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Norbert Bisky in Leipzig

Norbert Bisky ist 50 Jahre alt! 50 Jahre, die kaum mit einer anderen Biografie vergleichbar sein dürften. Aufgewachsen in einem streng nach DDR-sozialistischen Gepflogenheiten ausgerichtetem Elternhaus, entfaltete Norbert Bisky nach dem Fall der Mauer ein nahezu unbeschreibliches Freiheitsgefühl, nach dem er all die Jahre lebte.

„Ich bin im Osten aufgewachsen, und als die Mauer fiel, war das Rausgehen extrem wichtig. Mir wurde schnell klar, dass ich nicht zu den Leuten gehöre, die sich auf der Straße des Lebens einfach geradeaus bewegen wollen. Ich wollte keine Festanstellung. Ich wollte keine Frau und keine Kinder. Mein Leben, das war mir klar, würde anders verlaufen. Ich wusste, dass ich schwul bin… “
Spiegel-Kultur 44/2020 vom 23.10.2020, Interview von Tobias Rapp

Die Liebe zur Kunst war ihm nicht ins Stammbuch geschrieben worden, anfängliche Berufsziele lagen ganz woanders. Aber die Luft der Freiheit, die bald in Form von Filmemachern, Malern, Weltverbesserern, Musikern durch die porös gewordene Mauer wehte, entdeckte in ihm das Talent, förderte die bis dahin verdeckte Kreativität und er entschloss sich „richtig“ für die Kunst. Und es war auch gleich Georg Baselitz, der ihm im Kunststudium an der UDK Berlin die Richtung wies. Seine erste Ausstellung in Berlin war 2001. Zwar von einem unbändigen Freiheitswillen gepackt, ließen sich in seinen ersten Werken durchaus Reminiszenzen an den versteinerten sozialistischen Realismus finden. Die Realität genau konturiert, begegnen einem gutgebaute, strahlend blonde Jungs in Uniform und sportlichem Dress umgeben von erdachten magischen Landschaften.  Junge, muskulöse Männer oft mit freiem Oberkörper ziehen sich auch weiterhin durch sein gesamtes Oeuvre. Immer figurativ malend schuf er Bilder monumentalen Ausmaßes, die die Weite, die Zuversicht, die Freiheit seiner Gedanken in farbig aufquirlenden Arrangements widerspiegeln. Regelmäßige Reisen nach Spanien, nach Südamerika ließen ihn diese liberale Freizügigkeit erleben. Israel, in diesem Land hielt er sich 2015 auf, setzte ein Achtungszeichen. Politische Rivalitäten, Asylanten, Flüchtlinge sensibilierten ihn zunehmend für gesellschaftspolitische Probleme. Die Motive seiner Bilder wurden ernster, zersplitterter, blutiger. Das Leuchtende verlor sich, kontrastreiche Farben begannen zu überwiegen.

„Ich dachte viele Jahre, dass ich nichts damit zu tun habe, ich also einfach meine Bilder male und von diesen Wellen um mich herum nicht erfasst werde. Das stimmt natürlich nicht. Das habe ich inzwischen verstanden.“
Collector Agenda, Wien, unter Interviews

Die Leipziger Ausstellung „Disinfotainment“, kuratiert von Anka Ziefer, die erste Einzelausstellung von Norbert Bisky in seiner Geburtsstadt, unterstreicht dies deutlich. Sie verbindet frühere Arbeiten aus dem Bestand der Sammlung Hildebrand mit einem neuen Gemälde-Zyklus und einer Rauminstallation. Biskys Ausstellung befindet sich in der „G2“-Kunsthalle, einem Gebäude, das das Datenverarbeitungszentrum der DDR seinerzeit beherbergte. So gelingt Norbert Bisky eine spannungsreiche Installation mit Geräten und technischen Relikten aus dieser Zeit des Anfangs zur datenüberströmten Gegenwart, auch oder gerade in Zeiten einer Pandemie. Durch Corona wurde der Erfahrungsraum der Menschen auf Bildschirmen ihrer Computer, Laptops oder Fernsehgeräte beschränkt, die neben den Realitätskonzepten Fantasien, Mythen, Querdenkerträume, Selbstinszenierungen und Schreckensszenarien zuließen. Bisky thematisiert es drastisch, explosiv und plakativ in greller Farbigkeit. Das Thema „Angst“ drängt sich ihm auf, wie die Angst darstellen, wie lassen wir Emotionen in einer geschlossenen Zeit heraus? Gesichter, die in Stimmungen vergehen, Gesichter, die sie herausschreien. Eingesperrt und ergeben einem haltlosen Medien- und Bilderkonsum taumeln seine Menschen zwischen wahren und erfundenen Geschichten.

Jeder hat es in der Hand.

Norbert Bisky (*1970 in Leipzig) hat von 1994 bis 1999 Malerei bei Georg Baselitz an der Universität der Künste in Berlin studiert. Von 2008 bis 2010 war er Gastprofessor an der Genfer Kunstakademie HEAD. 2015 arbeitete Bisky während eines Atelieraufenthalts für drei Monate in Tel Aviv. Von 2016 bis 2018 hatte er eine Professur an der HBK Braunschweig inne. Bisky lebt und arbeitet in Berlin und Málaga.

DISINFOTAINMENT Norbert Bisky
4. Juni – 26. September 2021
G2 Kunsthalle, Dittrichring 13, 04109 Leipzig
Telefon: 0341 35573793

Öffnungszeiten:
Mi 1520 Uhr & Sa 12–17 Uhr

Öffentliche Rundgänge Do, Fr & So jeweils 15 Uhr & Mo 11 Uhr. Die Anmeldung erfolgt
online über die Homepage der G2 Kunsthalle unter www.g2-leipzig.de.
Außerdem bietet die G2 Kunsthalle auf Anfrage Sonderführungen in verschiedenen
Sprachen (Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch und Russisch) sowie individuelle
Besichtigungstermine und kostenfreie Spezialprogramme für Schulklassen an.

Aufgrund der Covid-19-Pandemie bitten wir unsere Gäste sich vor ihrem Besuch unter
www.g2-leipzig.de über mögliche veränderte Öffnungszeiten und die aktuell gültigen
Hygieneregeln zu informieren