
CHRISTIAN TAGLIAVINI
L’equilibrista (Portrait) 2019
© Christian Tagliavini /
Courtesy of CAMERA WORK Gallery
Als der Mitbegründer der Renaissance, der Dichter und Historiker Francesco Petrarca (1304 – 1374) in seinem sehnsuchtsvollen Gedicht „Du klarer und süsser Bach“ schrieb:
„„Wie oft sagte ich, noch ganz starr vor Furcht und vor Staunen: Aus dem Paradies stammt diese ganz gewiss. Da durch den göttlichen Glanz, durch das Gesicht, die Augen, das Lachen, alles andere vergessen ist, verläuft nun ein Riss zwischen mir und der Welt, dass ich nur seufzen kann: Wie komme ich dorthin und wann? …“ “
hätte er bestimmt in Christian Tagliavini einen verständnisvollen, enthusiastischen Freund und Helfer gefunden. Auch dieser ist ein ständig Suchender, schaut nach dem Angesicht, dass zu seinen Ideen, seinen kreativen Kostümvorstellungen passen könnte. Wie sich seinerzeit Dichter, Bildhauer und Maler der Renaissance auf die klare, dem humanistischen Ideal zugewandte Kunst der Antike besannen, gelingt es diesem modernen Fotografen Porträts und Situationen in einer entrückten, aber zutiefst menschlichen Form zu schaffen. Die Arrangements und Farben der präparierten Antlitze, auch ihre Fremdheit begeistern, verführen und führen in eine phantastische Welt. Es ist eine Freude zu sehen, wie bravourös Tagliavini es versteht, mit seiner fotografischen Kunst die „eigene Renaissance“ zu kreieren, Madonnen, höfische Damen mit starrem, festen Blick abzulichten.

CHRISTIAN TAGLIAVINI
Blanche 2014
© Christian Tagliavini /
Courtesy of CAMERA WORK Gallery
Ein Handwerker ist Christian Tagliavini, ein fotografischer – das stimmt sympathisch und das im wahrsten Sinne des Wortes. Er entwirft alle Kostüme, die seine Models tragen, bis zur Innenausstattung der Bildräume, selbst. Er und sein Team fertigen sie in Handarbeit aus historischen Materialien und die dazugehörigen Requisiten, die uns in das 15. oder 16. Jahrhundert, in eine entfernte Welt entführen.
1971 in der Schweiz geboren, in Italien, in Parma, aufgewachsen erlernte er Technisches Zeichnen, studierte Architektur und war als Grafikdesigner tätig. Das sichere Gefühl für Fläche, Proportion und Aufteilung … für Genauigkeit, Vorbereitung und Planung für alle seine Vorhaben bestimmen die Arbeit. Jedes historische Kostüm wird recherchiert bevor es in seiner Vision „seine“ Gestalt annimmt. Fotografisch ist Christian Tagliavini Autodidakt, aber was brauchte es auch noch bei seiner Vorbildung und einer von Renaissancegedanken durchtränkten Emilia-Romagna.
Die Berliner Galerie CAMERA WORK präsentiert bis zum 19. August eine Ausstellung mit über 40 teils bislang unveröffentlichten Exponaten des Künstlers Christian Tagliavini. Seine Arbeiten präsentiert er in Serien, die sich bestimmten Themen widmen. Die aktuelle Ausstellung zeigt wichtige Hauptwerke aus diesen Serien.

2008 präsentierte Tagliavini die Serie „Dame di Cartoons“ („Dame aus Pappe“). Seine Modells posieren in Kleidern aus Pappe, sie zeigen kubistische Modelle, die es schon im 17. Jahrhundert gab , aber natürlich auch in den 1950er Jahren.
CHRISTIAN TAGLIAVINI
Cubism III 2008
© Christian Tagliavini /
Courtesy of CAMERA WORK Gallery

Mit „1503“ entführte der Künstler die Betrachter seiner Bilder zwei Jahre später in das 16. Jahrhundert. Dabei ist 1503 eine Anspielung auf den Hofmaler der Medici Agnolo Bronzino (1503- 1572), Mit typischen Namen dieser Zeit tituliert präsentieren die Modells anmutig, aber auch mit mächtigem Stolz die Eleganz des Manierismus, die auch Bronzino in seinen Gemälden darstellte.
CHRISTIAN TAGLIAVINI
Artemisia 2010
© Christian Tagliavini /
Courtesy of CAMERA WORK Gallery

2012 „produzierte“ Tagliavini ein Kartenspiel: „Carte“. Jede der 11 Karten des Spieles zeigt vom Buben bis zum Ass ein eigenes Bild, das aus dem Kubismus, dem Jugendstil, der italienischen Volkskunst oder der Mythologie entstammt.
CHRISTIAN TAGLIAVINI
Regina di Fiori 2012
© Christian Tagliavini /
Courtesy of CAMERA WORK Gallery
Fast in die Neuzeit wagte sich Tagliavini 2015 mit „Vovages Extraordinaires“. Mit den Bildern dieser Serie schaffte der Künstler Arbeiten, die die Literatur, insbesondere die von Jules Verne, als Inspiration haben. In unverwechselbarer Feinarbeit zauberte er das ästhetische Bildgefühl des 19. Jahrhunderts auf das Fotopapier.

CHRISTIAN TAGLIAVINI
Avenue des Titans 2015
© Christian Tagliavini /
Courtesy of CAMERA WORK Gallery
Drei Romane Vernes „Reise zum Mittelpunkt der Erde“, „Von der Erde zum Mond“ und „Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer“ inspirierten Tagliavini Personen, Figuren weiterzuentwickeln.

Die Serie „1406“ ist die Anspielung auf einen bedeutenden italienischen Maler der Frührenaissance, auf Filippo Lippi (1406 -1469). Lippi, bekannt für seine filigrane Linienführung, war in seiner Kunstauffassung ein Verbündeter Christian Tagliavinis. Gewissenhaft modelliert präsentierte der Fotograf 2017 stolze, machtbewusste Schönheiten des 15. Jahrhunderts in dieser Serie.
CHRISTIAN TAGLIAVINI
La Mercante di Drappi 2017
© Christian Tagliavini /
Courtesy of CAMERA WORK Gallery
Die neueste Serie von 2019/20 heisst „Circesque“. Sie ist eine Hommage an die berühmten Circus Sideshows in den USA der 1920er Jahre. Die Modellvarianten waren noch vielgestaltiger und breiter als in den vorherigen Serien, eine große Herausforderung für Tagliavinis charakteristische Bildsprache.
Zur Ausstellung liegt ein gleichnamiger Bildband „Circesque“ vom teNeues Der Verlag, Düsseldorf vor, der diese Serie abbildet.

CHRISTIAN TAGLIAVINI
La giocoliera 2020
© Christian Tagliavini /
Courtesy of CAMERA WORK Gallery
Die Bildsprache Christian Tagliavinis stellt in der fotografischen Kunst ein Alleinstellungsmerkmal dar.
Seine Bilder sind exklusiv, einmalig, begehrt.
Die Kunstwelt ehrt ihn mit Superlativen, als Weltsensation betitelte ein Kritiker seine Porträts, als Zauberer in seiner Arbeit ein anderer.
Es ist die außerordentliche, spektakuläre Welt des Christian Tagliavini!
CAMERA WORK ab 24. Juni 2023 bis 19.August 2023
10623 Berlin, Kantstraße 149
Dienstag bis Samstag 11 bis 18 Uhr,
Eintritt frei!
www.camerawork.de
Tel.: 030 3100776