Hat man die breite Treppe zur Dresdner Brühlschen Terrasse erklommen, trifft man recht bald auf das Denkmal für „Ernst Rietschel“ (1804 – 1861). Es wurde 1876 von seinem Schüler Johannes Schilling (1828 – 1910) geschaffen. Hier an dieser Stelle der Terrasse stand bis 1861 der „Brühlsche Gartenpavillon“, den der Professor der Dresdner Kunstakademie Ernst Rietschel ab 1833 als Atelier nutzte. Hier entstanden die berühmten Skulpturen, die uns bis heute die Identität für eine vergangene Geschichte vermitteln, das „Goethe-Schiller-Denkmal“ in Weimar, aber auch das Denkmal für „Friedrich August dem Gerechten“ von Sachsen.
Auf dem Sockel sind die „Geschichte, die Poesie und die Religion“ modelliert, die Figuren darüber „zeichnen, modellieren und meißeln“, wie einst der Meister an dieser Stelle.
Ernst Rietschel Denkmal
von Johannes Schilling
Foto: M.Neubauer
Ernst Rietschel war außerordentlich begabt. Schon mit 16 Jahren begann er das Kunststudium an der Königlichen Sächsischen Kunstakademie in Dresden. 6 Jahre später gehörte er zu den jungen Mitarbeitern des berühmten Christian Daniel Rauch (1777 – 1857) in Berlin.
Vielleicht beglückten den Ernst-Rietschel-Kunstpreisträger 2022 Rindon Johnson (*1990) die gleichen Gefühle als er in seiner jungen Karriere ebenso wie Ernst Rietschel, erfuhr, eine so hohe Auszeichnung zu erhalten. Ernst Rietschel hatte 1828 das sehr begehrte Stipendium für einen Romaufenthalt für künstlerische Studien siegreich errungen. Startschuss für eine ausgesprochen erfolgreiche Karriere, die ihn zu einem der bedeutendsten Bildhauer des Spätklassizismus kürte.
Nun hat Rindon Johnson alle Chancen !
Rindon Johnson
© Staatliche Kunstsammlungen Dresden,
Foto: Andreas Diesend
Der verliehene Kunstpreis hat inhaltlich eine deutliche Erweiterung erfahren. Schon 1991, seither wird dieser Preis zu Ehren und zum Gedenken an Ernst Rietschel verliehen, formulierte der Laudator und Urenkel des Künstlers Dr. theol. Christian Rietschel (1908 – 1997)anlässlich der ersten Preisverleihung:
So dürfen wir uns nicht wundern, dass die aktuelle, zu Ehren Rindon Johnsons installierte Ausstellung im Dresdner Albertinum „ The Bella Pursuing One Another“ nicht skulpturale Denkmäler für Nelson Mandela oder Martin Luther King zeigen, sondern eine großformatige Installation , bestehend aus einem Ego-Jagd-Videospiel und einer großen Glasmalerei:
„Die Kunst ist gebunden an ihre Zeit, an ihre Kultur, ihre Ausdrucksmöglichkeiten, an die innere Wahrhaftigkeit, den Glauben und die Überzeugung des Künstlers.“
Gemeinsam mit der Künstlerin Jaqueline Kiyomi York schuf Rindon Johnson das Videospiel.
Rindon Johnson
© Staatliche Kunstsammlungen
Dresden,
Die Tiefen des Great Bahamas Canyons
Zwei Spieler identifizieren sich je mit einem Schnabelwal. Als würden sie mit den Augen der Wale sehen, tauchen sie durch das tiefe Meer. Ihr Ziel ist es, gemeinsam in den Tiefen des Great Bahama Canyon (wir denken an Kolumbus) einen Riesenkalmar zu fangen. Sie verständigen sich über Schallwellen, die die Spieler auch wahrnehmen. Auf dieser „Pirsch“ erkennen die Spieler die von vielen Seiten bedrohten Lebensbedingungen der Meeresbewohner, Plastikmüll, Bedrohung durch den Walfang oder akustische Beeinträchtigungen durch Militärmanöver. Das Meer stellt sich nur in dunklen abgestuften grauen Farbtönen dar, so wie es Wale sehen können, sie sind farbenblind.
Rindon Johnson
Videoansicht
Copyright Staatliche Kunstsammlungen
Dresden
Um so optimistischer, lebensbejahender die zweite Arbeit Johnsons. Auf einer 5 m langen, mit 102 quadratischen Glasstücken bestückten Schräge hat der Künstler mit 6 gemischten, ineinander verlaufenden oder übereinander liegenden Farben Wasser, Wellenspiel, Sturm, die Natur in all ihren Facetten nachgezeichnet, …auf in Amerika gefertigtem „Tiffany“-Glasmaterial, Tiffany 1837 in Manhattan eröffnet. Wer denkt da nicht gleich an Ernst Rietschel?
Die Dresdner Verleihung des Ernst-Rietschel-Kunstpreises ist für Rindon Johnson ein weiterer Schritt in seiner erfolgreichen bisherigen Laufbahn. Seine multidisziplinäre Kunstpraxis, er betätigt sich auch als Schriftsteller, lässt die Grenzen zwischen Skulptur, Fotografie, Performance, Poesie und Virtual Reality verschwimmen. Seine Werke nehmen aktuell Stellung zu unserer alltäglichen Lebenswelt.
Der Ernst-Rietschel-Kunstpreis für Skulptur wird von den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) gemeinsam mit der Antonius Jugend- und Kulturförderung e.V. vergeben, die das Preisgeld stiftet. Die Antonius Jugend- und Kulturstiftung bzw. der Antonius Jugend- und Kulturförderung e.V. wurde von Nachfahren Ernst Rietschels gegründet. Über die Vergabe des Kunstpreises entscheidet aller zwei Jahre eine deutschlandweite Jury ausgewiesener Kunsthistoriker und – journalisten.
Rindon Johnson:
„Ich bin der Jury sehr dankbar und hoffe aufrichtig, dass das neue Videospiel und die Glasinstallation spannende Diskussionspunkte für Dresden liefern werden.“
Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Medieninformation 48/2022
„The Bells Pursuing One Another“ – Rindon Johnson
Ernst-Rietschel-Kunstpreisträger 2022
Staatliche Kunstsammlungen Dresden – Albertinum
26. August bis 27. November 2022
Öffnungszeiten
täglich 10—18 Uhr, Montag geschlossen