A.R. Penck »Ich aber komme aus Dresden«
(check it out man, check it out)
Die erste Ausstellung mit Arbeiten A.R. Pencks in Dresden war 1992. In einer Laudatio vom 04.09.1992 schrieb Hans Joachim Müller in ZEITonline:
»Bei Penck … gebe es eben keine Aufarbeitung der Vergangenheit. Weil er sie schon aufgearbeitet habe, als sie noch Gegenwart gewesen sei.«
A.R. Penck
Öl auf Pappe, 42,3 x 30 cm
Privatbesitz
© VG Bild-Kunst Bonn, 2019, Foto: Städtische Galerie Dresden – Kunstsammlung, Museen der Stadt Dresden, Franz Zadniček
Und deshalb musste er gehen. Sein Land, die DDR, wollte ihn nicht, weil er mit seiner Kunst all deren Missstände, die ideologischen Engen und Dogmen gnadenlos anprangerte.
Möglichkeiten, seine universellen Talente zu schulen, wurden ihm verwehrt. Lediglich ein richtungsweisender Mal- und Zeichenkurs bei Jürgen Böttcher, bekannt als »Strawalde« in einer Dresdner Volkshochschule und eine Ausbildung zum Werbezeichner in den fünfziger Jahren bahnten seine Lust am kreativen Malen.
1939 in Dresden als Ralph Winkler geboren empfand er zunächst die Errichtung eines »Arbeiter- Bauern-Staates« nach 1949 als modern und zukunftsträchtig. Aber dieser vertrug keine Kritik, so dass sich das Verhältnis sehr schnell wandelte.
A.R. Penck
Zeichnungen in Tusche, 21,5 x 16 cm
Seite 215
Privatbesitz
© VG Bild-Kunst Bonn, 2019, Foto: Städtische Galerie Dresden – Kunstsammlung, Museen der Stadt Dresden, Franz Zadniček
Kunstschulen, Kunstverbände, offizielle Ausstellungsplätze wurden ihm versagt, so dass ihm nur die anonyme Illegalität blieb, in der er sich mit wechselnden Namen schützte. Er blieb, um die beklemmende Realität in zahlreichen Werken darzustellen. Einfache Gelegenheitsarbeiten und eine gute Portion Optimismus halfen ihm zu überleben. Gewappnet mit klaren Überzeugungen scharte er Gleichgesinnte um sich, wurde Initiator einer avantgardistischen, vom Staate akribisch verfolgten, »Gegenkunst« zur offiziellen Linie. Stellvertretend sei die Künstlervereinigung »Lücke« genannt, die er 1973 mit Steffen Terk, Wolfgang Opitz und Harald Gallasch in Dresden gründete.
LÜCKE TPT (Harald Gallasch, Wolfgang Opitz, A.R. Penck, Terk)
Acryl auf rotem Stoff, 143 x 149 cm
Privatbesitz Berlin
© VG Bild-Kunst Bonn, 2019
Gemeinsam mit Eberhard Göschel und Peter Herrmann und weiteren nutzte er das Energiepotenzial der »Lücke«, der Aktionen des Dresdner Leonhardi-Museums und gründete 1978 die Dresdner Obergrabenpresse, Künstlervereinigung und Druckwerkstatt zugleich (Penck »Vom Untergrund in den Obergrund«). Jede dieser Aktionen war bei zunehmender Vereisung der Gesellschaftsordnung gefährlich, verlangte den vollen Einsatz aller Beteiligten, … und keiner ahnte, dass es je ein Jahr 1989 geben würde.
A.R. Penck
Öl auf Nessel, 130 x 175 cm
MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Sammlung Ströher
© VG Bild-Kunst Bonn 2019, Foto: Kunstmuseum Bonn, Reni Hansen
Je beachteter – der Westen schaute mittlerweile immer gieriger auf diese neue Kunst aus dem Osten – desto zupackender wurde die vielgliedrige Krake der Stasi für A.R. Penck. 1980 war es soweit, ein Leben in der DDR war nicht mehr möglich, er wurde ausgebürgert.
Obwohl die Verhältnisse in Dresden, in der DDR verhasst zurückgelassen wurden, war das Finden einer neuen Heimat nicht einfach. Künstlerisch überaus anerkannt fand er erst nach Stationen in Köln, Paris, London und Dublin 1988 die ihm auch offiziell gebührende Würdigung als Professor an der Kunstakademie Düsseldorf. Zahlreiche Ausstellungen begleiteten ihn auf diesem Weg, u.a. mehrere Teilnahmen an der »documenta« in Kassel.
A.R. Penck
Öl auf Hartfaserplatte/Oil on hardboard panel, 180 x 260 cm
Leihgabe Ludwig Stiftung/Loan Ludwig Foundation
1986, ML 01432
© VG Bild-Kunst Bonn 2019, Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln, rba_d047242
Die aktuelle Ausstellung »Ich aber komme aus Dresden« konnte nicht besser terminiert sein. Nicht nur der 80. Jahrestag des 2007 in Zürich verstorbenen Künstlers, sondern auch die 30jährige Wiederkehr der innerdeutschen Grenzöffnung fordern geradezu die Aufmerksamkeit für A.R Penck heraus. Kaum ein anderer Künstler verkörpert mit seiner aktiven, klar meinungsbildenden Arbeit sowohl im Osten als auch im Westen an der Leinwand, am Schlagzeug oder hinter einer Kamera das deutsch-deutsche Drama nach dem 2. Weltkrieg.
Zeigte er 1992 in Dresden aktuelle Arbeiten dieser Zeit, präsentiert das Albertinum jetzt vornehmlich Kunst Pencks, die er vor 1980 schuf.
Häufig wird A.R. Penck als der »Maler der Strichmännchen« bezeichnet, als moderner Höhlenmaler. Auf den ersten Blick bestätigend wird diese Meinung seinen Arbeiten nicht gerecht. Ja, er malte, schrieb und deklamierte spontan, ohne Vorlage und Korrektur so, dass der zufällige Betrachter innehielt, sich angesprochen fühlte und beim 2. Blick, wenn er wollte, Sinn und Aussage der bösen Geister, der wirrenden Linien, der aufs Einfachste reduzierten Körper, der wilden Tiere als Zeichen der Bedrängnis, Einsamkeit, Beschränktheit im DDR-Alltag erkannte. Der sozialistische Staat brauchte Künstler, die seinem vorgelegten »sozialistischen Realismus« folgten. Die überzogen wirklichkeitsnahe, gewollt optimistische Darstellung konnte als Reaktion nur eine non-konforme, z.T. abstrakte und spontane Gegenkunst hervorrufen.
So wie A.R. Penck die Welt verstand, brachte er sie uns schon 1965 in dem Bild »Großes Weltbild« näher: Ob wir wollen oder nicht, wir alle sind auf dieser Welt miteinander verbunden, keine Zeit veranschaulicht es besser, als die heutige. Folgen wir seinen Linien, Strichen und Kontakten.
A.R. Penck
»Ich aber komme aus Dresden«
Vom 5. Oktober 2019 bis 12. Januar 2020
Staatliche Kunstsammlungen Dresden
Albertinum, Salzgassenflügel
Öffnungszeiten:
täglich, außer montags 10 bis 18 Uhr
Weitere Informationen über die Website der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden.