Viel zu früh! Mit nur 37 Jahren starb Raffaello Santi, genannt Raffael, am 6. April 1520 in Rom (1483 – 1520). In diesen wenigen Jahren Lebenszeit hinterließ er ein unglaublich umfangreiches, vielseitiges Lebenswerk. Als Maler mit einer großen Mal-Werkstatt und angeschlossener Malschule, als Bauleiter, als Architekt und als Konservator der römischen Antike schuf er Kunstwerke von unerreichbarer Größe. Raffael ist neben Leonardo da Vinci und Michelangelo der bedeutendste Maler der Hochrenaissance, als der er sich etwa in der Zeit von 1500 bis zu seinem Tod in Florenz und Rom entwickeln konnte. Genannt seien nur die berühmten »Stanzen« im Apostolischen Palast oder die großartigen Fresken in der Villa Farnesina, beides in Rom.
Raffael
Öl auf Pappelholz, D: 88,7 cm
Copyright Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie / Jörg P. Anders
Raffael hat vor allem seit seiner Florentiner Zeit immer wieder Madonnen mit dem Kind gemalt, als Porträt, sitzend oder als Halbfigurenbilder, mit anderen Figuren der kirchlichen Geschichte, oft mit Accessoires in der Hand, die dem Bild den Namen geben (ein Buch, ein Vogel – »Stieglitz« oder eine Blume – »Nelke«). Raffael, der Madonnenmaler!
Raffael
Öl auf Pappelholz, 54,3 x 40,6 cm
Copyright Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie / Jörg P. Anders
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts übten seine Werke eine große Wirkung auf die romantisch geprägte Kunststimmung besonders in Deutschland aus. Im Potsdamer Orangerieschloss ließ Friedrich Wilhelm IV. einen Raffaelsaal erbauen. Hier ergänzte er die von seinem Vater bereits gesammelten 50 Kopien von Raffaels Gemälden um weitere. Auch das Königliche Museum zu Berlin (heute Altes Museum) hatte sich erfolgreich bemüht und erwarb neben kostbaren Tapisserien, die später ins Bode-Museum kamen, mehrere Madonnenbilder. Es ist also gut verständlich, dass sich die Berliner Kunstsammlungen zum 500. Todestag von Raffael zu einem umfangreichen Gedenken und Würdigen seiner Kunst entschlossen haben.
Mit der Ausstellung »Raffael in Berlin. Die Madonnen der Gemäldegalerie« hat es begonnen. Sie ist bis zum 26. April 2020 zu sehen. Es folgen »Meisterwerke aus dem Kupferstichkabinett« vom 28. Februar bis zum 01. Juni 2020 im Kupferstichkabinett. Gespannt darf man auch auf die dritte Präsentation sein: Der Künstler Johannes Riepenhausen (1787 – 1860) überarbeitete frühere Radierungen zum Leben Raffaels, illustrierte sie und brachte sie mit italienischen Bildunterschriften als 12-teiligen Zyklus 1833 in Rom heraus. Die 2 Jahre später erschienene deutsche Ausgabe ist vom 14. Januar bis zum 26. April 2020 im Kabinett in der Gemäldegalerie der Berliner Kunstsammlungen zu genießen, »Das Leben Raffaels. Zwölf Radierungen von Johannes Riepenhausen«.
Die Ausstellung »Die Madonnen der Gemäldegalerie« (s.o.) fokussiert in einer sehr persönlichen Kabinettausstellung 6 Madonnenbilder Raffaels, die normalerweise in verschiedenen Räumen oder Museen gezeigt werden und bisher nie zusammentrafen. Drei ergänzende Gaben aus dem Kupferstichkabinett zeigen einmalig eine fragmentarische Vorzeichnung zu einem der dargestellten Gemälde (»Madonna Terranova«).
Raffael
Zeichnung auf Papier, 18,1 x 14,9 cm
Copyright Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett / Dietmar Katz
Ein besonderes Highlight stellt das von der National Gallery London zur Verfügung gestellte Bild »Madonna mit den Nelken« aus dem Jahr 1507 dar. Es war noch nie außerhalb Londons zu sehen. Gern hätten die Preußen es seinerzeit erstanden, aber es war zu teuer und wurde von einem Duke of Northumberland erworben.
Die Berliner Madonnen stammen aus der frühen Schaffenszeit Raffaels. Drei der gezeigten Gemälde entstanden noch in Perugia unter der Ägide seines Lehrmeisters Pietro Perugino. Ende 1504 wechselte er nach Florenz, wo er sich zwischen Michelangelo und Leonardo da Vinci behaupten musste, aber dabei viel lernen konnte. Hier malte er die übrigen Bilder.
Raffael war ein Genie! Natürlich forderte die Kirche immer wieder auf, Themen aus ihrem Themenkreis zu malen, ihre Macht zu zeigen und vor allem zu stärken. Aber Raffael verstand es, in seinen Bildern so viel Reales, so viel Menschliches zu transferieren, dass wir noch heute jedes seiner gemalten Gesichter, die dargestellten Hände oder Gesten als einen Ausdruck von Schönheit und Harmonie wahrnehmen können. Das fällt uns mit unserem heutigen »Schönheitsideal« oder unserem modernen Kunstblick oft nicht leicht.
Copyright Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie / David von Becker
Aber wenn man sich die Zeit nimmt (der intime Charakter der Ausstellung lädt geradezu dazu ein!), sollte allein die Perfektion von angewendetem Licht und Schatten, die Kunst, wie sich unter der Hülle des Kleides oder der Bluse die Körper erahnen lassen, oder wie natürlich sich ein Kissen unter dem aufsitzenden Kind faltet und formiert, Lust auf einen Besuch in der Ausstellung machen. Dabei wirken die Gemälde bei aller aufwendigen Arbeit leicht und mühelos. Allein das herrliche Bild »Madonna mit den Nelken« steht dafür.
Raffael
Öl auf Eibenholz, 27,9 x 22,4 cm
Copyright The National Gallery, London
Bought with the assistance of the Heritage Lottery Fund, The Art Fund (with a contribution from the Wolfson Foundation), the American Friends of the National Gallery, London, the George Beaumont Group, Sir Christopher Ondaatje and through public appeal, 2004
Es ist eine große Freude, besonders in unserer Zeit, diese Szenen von Schönheit und Ebenmaß zu genießen. Dabei wissen wir, Raffael war nicht nur ein Madonnenmaler. Sein Können breitete sich immer weiter aus. Rom wäre nicht Rom, hätte es ihn nicht gegeben.
Nicht nur Giorgio Vasari feierte Raffael schon zu dessen Lebzeiten als den nahezu »göttlichen« Künstler, auch heute nach 500 Jahren sollten wir seine Sendung mit Andacht und Freude empfangen.
»Raffael in Berlin. Die Madonnen der Gemäldegalerie«
Bis 26. April 2020
Kunstsammlungen Chemnitz
Museen zu Berlin
Kulturforum, Gemäldegalerie
Matthäikirchplatz
10785 Berlin
Öffnungszeiten:
Di, Mi, Fr 10 bis 18 Uhr
Do 10 bis 20 Uhr
Sa, So 11 bis 18 Uhr
Mo geschlossen
Informationen über Vorträge und Führungen findet man unter service@smb.museum und auf der Website www.smb.museum.