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James Ensor in Mannheim

_3.10_3c_elmar_witt.jpg Copyright Kunsthalle Mannheim

Das Verhältnis zwischen der Kunsthalle Mannheim und dem belgischen Maler James Ensor (1860-1949) ist ein besonderes. In Deutschland noch nahezu unbekannt, erste Präsentationen seiner Kunst gestalteten Museen und Galerien 1927 in Hannover, Dresden und Berlin, erwarb die Mannheimer Kunsthalle unter ihrem Direktor Gustav Friedrich Hartlaub als eines der ersten deutschen Museen 1927 ein Gemälde Ensors „Der Tod und die Masken“. Wie so vieles wurde es von den Nazis als „entartet“ entsorgt. Heute ziert es das Kunstmuseum Lüttich und kehrte für die aktuelle Ausstellung nach Mannheim zurück. Schon 1928 würdigte Mannheim James Ensor mit einer Einzelsonderausstellung. Und aktuell können wir neben seinem berühmten Stillleben „Der tote Hahn“, von der Kunsthalle 1956 erworben, 60 weitere Gemälde, Papierarbeiten, Beispiele seiner Maskensammlung und den umfangreichen Grafikbestand des Künstlers in der Kunsthalle bewundern. 

 James Ensor, Der Tod und die Masken, 1897;
© Liège, Musée des Beaux-Arts – La Boverie 

„"... Das Bild steht zwei Deutungen offen: Handelt es sich um einer Allegorie des Todes oder um eine Karnevalsszene? Ist der Totenschädel nicht eine andere Form von Maske, jene nämlich, die der Mensch unter seinem fleischlichen Gesicht trägt? Ist das Leben nicht ein Theaterstück, das alle Lebewesen auf der Bühne der Welt spielen? ..."“
Xaver Tricot in: James Ensor, Hrsg.: Ingrid Pfeifer, Max Hollein, Schirn Kunsthalle Frankfurt, 2005/06

James Ensor ist mit seiner Kunst nicht in aller Munde!
Sind Künstler wie Raffael, Rembrandt oder Gustav Klimt vielen Menschen ein Begriff, so begegnen einem noch oft fragende Blicke, nennt man den Namen „James Ensor.“ Aber das ändert sich, habe ich das Gefühl. Zum Glück!
Denn mit diesem herausragenden Künstler begegnen wir einer Persönlichkeit, die den Kunstgeist an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert mit seinen Werken nicht nur herausforderte, sondern entscheidende Impulse für den späteren Expressionismus und Surrealismus schuf. Neben Ferdinand Hodler gehört er zu den großen Einzelgängern in der Kunst dieser Zeit. 

James Ensor wurde 1860 als Sohn eines britischen Ingenieurs und einer flämischen Mutter im belgischen Ostende geboren. Das Gymnnasium verließ er vorzeitig, um bei 2 Aquarellmalern eine Ausbildung zu beginnen. Künstlerisch sind noch Lehrjahre an der Akademie der Schönen Künste in Ostende und ab 1877 ein Studium an der Academie royale des Beaux-Arts in Brüssel wichtig, das er aber auch vorzeitig 1880 abbrach. Er kehrte für immer nach Ostende zurück und lebte zurückgezogen mit  Mutter, Tante und Schwester, seinen „Dämonen“ zusammen. Natürlich kannte er auch Frauen! Er schätzte die gebildete Mariette Rousseau in Brüssel, die Malerin und Schriftstellerin Emma Lambotte unterstützte ihn durch den Kauf von 20 seiner Werke und von der verehrten, 10 Jahre jüngeren Augusta Boogaerts gibt es ein Doppelbildnis mit ihm. Augusta Boogaerts betrieb den mit Masken (!) bestückten Souvenirladen von Ensors Mutter. In seiner Umgebung liebte er die weibliche Schönheit auf seine eigene romantische, geheimste Art, zu einer konventionellen Bindung kam es nie. Dabei sorgten seine äußerliche Erscheinung, die Originalität seiner Ideen, die Wortgewaltigkeit seiner Schriften und seine Art zu leben schon zu Lebzeiten für einen hohen Bekanntheitsgrad. 

Während des Studiums in Brüssel hatte  er den gleichgesinnten Symbolisten Fernand Khnopff (1858 – 1921) kennengelernt. Beide gehörten 1883 zu den Gründern der „Les Vingst“ (oder „Les XX“), einer Vereinigung von 20 avantgardistischen Künstlern, die viele noch nicht etablierte Künstler aus ganz Europa, wie etwa Paul Cézanne oder Vincent van Gogh, einluden, ihre Arbeiten in den Ausstellungen der Gruppe zu präsentieren. James Ensor hingegen hatte Mühe, seine Werke gegen heftige Kritiken zu verteidigen. Selbst in der Vereinigung der XX, 1893 löste sie sich allerdings wieder auf,  hatte er Schwierigkeiten, seine Kunst zu etablieren. Schaffensangst und -krisen waren die Folge. Ein Impressionist wollte er nicht sein, so auch nicht malen. Von seinen belgischen Landsleuten, wie Fernand Khnopff oder Jean Melville, die die Geheimnisse und Abgründe ihrer Seelen meist in düsteren mystischen Bildern abbildeten, entfernte er sich durch seine lebendig leuchtende Farbigkeit in seinen oft grotesk anmutenden Bildern. Ironisch, schockierend, täuschend, verhöhnend, verletzend,  auch ausgelassen und clownesk verklärten seine mit Masken behangenen Figuren Realität, Angst und Beschränktheit seines Umfeldes. Er war kein Mitläufer, in Worten und in seiner Kunst attackierte er die Kollegen seiner Zunft. Er verurteilte ihre Manier, sich auf einen Stil festzulegen, sein Credo lautete, immer wieder Neuland zu betreten.

 James Ensor, Das malende Skelett, 1896-97; Koninklijk Museum voor Schone Kunsten, Antwerpen;
© Hugo Maertens


Dieses Gemälde malte Ensor nach einer Fotografie, die ihn sitzend sah. Atelier im väterlichen Haus. Alle seine Werke sind um ihn herum dargestelt.

Thematisch beherrschte sein Schaffen das Selbstbildnis. Wie eine Entsprechung seiner Gemütslage spiegelten sie Ängste und Hoffnungen in seinen Werken wider. Mit Masken, der Darstellung von Totenschädeln und Skeletten überhöhte er seine Aussagen ins Groteske, Unwirkliche, dabei nie auf selbstliebende, sarkastische und selbstironische Details zu verzichten. Die Auseinandersetzung mit dem Tod war im 19. Jahrhundert auch bei anderen Malern und in der Literatur fest verankert. Sie half, das Unausweichliche in das Leben zu integrieren. Ensors oft lächerlich anmutenden Arrangements von Skeletten und Masken halfen ihm, den Tod zu beherrschen. Er liebte das Rollenspiel und er benutzte dafür keinen geringeren als Christus. Eine wunderbare Grafikfolge zu Szenen aus dem Leben Christi, im Neuen Testament geschildert, beflügeln unser Verständnis über die Jesusfigur in einer modernen Welt. James Ensor war nicht religiös gebunden, aber die Strahlkraft von Jesus imponierte ihm so, dass er, um seine Mission zu untermalen, nicht Jesus am Kreuz verewigte, sondern sich selbst.  In vielen Beispielen zeigt die Ausstellung die meisterliche Hand James Ensors bei der Fertigung von Stillleben. Motive bildeten die unterschiedlichsten Dinge, die er im Souvenirladen seiner Mutter vorfand, Masken, Muscheln, Kugeln, Puppen, Vasen, Chinafiguren, ausgestopfte Tiere, Kuriositäten der verschiedensten Art. Eines der berühmtesten Beispiele ist der „Der tote Hahn“. Er hängt in der Mitte des Bildes, er ist der Blickfang, das Ergebnis unserer Lebensläufe. 

 James Ensor, Der tote Hahn, 1894; Kunsthalle Mannheim;
© Kunsthalle Mannheim 

Die Deutung der in mehreren Darstellungen gezeigten „Liebesgärten“, die er im Gegensatz zu früheren Werken in einer zarten Farbigkeit in seinen späteren Jahren schuf, ist schwer. Seine Beziehung zu Frauen war einerseits durch das abhängige Zusammenleben mit Mutter, Tante und Schwester geprägt, andererseits  drängte er in seinem Leben nie auf eine feste  Bindung zu einer Frau. Dass dieses Thema aber nicht ohne Widerhall bei ihm ankam, beweisen seine vielen Aktivitäten, eine „Liebestonleiter“ zu entwickeln. Hierzu schuf er nicht nur 21 Lithografien, sondern formte das Ganze zu einem Ballett-Spiel in 2 Akten und komponierte die Musik dazu. 

James Ensor – ein bewundernswertes Talent, ein Visionär, ein Promotor der Moderne in seiner Malweise, seiner Farbigkeit, aber auch seinen Themen. 

„Der mittlerweile von König I. von Belgien zum Baron ernannte James Ensor schrieb 1935: „…auch ich arbeite, habe lebhafte und zarte Farbkombinationen ausgeführt und verstreiche zu meinem eigenen Vergnügen traurige rosige Blumen, glänzende Muscheln, Vasen, Gläser, Kostbarkeiten, unbedeutende Gegenstände, schmeichelnde, kapriziöse Kleinigkeiten, diskrete Parfüms.““
James Ensor, Hrsg.: Ingrid Pfeifer, Max Hollein, Schirn Kunsthalle Frankfurt, 2005/06, S. 158
ensor_an_seinem_harmonium_c_mu.zee_.jpg, Copyright Kunsthalle Mannheim

Die traditionsreiche Kunsthalle Mannheim ist nicht nur mit James Ensor einen Besuch wert, mit ihm aber ganz besonders. Hier wurde 1926 der Kunstbegriff „Die neue Sachlichkeit“ durch Gustav Friedrich Hartlaub geprägt, hier kann man einen 1907 im Jugendstil erbauten Museums-Prachtbau bewundern und sich an der gelungenen großzügigen Erweiterung erfreuen. 

„James Ensor“
11.06. bis 03.10.2021
Kunsthalle Mannheim
Friedrichsplatz 4
68165 Mannheim

Tel.: 49 621 293 6423

kunsthalle@mannheim.de

Regulärer Eintrittspreis 12,- €
Sonderveranstaltungen und Hinweise zur Coronaproblematik bitte über die o.g. e-mail-Adresse erkunden.