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Faszination Rom – 
Maarten van Heemskerck zeichnet die Stadt – Rezension des Kataloges

Der Katalog zur Ausstellung
Eine Rezension
Foto: Michael Neubauer

Am 23. Mai 1532 brach Maarten van Heemskerck (1498 – 1574) vom niederländischen Haarlem auf, um nach Italien, nach Rom zu reisen. Maarten hatte sich in seinen jungen Jahren in der für hervorragende Maler bekannten Stadt bereits Achtung und Anerkennung erworben. Wer in Haarlem als Maler tätig sein wollte, dessen Patron der hl. Lukas ist, musste Mitglied der Lukasgilde sein. So war es eine große Geste, dass Maarten als Anerkennung für seine Mitarbeiter, zum Abschied, zur Erinnerung und als Fürsprache bei Gott für diese große Reise seinen Lukasbrüdern das Gemälde „Lukasmadonna“ hinterließ. Das Gemälde zeigt, wie der heilige Lukas die Madonna malt; Lukas, dem ein efeubekränzter Jüngling, gar Maarten van Heemskerck selbst (?), den Pinsel führt. Dieses Bild belegt Maartens Liebe, für die in der Spätrenaissance übliche „Manier“ zu malen, die er in den Jahren seiner Mitarbeit in der Werkstatt Jan van Scorels (1495 – 1562) ausübte. Jan van Scorel war es auch, der nach eigenen Erfahrungen den Weg und erste Verbindungen für die Reise nach Rom für Maarten herstellte.
Sie waren ihrer Zeit voraus, denn Reisen zur Bildung, zum Kennenlernen anderer Künstler, reine „Künstlerreisen“ waren bis dahin nicht üblich gewesen. Auch die Intensität, der Fleiß, die Kreativität bei der Umsetzung seiner römischen Erfahrungen und Sichten sind einmalig. Der Dichter, Schriftsteller, Maler und Zeichner Karel van Mander (1548 – 1606) schrieb in seiner kunsthistorischen Publikation „Maler-Buch“ (Schilder-Boeck) 1604 über Maarten:

„Er hat seine Zeit auch nicht verschlafen, noch bei den Niederländern mit Saufen und dergleichen totgeschlagen, sondern eine große Menge von Dingen, sowohl antike Bildwerke als Schöpfungen Michelangelos abgezeichnet. Auch zeichnete er viel Ruinen und sonstige zu Beiwerk verwendbare Dinge, sowie allerlei hübsche antike Einzelheiten, die in dieser Stadt, welche einer Mal-Akademie gleicht, im Überfluss zu sehen sind. Gewöhnlich, wenn gutes Wetter war, ging er in dieser Weise Zeichnen. “
Katalog „Faszination Rom“ HIRMER-Verlag 2024, S. 67

Maarten van Heemskerck zeichnete Rom während seines einmaligen, 5 Jahre währenden Aufenthaltes in all seinen Facetten. Neben wenigen Gemälden sind über 200 Zeichnungen erhalten, die sich auf 116 meist beidseitig verwendete Blätter verteilen.
Einmalig ist in der Kunstgeschichte auch, dass Maartens römische Zeichnungen in ihrem Verbleib über eine Zeit von 350 Jahren nach zu verfolgen sind. Vielen niederländischen und französischen Künstlern und Sammlern ist es im Laufe der Jahrhunderte zu verdanken, dass diese künstlerisch und zeithistorisch wertvollen Zeichnungen Maartens in großem Umfang erhalten sind. Sie stellen bis heute in der archäologischen und städtebaulichen Forschung Roms einen hohen dokumentarischen Wert dar, wobei sich Maarten die Entscheidung zwischen einer sachlich präzisen Darstellung und einer fantasievollen Inszenierung seiner Motive immer offen hielt.

1879 befanden sich die Zeichnungen, mittlerweile in ein Klebealbum eingefügt, in den Händen des französischen Architekten und Sammlers Hippolyte Destailleur (1822- 1893). Über den Ankauf durch das preußische Kultusministerium gelangte das wertvolle Konvolut 1886 zunächst an das Berliner Kunstgewerbemuseum und schließlich 1892 an das Kupferstichkabinett Berlin.

Maarten van Heemskerck war am 1. Oktober 1574 als reicher Mann gestorben. Er hinterließ dem Waisenhaus von Haarlem Geld und Land als Treuhand, mit Zinsen, die jährlich an jedes Paar gezahlt werden sollten, das bereit wäre, sich auf der Platte seines Grabes in der Kathedrale von Haarlem trauen zu lassen. Im katholischen Holland war man überzeugt, dass eine so gefeierte Hochzeit den Frieden der Toten im Grab sichern würde.

Art in Words, Newsletter zu Maarten van Heemskerck

Es ist im 450. Todesjahr des Künstlers Maarten van Heemskerck also glücklicherweise möglich, einmalig 170 Zeichnungen zu zeigen. Es ist weltweit die erste große Retrospektive zu diesem Künstler im Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin in Kooperation mit der Bibliotheca Hertziana – Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte. Ergänzt werden Maartens Zeichnungen durch ein zweites Skizzenbuch, das ebenfalls Zeichnungen aus dem 16. Jahrhundert eines unbekannten Malers, mit „Anonymus A“ betitelt, mit Motiven aus Rom und  Mantua enthält.

Die bis zum 04. August 2024 laufende Ausstellung wird von einem Katalog des Hirmer-Verlages, München begleitet, der an Umfang, inhaltlicher Tiefe, und exzellenter Bildwiedergabe keine Wünsche offen lässt.
Geographische Kenntnisse über Rom sind beim Studieren von Vorteil.
Die Beiträge des Kataloges umfahren die Kunst Maarten van Heemskercks umfassend.

 

 

 

 

 

Maarten van Heemskerck,
Titus-Bogen von Süden mit Durchblick zum Forum Romanum, um 1535,
Vorzeichnung in Bleigriffel, Feder in Braun,
© Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett /
Foto: Michael Neubauer

Der Katalog:

  • Beginnend mit der Haarlemer Malerei des späten 15. Jahrhunderts im Vergleich zu Gemälden des jungen Maarten lernt man Albert van Ouwater (1444 – 1475), Jan Mostaerts (1475 – 1555) oder Geertgen tot Sint Jans (1465 – 1495) kennen.
  • Es folgen Möglichkeiten, die Maarten nutzen konnte, um sich vor der Reise ein Bild von Rom zu machen. Es gab bildliche Gesamtdarstellungen Roms,  Beschreibungen der Stadt, der antiken Bauten und Kirchen, weniger ihr Aussehen, mehr ihre Funktion.
  • Ausführlich schildert der Katalog, wie man im 16. Jahrhundert mit der Postkutsche, auf einem Schiff oder gar zu Pferd von den Niederlanden nach Rom reiste.
  • Dann steht es im Mittelpunkt des Kataloges: das römische Werk Maarten van Heemskercks. Neben der Feder zeichnete der Künstler vor allem mit einem Rötelstein, seltener mit schwarzer Kreide. Der weiche, rote Rötelstrich gab den Konturen Geschmeidigkeit, Wärme. Er zeichnete alles, was er in Rom sah: Reste antiker Architektur, die Ruinen der Kaiserpaläste auf dem Paladin, die Tempel des Forum Romanum und der Kaiserforen, Thermen, Stadtmauern und Aquädukte, immer wieder das Kolosseum, Kapitelle, Platzansichten, Details der Bauten und vor allem antike Skulpturen, die er bei berühmten römischen Familien sah, vollkommen, dreidimensional, in Details, nur Köpfe, Arme, als Torso, oder gar Gewänder, Schuhe.
    Dabei mischte er Gegensätze. Er zeichnete Bauten, Landschaften gemeinsam mit einem Gefäß, einem Kleidungsstück, einem Schuh oder einem Kapitell  zusammen auf ein Blatt!
    Nur drei farbige Gemälde entstanden in Rom:
                 „Ruinenlandschaft mit dem Raub der Helena inmitten der Weltwunder der Antike“ von 1536,
                „Venus und Amor in der Schmiede“ von 1536 und
                „Venus und Mars in der Schmiede des Vulkans“ ebenfalls 1536.
  • Der Beitrag „Weitblick auf eine Großstadt“ erklärt Malweisen des Künstlers, Motivblicke, perspektivische Varianten.
  • Im Verlauf seines 5 jährigen Rom-Aufenthaltes ergaben sich Kontakte, Beziehungen, die Maarten ermöglichten, auch verborgene Höfe und Gärten reicher römischer Familien kennenzulernen, vor allem, um die dort stehenden Skulpturen zu sehen.
    Primär förderte ihn der niederländische Kardinal Willem van Enckenvoirt (1464 – 1534), während später der Kardinal Rodolfo Pio da Carpi (1500 – 1564) sein wichtigster Mäzen war.
    Epochale kirchen-politische Ereignisse (Papstwechsel) ereigneten sich in seiner römischen Zeit. Er lernte Mitglieder der Medicis kennen, traf Giorgio Vasari (1511 -. 1574) und Francesco Salviati (1510 – 1563) und ließ sich von Baccio Bandinelli (1488 – 1560) mit Arbeitsgeräten zum Zeichnen anregen. 1536 war Maarten dabei, als der triumphale Einzug von Kaiser Karl V. in die Stadt mit anderen Künstlern vorbereitet wurde.
  • 1537 kehrte Maarten nach Haarlem zurück und nahm seine künstlerische Maltätigkeit intensiv wieder auf. Dabei waren seine Romerfahrungen Inspiration und für viele Motive bestimmend.
  • Die Verwendung der Druckgraphik zur Vervielfältigung seiner Zeichnungen, restauratorische Maßnahmen, künstlerische Rezeption in der Folgezeit nach 1574 sowie das Mantuaner Skizzenbuch des „Anonymus A“ besprechen weitere Beiträge

Der Katalog zeigt in seinem letzten Teil vollständig alle ausgestellten Werke in Bild und Text – eine Fundgrube!
Foto: Michael Neubauer

Alle abgebildeten Zeichnungen und Gemälde, auch die anderer Künstler sind vom Verlag HIRMER beispielhaft dargestellt.
Bewundernswert sind am Beginn oder auch am Ende eines Beitrages vollseitig dargestellte Details von Maartens Zeichnungen.

 

 

 

 

Maarten van Heemskerck
Detail aus „Zwei Ansichten eines antiken Kopfes“
Vorzeichnung in schwarzer Kreide, Feder
135 x 211 mm
KAT. 26.23
© Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett /
Foto: Michael Neubauer

 

 

Der Katalog erscheint in deutscher und englischer Ausgabe im Hirmer Verlag. Dieser wurde ermöglicht durch die großzügige Unterstützung der Rudolf-August Oetker-Stiftung, der Bibliotheca Hertziana sowie durch Wolfgang Wittrock und Oskar Matzel.

Preis im Buchhandel 49,90 €

Zudem erscheint ein Faksimile des römischen Zeichnungsbuches von Maarten van Heemskerck im Hatje Cantz Verlag.

 

Faszination Rom
Maarten van Heemskerck zeichnet die Stadt
Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin
im Kunstforum Berlin
bis 04. August 2024