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Maurice Utrillo, V. (1883 – 1955) – Vorstellung von Dr. Michael Neubauer

Maurice Utrillo
HAUS DER MIMI PINSON
AUF DEM MONTMARTRE, 1913
Öl auf Leinwand, 56 x 75 cm
Privatsammlung

2019 beschreibt Konstantin Arnold in einem Artikel der NZZ seine Eindrücke über Paris: „Paris, eine Anleitung fürs Leben“. Aufgemerkt habe ich bei folgenden Sätzen:  

„…Ich weiss, in welcher Etage Vincent van Gogh wohnte, wo sich Monet und Renoir kennenlernten, in welchen Schenken sich Maurice Utrillo besoff, …. endlich, Montmartre, die Treppen Utrillos und die Huren Lautrecs…. aber das «Lapin Agile» war geschlossen. “
NZZ, 19.11.2019, Wochenende

Maurice Utrillo (1883 – 1955) der Maler von Paris – eine intensive, tragische Beziehung. Das Bedürfnis nach Liebe und Zuneigung zerbrach immer wieder in Elend und Einsamkeit.

Als ich dann seine wunderschönen Bilder in der Monografie „Maurice Utrillo“ von Jeanine Warnaud sah, hatte ich sofort das Gefühl, ihn hier beisisterMAG ArtZine“ vorstellen zu müssen. 

Maurice Utrillo
KABARETT LAPIN AGILE, 1913
Öl auf Leinwand, 60 x 81 cm
Privatsammlung

 

Ja, sein Leben war von Alkohol und Drogen beherrscht, Toulouse-Lautrec spielte in seiner Kindheit eine schwierige Rolle und das „Lapin Agile“ besuchte er häufiger, als es ihm gut tat. 

Maurice Utrillo
SACKGASSE COTTIN, 1911
Öl auf Karton, 62 x 46 cm
Musee National d’ Art Moderne
Centre Georges Pompidou, Paris

 

…. endlich, Montmartre, die Treppen Utrillos!

„Ganze Nächte ist er durch die Straßen geirrt, Die Fensterläden der Rue Tholoze, die Ladenschilder der Rue Lamarck, Tore eines Portals, eine Kanalböschung, Straßenlampen im Regen und die hundert Stufen der Sackgasse Cottin, die zu zeichnen ihm so viel Mühe bereitete. Sie alle haben sich für immer seinem Gedächtnis eingeprägt. Es sind diese flüchtigen Visionen, von denen sein Werk lebt.“ Buch „M.Utrillo“, S. 37

1883 hatte ihn die 17jährige Suzanne Valadon  (1865 – 1938) geboren. Wer der Vater war, konnte nie geklärt werden, seinen Nachnamen erhielt der Junge von seinem Adoptivvater Miguel Utrillo, ein Kunstkritiker, mit dem Valadon ebenfalls ein Verhältnis gehabt hatte. Leidenschaftlich liebte Suzanne Valadon das Leben, die Männer und die Kunst. Oft Modell sitzend bei den berühmtesten Malern ihrer Zeit formte sie ihr eigenes Talent zu einer anerkannten Kunstmalerin. Maurice wuchs bei seiner Großmutter auf. Eifersüchtig nahm er als Kind die vielen Verehrer seiner Mutter wahr. Er mußte einen Selbstmordversuch seiner Mutter miterleben, den sie unternommen hatte, um Henri de Toulouse-Lautrec in eine Ehe zu zwingen.

 In seinen Gefühlen zerrissen entlud sich sein ruhiges, zurückhaltendes, sensibles Wesen in heftigen Wut- und Zornesausbrüchen. Auch später, seine zwiespältige Lage erkennend, empörte er oft seine Umwelt unter Alkohol mit solchen Attacken. 

 

Suzanne Valadon und
Maurice Utrillo.
Photographie

Schule und Lehrzeit vergingen ohne Ergebnis, was machen? Die ersten Skandale unter Alkohol bahnten sich an … als er eher widerstrebend als dankbar den Rat seiner Mutter annahm: Malen!
Völlig losgelöst von jeglicher Ausbildung, ja er verwarf selbst den Vorschlag seiner Mutter, das Zeichnen als erstes zu erlernen, kolorierte er mit einer nicht fassbaren Begabung sein Paris. 

 

 

„Ich begann um 1903 mit dem Malen - während unserer Zeit in Pierrefitte-Montmagny, aber auch der Zeit der Quais an der Seine in Paris. … Man hat gesagt, ich wäre von Pissaro beeinflusst. Gelegentliches Zusammentreffen, vielleicht, aber Einfluß damals, kaum. Ich sah keine Bilder, außer denen meiner Mutter. Das Malen ist vom Zufall abhängig und hat, wie man so sagt, weder Gott noch Gesetze. Also folgte ich den Impulsen meines bildhaften Temperaments, arbeitete, wie es mir gefiel, und folgte meinen Eingebungen, wie sie meinem Charakter zusagten.“
Selbstbiografie von Maurice Utrillo, 1910

Utrillo teilte sich das Atelier mit seiner Mutter in der Rue Cortot 12 und schon 1912 stellte er erstmals im renommierten Salon d’Automne aus. Immer wieder waren die Straßen und Gassen von Montmartre sein Motiv, dazu kamen Kirchen, Denkmäler, Gebäudefluchten, Brunnen und Alleen. Utrillo wurde zum bekanntesten Schilderer von Paris und besonders des Montmartre. Menschen waren nur wenige auf seinen Bildern, wie Puppen ohne Seele.

Der französische Schriftsteller Edmond Laloux (1878 – 1949) verglich sein Werk über Paris mit dem, was Canaletto und Guardi für Venedig, Vermeer für Delft, Piranesi für Rom und Whistler für London taten.

Die Kunsthistoriker teilen seine Malperioden in folgende Etappen ein:

 

IMPRESSIONISMUS  1903 – 1907
Am Anfang sehr dunkle Bilder – bedrohliche Himmel –
später hellere Phasen bei Bildern in Montmagny,
in die Bretagne und auf Korsika

Maurice Utrillo
QUAI IN PARIS,1905/06
Öl auf Leinwand, 38 x 45 cm
Privatsammlung

 

PASTÖSE MALEREI, 1907 – 1911
Er mischte seine Farben mit Gips und Sand,
pastöser, strukturierter Auftrag in
weiß-grauen Tönen war die Folge.

Maurice Utrillo
STRASSE AUF DEM MONTMARTRE, 1911
Öl auf Karton, 50 x 75 cm
Privatsammlung

 

WEISSE PERIODE, 1912 – 1914
Seine erfolgreichste Periode,
die als Höhepunkt seiner Karriere angesehen wird.

Maurice Utrillo
HAUS VON BERLIOZ, 1912
Öl auf Karton, 52,5 x 75,6 cm
Privatsammlung

 

FARBIGE PERIODE,
1915 – bis zu seinem Ende (Architektur-Periode)
Deutlich ist in diesen späteren Jahren eine Veränderung des Stiles
zu beobachten. Akurate Linien, geometrische Anordnung der Flächen,
seine leichte, freie, unbedarfte Malweise hatte sich verloren.

Maurice Utrillo
PLACE DU TERTRE UND SACRE-CEUR
AUF DEM MONTMARTRE, UM 1916
Öl auf Karton, 53 x 75 cm
Privatsammlung

Maurice war ein Maler der klassischen Moderne. Seine ursprüngliche, emotionale Kraft, sein ihm angeborenes künstlerisches Talent rücken ihn gern in die Nähe des Primitivismus von Henri Rousseau.

In den 1920er Jahren war Maurice Utrillo ein berühmter Maler. Seine Bilder erzielten Höchstpreise.
Die französische Regierung ehrte ihn 1929 mit dem Kreuz der Ehrenlegion.
Aber über all die Jahre waren Aufenthalte in psychiatrischen Anstalten und Entzugsbehandlungen Begleiter seines oft unmenschlichen Daseins. Finanzielle Sorgen hatte er nicht. 1924 kaufte er für sich und seine „Eltern“ (seine Mutter hatte inzwischen den 3 Jahre jüngeren Künstlerkollegen von Maurice Andre Utter als Ehemann!) das Chateau de Saint-Bernard bei Villefranche-sur-Saone. Aber die Probleme blieben. Dabei entglitt ihm die Wirklichkeit zunehmend, seine kreative Flamme verblasste immer mehr.

1935 heiratete er mit 51 Jahren Lucie Valore, die Witwe eines Kunstsammlers. Sie wohnten zuletzt in einem Vorort von Paris (Le Vesinet).
1943 wurde Maurice Utrillo mit einer großen Retrospektive im Salon d’Automne geehrt.

Maurice Utrillo
MÜHLE DE LA GALETTE, 1922 (Detail)
Tempera, 20 x 26 cm
Privatsammlung

Die Mutter Suzanne Valadon behielt ihre Bedeutung für Maurice bis zu seinem Ende. Sie war 1938 verstorben. Schon Jahre vorher hatte sie alle Vollmachten über den Bilderverkauf und die Finanzen übernommen. Seine Bilder signierte Maurice mit „Maurice Utrillo V“ – V = Valadon!

Kurz vor seinem Tod bemerkte ein Freund Utrillo`s ein Photo Suzanne Valadon`s auf seinem Arbeitsplatz. Utrillo sagte dazu: „Das ist wunderbar, sie hier immer vor mir zu haben, dicht bei mir.“ „Betest du für sie?“  „Ja“, sagt er und schickt einen Kuss zu dem ihm so teuren Bild.

Maurice Utrillo
KIRCHE VON LOIRET, 1921
Öl auf Leinwand, 45 X 60 cm
Privatsammlung

Die Angaben beziehen sich auf das 1984 erschienene Buch „Maurice Utrillo“ von Jeanine Warnod. Es ist ein sehr persönliches Buch. Jeanine Warnod’s ersten Zeilen lauten:

Meine Einstellung zu den Bildern von Maurice Utrillo ist ziemlich emotionell. Schon zu meiner Geburt hatte er mir ein Bild verehrt, eine einfache Dorfkirche mit der Ortsangabe Loiret. … eine Dankbarkeitsgeste gegenüber meinem Vater, der sein Werk verteidigt hatte.“

Suzanne Valadon
MAURICE UTRILLO, 1921
Öl auf Leinwand
Privatsammlung

 

 

Die Genehmigung für das Ablichten von Bildern aus dem o.g. Buch liegt freundlicherweise vom Südwest-Verlag München vor.