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Zur Ausstellung: Mondsüchtig – Zweihundert Jahre »Zwei Männer in Betrachtung des Mondes« in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden

Eine tolle Idee, die die Verantwortlichen des Albertinums der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden verwirklicht haben. Sie begnügen sich nicht mit der zwar immer wieder faszinierenden Dauerausstellung, sondern gestalten kleinere Sonderpräsenzen mit Werken aus dem eigenen Fundus des Hauses. In der Regel widmen sich diese einem Themenkomplex, der den Einblick in ansonsten verborgene Schätze gibt. Focus Albertinum!

Zwei Männer in Betrachtung des Mondes, 1819
Caspar David Friedrich
Öl auf Leinwand, 33 x 44,5 cm
Albertinum
© SKD, Foto: Elke Estel/Hans-Peter Klut

Anlass für die aktuelle Ausstellung Focus Albertinum: Mondsüchtig – Zweihundert Jahre »Zwei Männer in Betrachtung des Mondes« ist ein Jubiläum der besonderen Art. Das im Jahre 1819 von Caspar David Friedrich in Dresden geschaffene Bild gehört nicht nur zu den absoluten Highlights des Museums, sondern ist eines der bekanntesten Motive des Malers und ein Hauptwerk der Romantik überhaupt. Man hat es zum Anlass genommen, insgesamt 15 der schönsten Mondscheinlandschaften aus dem Bestand hinzuzufügen, so dass der Besucher sich ganz der ruhigen, beschaulichen, stimmungsvollen Atmosphäre hingeben kann.

Mondnacht bei Rügen, wohl 1819
Carl Gustav Carus
Öl auf Leinwand, 38,5 x 47,5 cm
Albertinum
© SKD, Foto: Jürgen Karpinski

Ende des 18. Jahrhunderts besannen sich Künstler verschiedener Genres darauf, dass die zeitnahe Geschichte, ihr christlicher Glaube, das Umfeld, die sie umgebende Natur, ihre Gefühle und ihr Sinnen sie mehr inspirieren als die strengen Vorgaben des herrschenden Klassizismus. Zum einen förderte das aufkommende Bürgertum und die damit verbundenen gesellschaftlichen Einschnitte den Wunsch nach künstlerischer Verarbeitung, zum anderen veranlassten die Nachwirkungen der napoleonischen Kriege viele, sich zu positionieren. Die brachiale Seite der französischen Aufklärung, Leid und Zerstörung durch Napoleons Feldzüge zwangen die Romantiker geradezu dazu, das Mittelalter als die deutsche Alternative anzusehen. Melancholie, Schilderung sentimentaler Bilder, Verklärung und Anziehungskraft des Todes, Friedhofszenen mit Kirchenruinen, häufig zur nächtlichen Stunde, Einsamkeit und religiöse Themen oft gepaart mit der Sehnsucht nach Erlösung bestimmten die Motive romantischer Künstler.

Winterlandschaft mit verfallendem Tor, 1816/18
Carl Gustav Carus
Albertinum
© SKD, Foto: Elke Estel/Hans-Peter Klut

Caspar David Friedrich (geb. 1774 in Greifswald, gest. 1840 in Dresden) begann mit 16 Jahren seine künstlerische Ausbildung bei einem Zeichenlehrer der Universität Greifswald (J. G. Quistorp), der es neben den Maltechniken verstand, Friedrichs Geist darin zu schulen, die Dinge nicht nur zu »sehen«, sondern sie zu »empfinden«. 1794 setzte er sein Studium an der Kunstakademie in Kopenhagen fort, nach 4 Jahren wählte er Dresden als seinen Wohnsitz, er sollte es für immer bleiben. Dresden war eine europäisch anerkannte Kunststadt, vor allem jedoch fand er hier Menschen und Künstler, die seinen Ideen sehr nahe standen, der Maler Gerhard von Kügelgen (1772 – 1820), der Maler Georg Friedrich Kersting (1785 – 1847), der norwegische Maler Johann Christian Clausen Dahl (1788 – 1857) und der Arzt und Maler Carl Gustav Carus (1789 – 1869). Sie verband vor allem eine tiefe Freundschaft, die in ihren künstlerischen Beziehungen aber auch im Schriftgut ihren Niederschlag fand. Sie sind es auch, die zur aktuellen Ausstellung im Albertinum »Mondscheinlandschaften« beigetragen haben.

Kopie nach: Kopenhagener Hafen bei Mondschein, nach 1830
Johan Christian Dahl
Albertinum
© SKD, Foto: Elke Estel/Hans-Peter Klut

»Zwei Männer in Betrachtung des Mondes« ist nur 33 x 44,5 cm groß. Caspar David Friedrich malte es in Öl auf Leinwand in einer an Sepia erinnernden Stimmung. Reproduktionen gelingen aus diesem Grunde immer nur mit Einschränkungen, so dass jedem Interessenten das Original empfohlen sei! Denn, dieses Bild definiert das Wollen der Romantiker am eindeutigsten und empfahl Friedrich zu dem Romantiker par excellence.

Bevor das Bild 1840 zum Eigentum der Dresdener Kunstsammlungen wurde, gehörte es Johann Christian Dahl, der es im Tausch gegen eines seiner Bilder von Friedrich erhalten hatte.

Caspar David Friedrich malte die Landschaft nicht wie er sie sah, sondern was er bei ihrem Anblick fühlte und empfand.  Das Bild sollte Mittler, Anreger sein, eine Geschichte erzählen. Häufig wählte er im Vordergrund eine »Barriere«, die den Betrachter innehalten, aufmerksam machen sollte. Typisch sind Bildkompositionen, die den Blick des Betrachters zum Geschehen führen, parallele Strukturen, Einschnitte, die die Sicht lenken. Ganz oft verliert sich der Hintergrund im sehnsüchtigen Nichts.

Zwei Männer in Betrachtung des Mondes, 1819
Caspar David Friedrich
Öl auf Leinwand, 33 x 44,5 cm
Albertinum
© SKD, Foto: Elke Estel/Hans-Peter Klut

»Zwei Männer in Betrachtung des Mondes« strahlt eine mystische, geheimnisvolle Stimmung aus. Die Nacht, die überschaubar, aber doch unheimlich ist, der Mond als Freund, den man besingt, liebt, dem man alles anvertrauen würde zu stiller Stunde.

Ein großer Felsbrocken im linken unteren Bildteil gibt den Blick frei für den aufsteigenden Weg, der uns zu den beiden Männern führt, die, umrahmt von 2 Baumgruppen mit Rücken zum Betrachter stehend, den Mond betrachten. »Rückenfiguren« sind für Caspar David Friedrich eine typische Wahl. Zum einen laden sie den Betrachter ein, mit zu schauen, deuten die Richtung für das Wesentliche an, zeigen aber andererseits, dass wir nicht die ersten sind, die eine Naturszene sehen. Vitale, begrünte Bäume links der beiden Männer und die abgestorbene Eiche rechts davon – was will uns der Maler sagen, Leben und Tod, Hoffnung und Niederlage, die Vergänglichkeit?

Caspar David Friedrich drückt neben zwei anderen Bildern auch mit diesem seine Sympathien für die deutschnationalen Ziele aus, die sich nach dem Sieg über Napoleon in Burschenschaften und bürgerlichen Vereinen für ein vereintes Deutschland formten. Die zwei mondbetrachtenden Männer tragen die typische altdeutsche Tracht mit Barett und schwarzer Jacke, die für diese »Demagogen« bezeichnend war. Das hatte er bewusst so gemalt und benannt, wie es zeitgenössische Berichte bestätigen (Karl Förster, Biographische und literarische Skizzen, S. 156-157).

Vereint betrachten die beiden Männer (ist es Friedrich selbst und einer seiner Schüler? – man weiß es nicht genau) den hell aufleuchtenden Mond, der sich mit seiner Sichel begrenzt und die Rinde der sterbenden Eiche mit seinem Licht benetzt. Stehen die beiden an einem Abhang, vor dessen Gefahren sie das Mondlicht, die Hoffnung schützt?

Der sich im Bildhintergrund befindliche Mond wird von einem homogenen Himmel umrahmt. Könnte das die Vision oder bildgewordene Sehnsucht eines vereinten Vaterlandes sein, auf das die beiden hoffnungsvoll schauen?

Alle 15 Mondscheinlandschaften der Ausstellung verraten die künstlerische Verwandtschaft unter den Malern. Stimmungsvolle Ansichten der Dresdener Elbbrücke mit Hofkirche, Hausmannsturm und Frauenkirche von J. Chr. Dahl oder der Golf von Salerno von E. F. Oehme, Hafenbilder von J. Chr. Dahl und C. D. Friedrich, eine Mondscheinstudie von Chr. F. Gille werden ergänzt von einem frühen Bild C. G. Carus »Mondnacht bei Rügen« und einem seiner späten Arbeiten »Mondscheinlandschaft« von 1859.

Dresden bei Vollmondschein, 1839
Johan Christian Dahl
Albertinum
© SKD, Foto: Jürgen Karpinski

Eine Kabinettausstellung, die man mit Ruhe und Zeit genießen sollte. Jedes der 15 Bilder vermag einen einzuladen, über das Gesehene hinaus nachzudenken, seine eigenen Gedanken zu formulieren. Jedes dieser Bilder hat seinen besonderen Reiz, obwohl die oft zugrunde liegenden mystischen Motive nicht zu unserer Zeit passen mögen, sehen wir sie gern. Vielleicht bildet auch heute noch der eine oder andere seine Wünsche und Sehnsüchte in den verheißungsvollen oft ins Unendliche reichenden Meeres-, Himmels- oder Wolkenbildern unserer Romantiker ab?

Zumindest erlaubt der 1991 von Dan Graham in Glas und Aluminium geschaffene »Pavillon with Chinese Moon Gates« die Vermutung, dass auch heute noch, die Liebe zu unserem nächtlichen Begleiter nicht verloren gegangen ist. Diese Arbeit hat sogar den Vorteil, dass man seine Sehnsüchte dem Mond direkt eingeben kann. Eine Leihgabe der Gesellschaft für Moderne Kunst Dresden e.V.

Abend am Ostseestrand, 1831
Caspar David Friedrich
Albertinum
© SKD, Foto: Elke Estel/Hans-Peter Klut

Focus Albertinum
Mondsüchtig – Zweihundert Jahre
Zwei Männer in Betrachtung des Mondes

Vom 26. Juni 2019 bis 14. Juni 2020
Staatliche Kunstsammlungen Dresden

Albertinum

Tschirnerplatz 2
01067 Dresden

Öffnungszeiten:
10 bis 18 Uhr, montags geschlossen

Website: https://www.skd.museum