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Retrospektive »Stephan Balkenhol« im Lehmbruckmuseum Duisburg

Richard-Wagner-Denkmal in Leipzig, 2013
Stephan Balkenhol
(Sockel von Max Klinger)
Foto: privat

Man begegnet ihnen überall, nicht nur auf Straßen und Plätzen in deutschen Städten, Museen und Galerien, auch im Ausland sind sie präsent, die prägnanten und unverwechselbaren Skulpturen des deutschen Künstlers Stephan Balkenhol. Ab 22. Oktober 2020 widmet ihm das Lehmbruckmuseum Duisburg eine große Retrospektive mit 200 Exponaten ausgehend von frühen Skulpturen bis zu Werken der Gegenwart.

Porträt Stephan Balkenhol
Foto: Kathrin Balkenhol

Stephan Balkenhol wurde 1957 im hessischen Fritzlar geboren und hat bei Ulrich Rückriem an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg studiert. Nach Lehraufträgen in Hamburg und Frankfurt/Main lehrt er seit 1992 als Professor für Bildhauerei an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe.

Als Stephan Balkenhol in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in das Kunstleben der Bundesrepublik eintrat, war dieses durch eine Vielzahl moderner zeitgenössischer Kunstrichtungen wie Konzept-, Minimal- oder Performancekunst geprägt.

Dem wollte er nicht folgen!

»Für mich war der Ausweg eine Kunst, die keine unmittelbare Botschaft hat und deren Intention nicht sofort evident ist – nämlich etwas zu machen, das erst einmal gar nichts will, sondern nur da ist.« (2), das bewusst keinem psychologisierenden oder politisierenden Gedanken folgen will.

Fortan entstanden die vielen farbig bemalten Holzskulpturen, vor allem vereinzelte menschliche Figuren, deren bekannteste der Mann mit der schwarzen Hose und dem weißen Hemd ist. Es sind keine Helden, eher in Stille sinnend, die Eindrücke ihrer Umgebung aufnehmend, zeigen sie uns keine Reaktion, ihr Blick geht an uns vorüber.

Links: Stephan Balkenhol
Mann mit weißem Hemd und schwarzer Hose
© VG Bild-Kunst, Bonn 2020
Foto: Wilfried Petzi, Courtesy Galerie Rüdiger Schöttle

Rechts: Stephan Balkenhol
Mann mit weißem Hemd und schwarzer Hose
© VG Bild-Kunst, Bonn 2020
Foto: Wilfried Petzi, Courtesy Galerie Rüdiger Schöttle

Man liebt sie, diese kleinen und großen Figuren auf Plätzen oder Straßen. Auch wenn sie Stephan Balkenhol zunächst einmal nur hingestellt hat, »damit sie einfach da sind«, so gehen sie mit ihrer Umgebung eine Symbiose ein, verleihen ihr eine Seele, schaffen eine lebendige Atmosphäre. Bewusst lehnt der Künstler für seine Skulpturen eine vordergründige plakative Botschaft ab. Vielmehr wünscht er sich, dass die Betrachter in ihnen ein Geheimnis wahrnehmen, das eine persönliche Deutung zulässt. Er liebt die Spannung, die sich aus der alltäglichen Umgebung und der Aura seiner Skulpturen ergibt.

Ein bekanntes Beispiel ist »Der Balanceakt« am Springer-Haus in Berlin, einer historisch brisanten Stelle: ehemaliges Zeitungsviertel/hier verlief die Mauer/hier begannen 1968 die Studentenunruhen. Sicher ist an diesem Ort Balance erforderlich, aber auch jede individuelle Deutung möglich..

Balanceakt, Berlin, 2009
Stephan Balkenhol
Beton/Bronze
Foto: Theresa Wittemann

Imponierte der temporär im Caesarforum in Rom aufgestellte Männertorso durch seine Höhe von 6m, lenken seine kleineren Arbeiten oft durch die hinzukommende Raumwirkung ebenso die Aufmerksamkeit auf sich (z.B. »Figurenpaar« 2013 in der deutschen Botschaft in Paris). Allen gemeinsam ist die charakteristische spröde, zuweilen ruppig wirkende Oberflächenbehandlung der Skulpturen, die den meist verwendeten Werkstoff Holz atmen und trotz farbiger Gestaltung den Holzcharakter erhalten lässt. Es gibt von Stephan Balkenhol auch Arbeiten mit anderen Materialien (Stein, Bronze), aber Holz in seinen verschiedenen Varianten bleibt sein Favorit, entspricht seinem Temperament, lässt eine schnelle Lösung zu.

Tanzendes Paar
Stephan Balkenhol
© VG Bild-Kunst, Bonn 2020
Foto: Uwe Walter

Alles macht er selbst, jeder gelöste Span, jeder Pinselstrich, jeder Schlag an der Skulptur wird durch seine Hand geführt. Und seine Gedanken während des Schaffens richten sich schon an den späteren Betrachter: die Besonderheit der Skulptur! Er betont ihre raumgreifenden und -verdrängenden Eigenschaften, die Gleichzeitigkeit von Material, Form, Raum und Thema, die der Betrachter verarbeiten muss.

Das gelang den Kuratoren der dOKUMENTA 2012 nur schlecht. Im Blickfeld ihrer Präsentation prangte im Turm der Kasseler St. Elisabeth-Kirche Balkenhols prominente Skulptur »Mann im Turm«. Sie sollte weg, weil sie das Konzept der dOKUMENTA konteragiere. Der Mann im Turm blieb, vielmehr eröffnete Stephan Balkenhol eine öffentliche Diskussion darüber, wie gefährlich und unsinnig die Machtzunahme durch die Kuratoren in der heutigen Ausstellungspraxis im Vergleich zur Bedeutung des Künstlers ist.

Kalender 2020 (März), 2019
Stephan Balkenhol
© VG Bild-Kunst, Bonn 2020
Foto: Künstler

Jedes Werk Stephan Balkenhols trägt seine Handschrift. Mit der gleichen Sorgfalt begleitet er jede seiner zahlreichen Ausstellungen, so dass man in der aktuellen Präsentation in Duisburg sicher sein kann, dass die 200 ausgestellten Exponate diejenigen sind, die uns Stephan Balkenhol zeigen will.

Ein besonderer Höhepunkt ist eine Werkgruppe von »Köpfen«, die eigens für die Duisburger Ausstellung gefertigt und erstmals zu sehen sein wird. Zahlreiche Zeichnungen und Gipsmodelle bieten darüber hinaus Einblicke in seinen Schaffensprozess und seine künstlerische Ideenwelt.

»Ich bin nicht unbedingt ein Erzähler, halte aber viel von Phantasie, ohne die keine Kunst auskommt, wenn sie sich Neues ausdenkt oder sich auf Überraschendes einlässt. …« (2) im Gespräch mit Heinz Norbert Jocks.

Kalender 2020 (Januar), 2019
Stephan Balkenhol
© VG Bild-Kunst, Bonn 2020
Foto: Künstler

Die Ausstellung wird von der NATIONAL-BANK AG und dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen unterstützt.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog bei SCHIRMER/VOGEL, im Buchhandel für 49,80 €.

Stephan Balkenhol

Vom 22. Oktober 2020 bis zum 28. Februar 2021
Lehmbruckmuseum Duisburg
Düsseldorfer Str. 51
47051 Duisburg

Öffnungszeiten
Die – Fr.  12 – 17:00 Uhr
Sa.  – So.  11 – 17:00 Uhr
Mo geschlossen

Mehr Informationen und Veranstaltungen: www.lehmbruckmuseum.de

Literatur:
(1) Lehmbruckmusum/Pressematerial
(2) Kunstforum.de