum der „Rinascita-Wiedergeburt“ war Florenz, wo sich neben Venedig und auch Rom die genialsten Köpfe der Literatur (Dante), der Kunstmaler (Leonardo da Vinci, Michelangelo, Raffael u.a.), Bildhauer (Donatello u.a.) und Architekten (Brunelleschi u.a.) trafen und wirkten. 

Donatello, Amor-Attiis, Vorderansicht, um 1435–40,
Bronze, teilweise vergoldet,
© Museo Nazionale del Bargello, Firenze,
mit Genehmigung des Ministeriums für Kultur /
Bruno Bruch

 

 

Das Neue, das im Zentrum stehende Individuum mit all seiner Einzigartigkeit, seinem Wesen, seiner Schönheit, Kraft und Gebrechlichkeit fand seine Anerkennung und Begründung in philosophischen Arbeiten (z.B. von Giovanni Pico della Mirandola) und sein Abbild in der Kunst. Dabei folgten die Künstler in ihrer Darstellung dem neuen Schönheitsideal, einem lebensbejahenden Menschenbild, das sie nach umfangreichen Studien der Anatomie, eigenhändigen Sektionen so wirklichkeitstreu in Bildern oder Skulpturen verwandelten, dass wir bis heute staunend und bewundernd davor stehen .

Bahnbrechend waren die Studien von Filippo Brunelleschi (1377 – 1446) zur Zentralperspektive, die es den Künstlern der Renaissance (Masaccio) erstmalig in der Geschichte erlaubten, ihre Bilder und Reliefs räumlich darzustellen. Verkürzungen der Extremitäten, Fluchten in die Perspektive, Distanz von Personen waren ab sofort möglich.

Donatello zählte neben Michelangelo (1475 – 1564) zu den bedeutendsten und vor allem einflussreichsten Bildhauern in dieser ereignisreichen, sich ständig neu erfindenden Zeit der Renaisance. Um 1386 in Florenz geboren, begann er die Ausbildung in der Werkstatt Lorenzo Ghibertis (1378 – 1455)  während der Arbeiten an den Bronzetüren des Babtisteriums und wirkte außerdem in der Florentiner Dombauhütte. Schon in diesen jungen Jahren lernte er die verschiedensten Kunsttechniken beherrschen, Goldschmiedearbeiten wechselten mit ersten Skulpturen aus Marmor. Kreative Veränderungen, immer auf der Suche nach Neuem begleiteten ihn ein Leben lang, …

… waren es neue Formen oder neben Marmor und Bronze alternative Materialien wie Sandstein, Terrakotta oder Holz.

 

 

 

 

Donatello, Maria mit dem Kind (Cherubim-Madonna), um 1440–45,
Terrakotta, ehemals bemalt,
© Staatliche Museen zu Berlin,
Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst /
Antje Voigt

Entscheidend für sein künstlerisches Verständnis wurde die Kenntnis antiker Skulpturen, die er vor allem in Rom kennenlernte, aufnahm und nach seinem Verständnis weiterentwickelte. Zunehmend bediente er sich antiker Elemente in seinen Flachreliefs oder in den nackten Engelknaben, den „spiritellis“. Sie zierten religiöse Werke, wie in der Sängerkanzel des Florentiner Doms, aber auch profane Arbeiten wurden mit ihnen geschmückt. 

 

 

 

 

 

Donatello, Tanzender Spiritello, 1429, Bronze,
© Museo Nazionale del Bargello, Firenze,
mit Genehmigung des Ministeriums für Kultur /
Bruno Bruchi

Donatello. Erfinder der Renaissance. Berlin. Kulturforum. Gemäldegalerie.

Zahlreiche Madonnen in immer wieder neuen Ausführungen und lebensgroße Skulpturen gehörten zu seinen bevorzugten Themen. Der 1408/09 und 1416 aus Marmor geschaffene „David“ für einen Strebepfeiler im Chor belegt Donatellos Begeisterung für die Antike. Gewand und Frisur könnten auch einen Römer zieren. Das Gesicht formte er nach seinen Vorstellungen, nicht nach einer konkreten Person. Stolz und Gewißheit im Blick künden von seinem Sieg über Goliath.

 

 

 

 

Donatello, David, 1408-09 und 1416,
Marmor, Florenz, Museo Nazionale del Bargello,
Ausstellungsansicht Gemäldegalerie, © Staatliche Museen zu Berlin /
David von Becker

Neben den ausgestellten Arbeiten muss man sein berühmtestes Werk „David“ von 1440 erwähnen. Es ist eines der bedeutendsten Werke der Renaissance, ja der Kunstgeschichte überhaupt.

Erstmals seit der Antike schuf Donatello eine lebensgroße Aktfigur (Höhe 1,53 m), die von allen Seiten gleichermaßen durchgestaltet ist und sich damit von der Architektur löste. Die Oberfläche der Bronzefigur ist fein poliert und zeigt sogar Details wie Körperfalten an Hals und Achseln. Die Natürlichkeit des jugendlichen Körpers, seine sinnliche Erotik, seine graziöse Haltung begeisterten schon die Zeitgenossen. Donatellos Kunst, seine Gestalten mit seinen Augen zu sehen und mit der ihnen eigenen Persönlichkeit als Individuum darzustellen, findet hier in nie dagewesene Weise ihren Ausdruck.

Donatello, Kruzifix, 1443/44–1448/49, Bronze,
Basilika von Sant’Antonio, Hochaltar
(Delegazione Pontificia Ente Basilica di Sant’Antonio in Padova, Museo Antoniano),
Ausstellungsansicht Gemäldegalerie,
© Staatliche Museen zu Berlin /
David von Becker

 

 

 

Donatello arbeitete über sechzig Jahre lang an unzähligen öffentlichen und privaten Aufträgen. Wesentliche Stationen neben Florenz waren Prato, Siena, Neapel und vor allem Padua. Hier wirkte er über 10 Jahre. Der Hochaltar der Basilika des Hl. Antonius, ein großes Kruzifix und das gewaltige Reiterstandbild des Gattamelata zeugen bis heute davon.  

Donatello sah in der antiken Kunst sein wahres Vorbild, seine Reise nach Rom gemeinsam mit Filippo Brunelleschi wahrscheinlich schon in jungen Jahren hatte ihn für diese Kunst begeistert und fasziniert. Selbstbewußt griff er Elemente dieser antiken Kunst auf, um sie mit seinem immensen Können, seinem realistischem Blick voraussehend zu übertreffen. Beispielsweise erzählen die Figuren und Personen in seinen Reliefdarstellungen an den Bronzekanzeln in der Kirche zum Hl. Lorenz in Florenz oder der Sängerkanzel im Florentiner Dom ihre Geschichten in einer vorher nie dagewesene Vitalität und Lebensnähe.
Donatellos Werk zeigt auch mittelalterliche Stileinflüsse, häufiger aber sieht man Tendenzen, vor allem in seinem Spätwerk, die in die Zukunft weisen.

Treffend formuliert daher der Kurator dieser grandiosen Ausstellung Neville Rowle zur Frage „Was ist die italienische Renaissance? 

„Anstatt nach einer allgemeingültigen Definition der italienischen Renaissance zu suchen, scheint es aufschlussreicher, den biografischen und künstlerischen Weg eines der Protagonisten der Erneuerung der Künste in Italien zu beleuchten, den von Donato di Niccolò di Betto Bardi, genannt Donatello.“

 

… und wie war Donatello als Mensch? Darüber wissen wir nur wenig, vielleicht hilft diese Anekdote: :

„Nicht um der Liebe Gottes willen, sondern weil du bedürftig bist. Das sagte Donatello zu einem Armen, der ihn um der Liebe Gottes willen um ein Almosen gebeten hatte. “
„Welt der Renaissance“, Verlag Galliani Berlin, MMXX, S. 322

Staatliche Museen zu Berlin
Preußischer Kulturbesitz

Donatello. Erfinder der Renaissance
2. September 2022 bis 8.Januar 2023
Kulturforum Berlin – Gemäldegalerie
Matthäikirchplatz
10785 Berlin

Öffnungsazeiten
Di,Mi,Fr,Sa und So 10 – 18:00 Uhr
Do 10 – 20:00 Uhr
Mo geschlossen

Veranstaltungen unter
https://www.smb.museum/museen-einrichtungen/gemaeldegalerie/veranstaltungen/

 

 

Donatello in den Nischen der Uffizien-Kolonnade in Florenz/
M.Neubauer