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Typografie à la Bauhaus

Nur 14 Jahre währte das Bauhaus zum Anfang des 20. Jahrhunderts, doch sein Einfluss ist bis heute sichtbar – unter anderem in der Typografie. Die an der Designschule entwickelten Schriften wirkten schon in den 1920ern und 1930ern maßgebend und prägen noch heute Schriftarten und -züge. Sie bestimmen die Identität eines Unternehmens maßgeblich mit. Lest hier den ganzen Artikel von Autorin Marlen Gruner im sisterMAG.

Typografie à la Bauhaus

Wie Serifen, Breiten und Kapitälchen die Identität von Firmen und Marken mitbestimmen

Nur 14 Jahre währte das Bauhaus zum Anfang des 20. Jahrhunderts, doch sein Einfluss ist bis heute sichtbar – unter anderem in der Typografie. Die entwickelten Schriften an der Designschule wirkten schon in den 20ern und 30ern maßgebend und prägen noch heute Schriftarten und -züge. Sie bestimmen die Identität eines Unternehmens maßgeblich mit.

»Schrift ist für die Kultur wie für uns die Luft zum Atmen. Ohne das Geschriebene gäbe es keine Kultur«, sagte Schriftgestalter Erik Spiekermann im Rahmen eines ganz besonderen Projektes. (1) Denn zum hundertjährigen Bauhaus-Jubiläum 2019 hatte er sich mit dem US-Softwareunternehmen Adobe auf die Suche nach unvollendeten Bauhaus-Schriften bzw. -Skizzen und Buchstaben-Fragmenten in den Archiven gemacht, diese rekonstruiert und zu neuem Leben erweckt.

Ein Blick in die Geschichte der Typografie

Diese kulturprägenden Schriften waren im Bauhaus jedoch nicht von Anfang an Thema. Zunächst spielte die Typografie in der 1919 gegründeten Hochschule noch keine große Rolle. In dem Kurs »Schriftformlehre« wurde zwar mit Buchstaben und ihrer Geometrie experimentiert. Doch erst durch die Berufung des ungarisch-US-amerikanischen Typografen, Fotografen, Malers und Bühnenbildners László Moholy-Nagy im Jahr 1923 begann die Auseinandersetzung mit Schrift.

Der Bauhaus-Lehrer kündigte eine »Neue Typografie« an, denn: »Die Typografie ist ein Instrument der Mitteilung. Sie muss eine klare Mitteilung in der eindringlichsten Form sein«, schrieb Moholy-Nagy bereits 1923 im Bauhausbuch. (2) Er forderte damals eine »Einheitsschrift, ohne Minuskeln und Majuskeln; nur Einheitsbuchstaben – nicht der Größe, sondern der Form nach«, wie er laut »Offset«-Heft 7 von 1926 zitiert wird (2). Gesagt, getan bzw. entworfen!

Rund um die Wirkung von Typografie

Die Schrift rückte damit zunehmend in den Fokus der Forschung, und die Beschäftigung damit machte im Laufe der Jahre und Jahrzehnte auch vor Firmen und ihrem Logo bzw. Schriftzug nicht Halt. Denn dieser ist oft das erste, was der Kunde von einem Unternehmen wahrnimmt, wenn man eine Webseite entert oder einen Laden betritt. »Wir nehmen wahr, bevor wir verstehen. Typografie funktioniert wie Hintergrundmusik: Man hört nicht hin, unbewusst macht sie aber doch Stimmung«, erklärte Typografie-Experte Erik Spiekermann (3) dazu. Das machen sich Firmen zunutze und lassen ihre Schriftzüge wirken.

Dahinter steht ein komplexes Konstrukt, nämlich das Zusammenspiel von Inhalt (Text), Hintergrund des potenziellen Käufers (kultureller und persönlicher Background) und Gestaltung mittels Typografie. Letztere jedoch vermag den Schriftzug einer Firma mit Werten aufzuladen. Erst die Typografie löst beim Betrachter sowie potenziellen Kunden Emotionen und Assoziationen aus und repräsentiert damit die Identität der jeweiligen Marke. Der spezielle Schriftzug wird zum unverkennbaren Markenzeichen.

Firmen und ihre Schriftzüge

Doch welche Psychologie steckt dahinter? »Ein Font kann die Bedeu­tung eines Wortes komplett verändern und ihm Persönlichkeit geben«, erläutert die britische Grafikdesignerin Sarah Hyndman (4) in diesem Zusammenhang. Typografie ist gewissermaßen Storytelling. So wirken etwa runde, handschriftliche Schriftarten warm und freundlich, eckig-geometrische eher kühl und technisch. Breite Buchstaben zeugen von Stabilität, schmale von Labilität. Kurze Ober- und Unterlängen lassen eine Schriftart bodenständig wirken, lange erwecken den Eindruck von Eleganz.

Wichtig ist dabei: »Diese Eigenheiten dürfen nicht erzwungen sein oder wie Fremdkörper wirken, sondern müssen sich harmonisch ins Konzept der Schrift einfügen. Auffallen, ohne zu stören – im Idealfall so, dass der Be­trach­ter eine Markenzugehörigkeit fühlt, selbst wenn er nur die Headline sieht oder in der Broschüre liest«, erklärt der Berliner Schriftgestalter Hannes von Döhren. (4)

Modelabels auf dem Weg zum ähnlichen Schriftzug

Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass viele Mode-Luxuslabels erst kürzlich ihr Logo änderten. So wechselten etwa Balmain, Yves Saint Laurent und Burberry 2018 ihre Wortmarken von unverwechselbaren, teils ornamentreichen in simple, plakative Schriftzüge. Yves Saint Laurent ließ das Yves weg und machte aus dem schlanken und eleganten Kapitälchen-Schriftzug eine simple, vorrangig serifenlose Schrift – wie zu Beginn des Unternehmens in den 60ern. Auch Burberry und Balmain verzichteten auf Serifen, die eigentlich eine Linie bilden, der das Auge folgen kann.

Die neuen Wortmarken erscheinen reduzierter und sachlicher statt ornamentreich und opulent, ohne dabei jedoch an Eleganz einzubüßen. Sie erinnern sogar ein wenig an den Bauhaus-Ansatz der Einheitsschrift. Doch der Grund dahinter scheint ein anderer zu sein: Social Media. Die Logos haben hier einen praktischen Zweck: Sie sollen bei Instagram, Facebook und Co. gut zur Geltung kommen, mutmaßen Branchenkenner.

Zudem werden sie – ob mit, ohne oder nur als Monogramm – gut lesbar »auch auf Accessoires und Bekleidungsstücken verwendet« werden, erklärte dazu ein Balmain-Sprecher. (5) Das zeigt, dass mit Schrift vor allem seit der Bauhaus-Zeit enorm experimentiert und auch mit der Zeit gegangen wurde – abhängig von Zielgruppen und Bedürfnissen. Ganz so, wie es das Bauhaus propagiert hatte: Kunst und Technik verbinden, um den Alltag nicht nur schön, sondern auch funktional zu gestalten.