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Ausstellung »Die Stille im Lärm der Zeit« – Marc, Macke, Nolde – im Kunstmuseum Moritzburg, Halle

Das Kunstmuseum Moritzburg Halle beginnt das Jahr zur Kunst der Moderne mit der Präsentation der Sammlung von Karl und Maria Ziegler und ihrer Nachfahren, einer Sammlung, die Werke vor allem des deutschen Expressionismus zeigt. Im Mittelpunkt stehen Gemälde und Papierarbeiten von Franz Marc, August Macke und Emil Nolde, die durch Einzelstücke anderer bekannter Künstler des frühen 20. Jahrhunderts ergänzt werden.

Karl Ziegler (1898 – 1973) war ein deutscher Chemiker. Nach Studium in Marburg, Stationen in Frankfurt am Main und Heidelberg, übernahm er 1936 die Professur am Chemischen Institut der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Eine Aufgabe an einer attraktiveren Institution war ihm wegen mangelnder Nähe zum Nazi-Regime und freundschaftlichen Beziehungen zu jüdischen Kreisen versagt worden. Aber er war ein Experte auf seinem Gebiet, so dass er 1943 das Direktorat des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Kohlenforschung in Mühlheim a.d. Ruhr zugesprochen bekam. Nach dem Krieg war er einer der ersten, der sich um den Wiederaufbau der chemischen Wissenschaften in Deutschland bemühte.

Sein großer Verdienst ist die Entdeckung der Polymerisation von Ethengasen mit bestimmten Katalysatoren zu Polyethylen (thermoplastischer Kunststoff) unter Normaldruck und Raumtemperaturen. Polyethylen war schon seit Ende des 19. Jahrhunderts bekannt, wo es unter hohem Druck (1400 bar) und einer Temperatur von mindestens 170 Grad Celsius hergestellt worden war. Kommerziell wird das im Niederdruckverfahren hergestellte Polyethylen in großen Mengen seit 1957 vor allem in Rohrleitungssystemen für die Gas- und Wasserversorgung, für Kabelisolierungen aber auch in der Raumfahrt eingesetzt. 1963 bekam Karl Ziegler gemeinsam mit dem Italiener Giulio Natta – er hatte auf dem gleichen Gebiet geforscht – den Nobelpreis für Chemie verliehen.

Bereits ab 1958 hatte Karl Ziegler gemeinsam mit seiner Frau begonnen, moderne Kunst, vor allem die des Expressionismus zu sammeln. Sie suchten Bilder, die ihren Interessen entsprachen: Blumen, Gärten, Landschaften, aber auch Arbeiten, die ihnen vertraute Stadtansichten oder Landschaften boten. Der Kreis schloss sich. Das fast 10jährige Wirken in Halle, das Wissen um die Verschleppung der sogenannten »entarteten Kunst« aus der Moritzburg, führte zu einer Sammlung von Künstlern, die mit Halle in besonderer Weise verbunden waren, Marc, Macke, Feininger … Das Ehepaar erwarb 44 Kunstwerke, die durch die Nachfahren um viele weitere Arbeiten (72) der klassischen Moderne ergänzt wurden. Im Jahre 2002 erfolgte die Überführung der Sammlung in eine selbständige Stiftung.

Die gesammelten Gemälde, Zeichnungen und Aquarelle geben der Ausstellung ihren Namen »Die Stille im Lärm der Zeit«. Erwartet man Zeugen einer aufwühlenden, anklagenden, vielleicht auch sehr freien expressionistischen Malerei, so enttäuscht diese wunderbare Sonderausstellung. Gemäß den Interessen und Sympathien der Sammler überraschen farbenfrohe Blumen, Traumlandschaften, zärtliche Kinderbilder (»Madonna mit Kind«) und natürlich grasende Tiere, eine Oase der Ruhe, der Besinnung und Harmonie.

Die Kollektion ist in 6 Themen gegliedert:

Thema 1: 

Die Entdeckung der Kindheit  war um 1900 ein von den Künstlern gern aufgegriffenes Thema, zumal das aufkommende Wissen um Gesundheit, Krankheit, Lebensform die natürliche Abbildung auch des Kindes gebot.

Mädchen auf dem Balkon II, 1910
August Macke
Öl auf Leinwand, 60 x 40 cm
Stiftung Sammlung Ziegler im Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr
© Foto: Stiftung Sammlung Ziegler
Mädchen mit Katze, 1910
Franz Marc
Tempera, Bleistift auf Papier, 42,7 x 31,6 cm
Stiftung Sammlung Ziegler im Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr
© Foto: Stiftung Sammlung Ziegler

Thema 2: 

Farbenfroh empfangen uns die Triebkräfte der Natur. Emil Nolde, Alexej von Jawlensky, Karl-Schmidt-Rottluff, Paul Klee und Christian Rohlfs entfachen mit ihren Bildern, die sie in ihrer Umgebung oder auf Reisen anfertigten, den Zauber der Natur, zart im Aufstreben, bunt in der Blüte und zurückhaltend im Vergehen.

Garten in der Ebene I, 1920
Paul Klee
Öl auf Papier, auf Malpappe, 18 x 25,4 cm
Stiftung Sammlung Ziegler im Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr
© Foto: Stiftung Sammlung Ziegler
Königskerze und Lilien
Emil Nolde
Öl auf Leinwand, 88,5 x 73,3 cm
Stiftung Sammlung Ziegler im Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr
© Foto: Stiftung Sammlung Ziegler, © Nolde Stiftung Seebüll 2019

Thema 3:

Im Zentrum der Mensch! – Ein zentrales Thema des Expressionismus. Denken wir an Ernst Ludwig Kirchner und seine Straßenszenen so ergänzen Emil Noldes »Spanische Tänzerin« oder August Mackes »Stickende Frau im Sessel« das Bedürfnis der Expressionisten, ihre Modelle in ihrer gewohnten Umgebung darzustellen.

Spanische Tänzerin
Emil Nolde
Aquarell, Tusche auf Japanpapier, 47,3 x 34,8 cm
Stiftung Sammlung Ziegler im Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr
© Foto: Jens Willebrand, Köln © Nolde Stiftung Seebüll 2019
Stickende Frau im Sessel, 1909/10
August Macke
Öl auf Holz, 57,8 x 47,2 cm
Stiftung Sammlung Ziegler im Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr
© Foto: Wolfgang Morell, Bonn

Thema 4:

Lyonel Feininger. Lyonel Feininger war 1919 als erster Lehrer in das in Weimar begründete Bauhaus berufen worden. Vor 90 Jahren kam er deshalb nach Halle, wo man ihm im Torturm der Moritzburg ein Atelier überlies. Dort entstand ein Teil der berühmten Bilder seines Halle-Zyklus, neben dem Dom von Halle auch der »Rote Turm II«. Für die Besucher ergibt sich für die Zeit der Ausstellung die einmalige Gelegenheit, Lyonel Feiningers »Roten Turm II« mit dem im Kunstmuseum Moritzburg hängenden »Roten Turm I« aus dem gleichen Zyklus zu vergleichen.

Der Rote Turm II, 1930
Lyonel Feiniger
Öl auf Leinwand, 101 x 81 cm
Stiftung Sammlung Ziegler im Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr
© Foto: Stiftung Sammlung Ziegler, © VG Bilde, Kunst, Bonn 2019

Thema 5: 

Im Rhythmus der Landschaft. Arbeiten von Emil Nolde, Paul Klee, August Macke und Alexej von Jawlensky zeigen, in welchem Maß die Landschaft für sie Motiv und Motivation zugleich war. Ob auf Reisen, vor allem aber auch ihre ländliche Umgebung boten Ansichten, die sie mit Farbe, expressiver Bildgestaltung bis zur Motivrekonstruktion verarbeiteten.

Landschaft bei Oberstdorf, um 1912
Alexej von Jawlensky
Öl auf Malkarton, 33,4 x 42,2 cm
Stiftung Sammlung Ziegler im Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr
© Foto: Stiftung Sammlung Ziegler
Staudacherhaus in Tegernsee, 1910
August Macke
Öl auf Leinwand, 46 x 44,6 cm
Stiftung Sammlung Ziegler im Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr
© Foto: Stiftung Sammlung Ziegler

Thema 6:

Im Bildkreis der Tiere. Kunst ist ein Prozess des Gestaltens und Umformens, eine Art Interpretation der Wirklichkeit, die der Künstler aus persönlicher Sicht neu und einmalig erschafft. Besonders bei Franz Marc ist die persönliche Sicht augenscheinlich, indem er das Tier in seiner Würde und Freiheit darstellt. Das aus dem Archiv des Moritzburger Museums stammende Modell zweier sich in Bewegung befindlicher Pferde von Franz Marc zeigt die gründliche Arbeitsweise des Künstlers. Letztlich gipfelt seine nicht konkrete, sondern der Natur und damit dem Tier verpflichtete Einstellung des Menschen in dem Mittelteil eines dreiteiligen Ofenschirms, in dem 1913 geschaffenen »Landschaft mit Fabeltier«.

Weidende Pferde, 1909
Erich Heckel
Öl auf Leinwand, 73,5 x 85,5 cm
Stiftung Sammlung Ziegler im Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr
© Foto: Stiftung Sammlung Ziegler, © Nachlass Erich Heckel, Hemmenhofen 2019
Schlafendes Reh, 1913
Franz Marc
Gouache und Bleistift auf Papier, 45,4 x 37,7 cm
Stiftung Sammlung Ziegler im Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr
© Foto: Stiftung Sammlung Ziegler

Die »Stiftung Sammlung Ziegler« hat ihre Heimat im Kunstmuseum Mühlheim an der Ruhr. Renovierungsarbeiten am Gebäude machen es möglich, die Sammlung in Halle und danach im Kunstmuseum Emden zu zeigen.

Ausstellung „Die Stille im Lärm der Zeit“
Marc, Macke, Nolde
Meisterwerke aus der Sammlung Ziegler aus dem Kunstmuseum Mühlheim an der Ruhr

10.02. – 12.05.2019

Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale)
Friedemann-Bach-Platz 5
06108 Halle (Saale)

www.kunstmuseum-moritzburg.de
www.kulturstiftung-st.de

Di, Di, Do-So / Feiertage 10 bis 18:00 Uhr
Mi / 24. & 31.12. geschlossen
Mi 02.01.2019 geöffnet

Veranstaltungen und Begleitprogramm sind über o.g. Adressen zu erfahren.