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Napoleon und „Die Ohnmacht der Esther“ in Dresden

 

 

Ausstellungsansicht
„Napoleon und ‚Die Ohnmacht der Esther'“,
2023

Die Rückkehr der 16 qm großen Tapisserie „Die Ohnmacht der Esther“ in das Dresdner Residenzschloss sollte nicht nur für Liebhaber dieser Kunst von Interesse sein, sondern dieses Meisterwerk der Pariser Hofkunst ist der Schlüssel für sehr interessante historische Betrachtungen. 

Napoleon Bonaparte (1769 – 1821) ließ auf dem Höhepunkt seiner uneingeschränkten Macht wertvolle Geschenke für seine Bündnispartner fertigen. Tapisserien gehörten dazu. Auch der erste sächsische König Friedrich August I. (1750 – 1827) kam 1810 in diesen Genuss.

„Die Ohnmacht der Esther“ zierte fortan den großen Speisesaal des Dresdner Residenzschlosses. 1943 wurde der Wandteppich aus Sicherheitsgründen ausgelagert und galt seit dem Kriegsende als verschollen, …. bis er  2020 im Auktionshaus Christie’s wieder auftauchte.

Jetzt mussten ihn die Sachsen allerdings kaufen.

Tapisserie „Napoleon und Die Ohnmacht der Esther“,
(nach der Restaurierung im Januar 2023) 1791
© Freistaat Sachsen, Foto: SIB

„Die Ohnmacht der Esther“ war 1791 nach einem Gemälde des hoch angesehenen Hofmalers Antoine Coypel (1661 – 1722) in der berühmten Pariser Gobelin-Manufaktur unter Leitung von Michel Henri Cozette (1744 – 1822) geknüpft worden. 

Der Gobelin stellt in spätbarocker Malweise eine Szene aus dem Buch der Esther im Alten Testament dar. Das Bild zeigt den prunkvollen Palast des persischen Grosskönigs Artaxerxes (465 – 424 v.Chr.) am Hofe im persischen Susa. Der König ist aufgesprungen als er die dahin sinkende Esther, seine Frau, zur Audienz empfängt. Die Bibel berichtet zu Esther:

„… Dann nahm sie zwei Dienerinnen mit;…sie selbst strahlte in blühender Schönheit, ihr Gesicht war bezaubernd und heiter, ihr Herz aber war beklommen von Furcht. Sie durchschritt alle Türen und blieb vor dem König stehen. Er saß auf seinem königlichem Thron, angetan mit seine Prunkgewändern voll Gold und Edelsteinen. Der Anblick war furchterregend. Als er aufblickte und die Königin in wildem Zorn mit feuerrotem Gesicht ansah, wurde sie bleich, fiel in Ohnmacht und sank auf die Schulter der Dienerin, die vorausging. Besorgt sprang er vom Thron auf und nahm sie in seine Arme, bis sie wieder zu sich kam. …“
Die Bibel, Herder, Freiburg.Basel.Wien, ©1980 Kathol. Bibelanstalt GmbH Stuttgart, Buch Ester, 5, 1a-1e

Auf der rechten Bildseite erkennt man den ranghöchsten Fürsten am Hofe Artaxerxes`, den Großwesir Haman. In seinen Händen hält er den durch ihn erwirkten königlichen Erlass: man solle „alle Juden, Jung und Alt, auch Kinder und Frauen, am gleichen Tag, im zwölften Monat, dem Monat Adar (beginnt Mitte Februar), erschlagen, ermorden und ausrotten und ihren Besitz plündern.“ Haman hasste die Juden, nur weil der Jude Mordechai ihn nicht gebührend achtete. Allein das reichte ihm, beim persischen König diesen Erlass zu erreichen. 

 

Ausstellungsansicht „Napoleon und ‚Die Ohnmacht der Esther'“,
2023
© Staatliche Kunstsammlungen Dresden,
Foto: Oliver Killig

Interessanterweise begründet König Artaxerxes seinen vernichtenden Erlass mit Worten,
die sehr modern klingen:

„Als Herrscher über viele Völker und Gebieter über die ganze Welt habe ich beschlossen - nicht aus überheblicher Willkür, sondern in meinem allzeit bewiesenen Streben nach Milde und Güte - meinen Untertanen in jeder Hinsicht ein ruhiges Leben zu sichern, die Entwicklung des Reiches zu fördern, es bis an die Grenzen mit guten Straßen zu versehen und allen Menschen wieder den ersehnten Frieden zu schenken. “
Die Bibel, Herder, Freiburg.Basel.Wien, ©1980 Kathol. Bibelanstalt GmbH Stuttgart, Buch Ester, 3,1b

Nur durch mutiges und konsequentes Handeln der schönen Esther, sie war die Nichte ihres Onkels Mordechai, gelang es, das Schlimme zu verhüten. Mordechai hatte Esther gebeten, den König anzuflehen, den Erlass fallen zu lassen. Erst zögerte sie, weil selbst ihr eine Audienz nur unter bestimmten Bedingungen erlaubt war. Dringend erwiderte Mordechai ihr:

„Glaub ja nicht, weil du im Königspalast lebst, könntest du dich als Einzige von allen Juden retten. Wenn du in diesen Tagen schweigst, dann wird den Juden anderswoher Hilfe und Rettung kommen. Du aber und das Haus Deines Vaters werden untergehen. “
Die Bibel, Herder, Freiburg.Basel.Wien, ©1980 Kathol. Bibelanstalt GmbH Stuttgart, Buch Ester, 4,13

Auch diese Worte sind uns zur Zeit nicht fremd. 

Der erste Genozid an den Juden, lange vor der Geburt Christi, war verhindert worden.

Als Ursache dieser vorchristlichen, antijüdischen Haltung nimmt man an, dass der jüdische Glaube an den einen Gott andere Völker, die eine Vielzahl von Göttern verehrten, provozierte. Noch heute gedenken die Juden mit dem Purimfest Anfang März eines Jahres dieser glücklichen Wende durch Ester und Mordechai. 

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Diese Tapisserie schenkte Napoleon Bonaparte 1810 dem König Friedrich August I. von Sachsen. Vielleicht sollte es den ehemaligen Gegner warnen. In Erinnerung an die vernichtende Niederlage Preußens und Sachsens im Jahr 1806 in der Doppel-Schlacht von Jena und Auerstedt saß Sachsen damals auch ohnmächtig vor dem großen Feldherren!
Man weiß es nicht.

 

 

 

 

 

 

Carl Christian Vogel von Vogelstein,
Bildnis König Friedrich August von Sachsen,
1831
© Albertinum, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Estel/Klut

Französische Rheinbundtruppen besetzten unter dem Motto „Befreiung vom preußischen Joch“ nach 1806 das sächsische Land. Sie trafen dabei den Nerv eines großen Teils der Bevölkerung. Dazu kam, dass Napoleon im „Frieden von Posen“ vom 11. Dezember 1806 den Sachsen gute Konditionen zuerkannte. Der Friedensvertrag von Posen sah den Beitritt Sachsens zum Rheinbund vor. Dieser Staatenbund, eine Konföderation deutscher Staaten, war unter starker Vormundschaft Frankreichs im Sommer 1806 in Paris konstituiert worden. Damit verbunden war die Erhebung Sachsens zum Königreich, aus dem Kurfürsten Friedrich August III. wurde der König Friedrich August I.. 

 

 

Bertrand Andrieu,
Medaille 1806 auf die Königswürde und
die Allianz Frankreichs mit Sachsen
Silber, Durchmesser 40,2 mm
© Münzkabinett, Staatlliche Kunstsammlungen Dresden,
Foto: Kathleen Dittrich

Verbunden war damit aber auch die Verpflichtung, zukünftig mit bereitzustellenden Truppen an der Seite Frankreichs zu kämpfen. Napoleon „beschenkte“ Sachsen mit dem „Cottbuser Kreis“ mit neuem Land und übertrug Friedrich August I. die Verantwortung über das neu gegründete Großherzogtum Warschau. Wie bekannt ist, herrschte der sächsische Monarch nur sehr zurückhaltend über diese neuen Gebiete. Galt er auf dem Papier als Verbündeter Napoleons, 1809 weilte Friedrich August zu einem Besuch in Paris, litt sein Land unter den französischen Bedingungen schwer, finanziell, ökonomisch und menschlich. Die Stimmung kippte entsprechend. Letztlich wurde dieses Bündnis mit Frankreich nach der Niederlage 1813 in der Völkerschlacht für Sachsen in allen Belangen zum Verhängnis. 

 Die Präsentation – Napoleon und „Die Ohnmacht der Esther“ – zeigt in den Räumen des Neuen Grünen Gewölbes neben der restaurierten Tapisserie über 60 Objekte, die charakteristisch für die kurze Zeit der engen sächsisch-französischen Beziehungen sind. Dazu gehören Bilder, Vasen, Geschirrteile, eine Büste Napoleons und viele Accessoires. 

Ausstellungsansicht „Napoleon und ‚Die Ohnmacht der Esther'“,
2023
© Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Oliver Killig

 

Ein Paar Reitstiefel des Kaisers Napoléon I.,
um 1813
© Rüstkammer, Staatliche Kunstsammlungen Dresden,
Foto: Estel und Klut

 

Staatliche Kunstsammlungen Dresden

Napoleon und „Die Ohnmacht der Esther“

Dresden, Residenzschloss
11.03.2023 bis 05.06.2023

täglich 10 – 18:00 Uhr

dienstags geschlossen