Ein Besuch der Kunsthalle Mannheim ist immer eine sehr gute Empfehlung. Sie wird für den Kunstfreund nahezu zum „Muss“, wenn „Max Liebermann, Max Slevogt und Lovis Corinth“ zu einer Präsentation in diesem Haus einladen.
Bis zum 20. November 2022 zeigt das Museum 150 Zeichnungen und Druckgraphiken der drei Künstler.
Foto: M.Neubauer
Die Sammlung geht auf den Gründungsdirektor der Kunsthalle Mannheim Fritz Wichert (1878 – 1951) zurück, der in seiner Tätigkeit von 1909 bis 1923 besonderes Augenmerk auf die französische Moderne, aber dabei auch auf die deutschen Impressionisten legte. Die Kunst der Franzosen um Claude Monet (1840 – 1926) und Pierre-Auguste Renoir (1841 – 1919) hatte ihren Zenit bereits überschritten, als sich in Deutschland die Moderne mit dem impressionistischen Gedankengut zu behaupten begann. Auch die Entwicklung dieser Stilrichtung war in beiden Ländern verschieden. Konzentrierte sich die Bewegung in Frankreich auf Paris, brachen die Franzosen konsequent mit den hergebrachten Regeln der starren akademischen Praxis, beachteten die deutschen Vertreter die bisherigen Regeln der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, aber entwickelten sie weiter. Übergänge vom Realismus und Naturalismus, ja Bezüge zu Romantik, zur holländischen Malerei und wenn man will zum Barock sind nachweisbar.
Foto: M.Neubauer
Aus der Alten Nationalgalerie in Berlin
Kaiser Friedrich Wilhelm IV. (von hinten)
Wenn man München als die Keimzelle des deutschen Impressionismus anerkennt, Berlin um 1900 immer mehr zum Zentrum dieser Stilrichtung wurde, so gab es deutschlandweit eine Reihe weiterer Künstler, die sich unabhängig voneinander dem Impressionismus zuwandten.
Max Liebermann (1847 – 1935), Lovis Corinth (1858 – 1925) und Max Slevogt (1868 – 1932) waren die bedeutendsten! Als sie sich in Berlin trafen, gemeinsam mit weiteren 60 Künstlern die Berliner Sezession 1899 gründeten, festigte sich die Bewegung zu einer anerkannten Kunstrichtung. Sie stemmten sich mit Erfolg gegen den starren akademischen Kunstbetrieb und die kaiserlichen Vorgaben.
Max Liebermann, Speisung armer Kinder, vor 1915,
Foto: Kunsthalle Mannheim / Kathrin Schwab
Wenige Striche reichen, um die Atmosphäre, die man spürt, wenn Kinder in der Schule, in einem Internat gemeinsam zum Essen sitzen, Disziplin und Ordnung garantiert die stehende Figur im Hintergrund.
Max Liebermann war kein rebellischer Künstler, sein Impressionismus betonte eher das Klassische mit Bezügen zur holländischen Malerei eines Frans Hals (1582 – 1666), aber auch zu Carl Blechen (1798 – 1840) oder Adolph Menzel (1815 – 1905). Letzterer widersprach zwar dem „Neuen“ („… ob sie für dieses Zeug wirklich Geld ausgeben …“), aber in seiner Jugend verfolgte er nahezu eigene „impressionistische Ideen“ („Balkonzimmer“, 1845) (aus Ketterer-Kunst). Liebermann, zwar aus einem jüdischen großbürgerlichen Milieu stammend, wählte anfangs Themen aus der einfachen Arbeitswelt z.B. die der Dienstmägde oder Stallknechte. Bedeutend waren seine Aufenthalte in Frankreich (Schule von Barbizon), vor allem aber in Holland, wo er über Jahrzehnte Kontakte zu Jozef Israels (1824 – 1911) und Johan Barthold Jongkind (1819 – 1891) unterhielt, die ihn für die Ideen des Impressionismus begeisterten. Neben dem Bild der einfachen Leute malte er die Natur an den Küsten Hollands, Freizeitmotive, Reiterbilder. Seßhaft in Berlin geworden, wurde er ein bedeutender Porträtist, widmete sich aber als Besitzer einer Villa im Grünen am Berliner Wannsee zunehmend Naturmotiven.
Max Liebermann, Feldarbeit,
Foto: Kunsthalle Mannheim/
Cem Yücetas
Bauern bei der Feldarbeit, mit wenigen, locker skizzierten Strichen, z.T mit Verdichtung der Strichintensität entsteht ein plastisches Bild dieser schweren Arbeit.
Lovis Corinth und Max Slevogt siedelten Ende der 1890iger Jahre nach Berlin über. Sie hatten eine Reihe von Jahren der Münchner Malerszene angehört. Einflüsse des Symbolismus und des Jugendstils zeigten sich, aber auch realistisch malende Künstler wie Wilhelm Leibl (1844 – 1900) und Hans Thoma (1839 – 1924) beeinflussten ihr Denken.
Lovis Corinth, Lesender Mann, 1882,
Foto: Kunsthalle Mannheim / Cem Yücetas
Dieses Bild malte Lovis Corinth in seiner Münchner Zeit unter dem Einfluss von Wilhelm Leibl und Wilhelm Trübner
Klare Linien und Konturen prägen die Figur in naturalistischer Weise,
blieb es unvollendet?
Auch Lovis Corinth war in Berlin ein geschätzter Porträtist, noch mehr ein Selbstporträtist. Ein Selbstporträt fertigte er an jedem seiner Geburtstage an. Seine Frau Charlotte Berend (1880 – 1967) porträtierte er 90 mal. Seine Bilder beherrschen eine extreme Mimik, leben von einer imposanten Vitalität, Zeichen ernstester innerlicher Befragung, die der flüchtigen Gleichgültigkeit des französischen Impressionismus, „Experimenten mit den Effekten von Licht und Farbe“ (Claude Monet), abgehen. 1911 traf Corinth ein Schlaganfall. Mühsame Genesung und die Bilder des Krieges wendeten seine Themenfelder. Landschaftsbilder, mythologische Themen, Stillleben füllten seine Leinwände, aber weiter in schönster farbiger Vitalität.
Lovis Corinth, Joseph und Potiphars Weib (Studie zum Gemälde), 1914, Foto: Kunsthalle Mannheim / Cem Yüceta
Bibel, Altes Testament Genesis 39
7 „Nach einiger Zeit warf die Frau seines Herrn (Potiphar) ihren Blick auf Josef und sagte „Schlaf mit mir!“
8 „Er weigerte sich …“
12 „Da packte sie ihn an seinem Gewande und sagte „Schlaf mit mir“ Er ließ sein Gewand in ihrer Hand und lief hinaus“
14 „…er ist zu mir gekommen und wollte mit mir schlafen: da habe ich laut geschrien.
19 „Als sein Herr (Potiphar) hörte, wie ihm seine Frau erzählte: So hat es Dein Sklave mit mir getrieben!, packte ihn der Zorn.
20 „Er ließ Joseph ergreifen und in den Kerker erbringen, …“
21 „Aber der Herr war mit Josef.“
Die Suche nach der „künstlerisch adäquaten Form für das beim Sehen Gefühlte“ sei, nach Max Slevogt, die Quelle des deutschen Impressionismus. In der Umsetzung erkennt man deutlich die deutsche Ernsthaftigkeit, weniger Licht, weiter gefasste Bildthemen und geschlossenere Bildformen. Es gehe nicht darum, das Sichtbare abzubilden, sondern die innere Welt dessen, der das Bild malt.
Max Slevogt, Königin der Nacht (aus dem Konvolut „Einfälle zur Zauberflöte“), 1920,
Foto: Kunsthalle Mannheim / Cem Yücetas
Schwungvoll erhebt sich die Königin der Nacht in dieser Aquarel-Studie vor ihrer Damenriege. In der dargestellten Leichtigkeit, nebelhaft aufsteigend, vernimmt man geradezu ihre zur Rache auffordernde Arie an ihre Tochter Pamina:„Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen“.
Als der Jüngste der drei Maler war Max Slevogt den impressionistischen Einflüssen der Franzosen zugänglicher gewesen. Er selbst war ein außerordentlich musischer Mensch mit einem ausgeprägten musikalischen Talent. So waren neben seiner umfangreichen Landschaftsmalerei vor allem Themen des Theaters und der Oper in seinem OEuvre präsent. 1914 unternahm Max Slevogt eine Reise nach Kairo, die ihn bis Assuan führte. In einem wahren Schaffensrausch verarbeitete er das Gesehene vor Ort. Neben zahlreichen Gemälden in Öl oder als Aquarell gehörten viele Zeichnungen zur Ausbeute dieser Reise.
Max Slevogt, Papageno (Titelblatt aus dem Konvolut „Einfälle zur Zauberflöte“), 1920,
Foto: Kunsthalle Mannheim / Cem Yücetas
Papageno als Diener der Königin der Nacht mit seinen Vögeln.
Von Max Slevogt märchenhaft leicht, verspielt mit wenigen farbigen Pinselstrichen dargestellt.
Alle drei Maler waren dem Zeichnen und graphischen Techniken sehr zugewandt, sei es in Einzelwerken oder als schnelle Skizze, um ein Motiv für ein späteres Gemälde zu sichern.
Lovis Corinth schuf von 1912 bis 1925 500 Gemälde, aber etwa 1000 druckgrafische Blätter. Allein in seinem Ferienhaus am Walchensee gehörten sie zu seinem bevorzugten Metier. Aber auch Max Liebermann und Max Slevogt griffen häufig zum einfachen Stift.
Liebermann motivierten Menschen in ihrer gewohnten Arbeitsumgebung zu zahlreichen Skizzen und Grafiken. Grafiken jüdischer Viertel in Amsterdam schuf er in einer Weise, die bereits Vorstellungen impressionistischen Malens verraten.
Die Mannheimer Ausstellungsmacher betonen, dass ihre Präsentation „dabei deutlich vor Augen führt, wie unterschiedlich die drei Künstler sowohl in der Wahl ihrer Inhalte als auch in der Gestaltungsform waren.“ Ja, sie waren drei eigene Persönlichkeiten, schon ihr Alter trennte sie deutlich und ihre Ansichten zur Kunst auch. In seinen gesammelten Schriften legte Lovis Corinth nieder, wie wenig er von der französischen Malerei des ausgehenden 19. Jahrhunderts gehalten hat (Die Zeit, 23.07.1983). Als Max Liebermann dagegen 1894 das elterliche Haus am Berliner Pariser Platz bezog, begann er, Zeichnungen von Adolph Menzel und Bilder französischer Impressionisten zu sammeln. In der Wohnung fanden sich 17 Arbeiten von Edouard Manet (https://www.tsurikrufn.de/portraits/liebermann/). Max Slevogt trat in der Öffentlichkeit kaum in Erscheinung. 1917 wurde er Mitglied der Preußischen Akademie der Künste, war aber nicht zu bewegen, an einer Sitzung teilzunehmen. Als man ihm nach Liebermanns Rücktritt vom Präsidium seine Nachfolge anbot, wehrte er lachend aber energisch ab („Max Slevogt“, von Michael Freitag, Henschelverlag 1988, S.6). Anders die beiden anderen. 1899 hatte Lovis Corinth beim Besuch der ersten Ausstellung der Berliner Secession Max Liebermann besucht. Bei diesem Besuch porträtierten sich beide gegenseitig und in gegenseitiger Achtung. Doch durch Unstimmigkeiten, vor allem mit den Interessen der expressionistisch ausgerichteten Künstler, explizit mit Emil Nolde (1867 – 1956), war es 1910 zur Spaltung der Berliner Sezession gekommen. Max Liebermann trat als Präsident der Sezession zurück oder musste es (?), 1911 folgte Lovis Corinth auf diesen Platz, der Grund für eine lange Feindschaft war gefunden. Charlotte Berend-Corinth schreibt in ihrem Buch „Mein Leben mit Lovis Corinth“
Einem harmonischem Besuch der Ausstellung steht also nichts mehr im Wege.
Kunsthalle Mannheim
„Liebermann, Slevogt, Corinth“
Druckgraphik und Zeichnung
bis 20.11.2022
Friedrichsplatz 4
68165 Mannheim
Öffnungszeiten:
Dienstag, Donnerstag – Sonntag & Feiertage 10 – 18 Uhr
Mittwoch 10 – 20 Uhr
1. Mittwoch im Monat 10 – 22 Uhr (MVV Kunstabend 18 – 22 Uhr; Eintritt frei; die nächsten MVV Kunstabende finden statt am: 7.9., 5.10, 2.11.
Weitere Informationen unter
https://www.kuma.art/de/ihr-besuch-der-kunsthalle-mannheim