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Max Peiffer Watenphul in Chemnitz – Vom Bauhaus nach Italien

Die aktuelle Ausgabe der „Kunstzeitung“ von Lindinger + Schmid titelt mit der povozierenden Überschrift „Schafft sich die Kunst selbst ab?“ Überzeugend begründet Karlheinz Schmid sein Frage mit Fakten, den fragwürdigen digitalen Blendwerken der Youngster-Szene in Form des „NFT“, der abartigen Preisentwicklung auf dem Kunstmärkten, der Glorifizierung von Künstlergruppen, in denen das individuell Künstlerische nicht mehr erkennbar wird. Aber auch „die verbleibenden Einzelkünstler“ produzieren Werke, in denen man die „Kunst“ suchen muss, oder sie eben nicht mehr versteht. 

Welch fast unverhohlen freudige Überraschung ist es, besucht man in diesen Tagen in den Kunstsammlungen Chemnitz das Museum Gunzenhauser mit der Ausstellung „Vom Bauhaus nach Italien“. Verstehend, animierend, Freude an Farbe, Form und Motiv spendend beglückt der Maler Max Peiffer Watenphul mit seinen Bildern den Betrachter. Um es ganz einfach auszudrücken, es ist eine richtig schöne Ausstellung!

Klar, Fragen, die Stefan Vogel (*1981) mit einem ausgebrannten Kühlschrank auszulösen vermag, die in diesen Tagen aktueller nicht sein können, drängen sich bei Max Peiffer Watenphul nicht auf. Aber! Sollte Kunst nicht auch schön sein, erbauend? Max Peiffer Watenphul vermochte es mit seinen Werken. 

Max Peiffer Watenphul,
Weimar, 1920
Öl auf Leinwand,
56 x 59 cm
Von der Heydt-Museum, Wuppertal
Foto: Antje Zeiss-Loi
Medienzentrum Wuppertal
Copyright Diana Pasqualucci, Rom

Max Peiffer Watenphul
Frau mit Strohhut und Blume, 1922
Aquarell und Deckweiß auf Papier
53 x 40 cm, Privatsammlung
Foto: Kunstsammlungen Chemnitz/
Frank Krüger
Copyright Diana Pasqualucci, Rom

Eigentlich war er, 1896 in Weferlingen bei Braunschweig geboren, ein Jurist. Freude am Zeichnen und Malen empfand er schon in seiner Jugend. Plötzlich sah er, noch Student der Juristerei, in einer Münchner Galerie Bilder von Paul Klee (1879 – 1940), er war fasziniert, ging immer wieder hin, die Bilder ließen ihn nicht mehrt los. Trotz bravurös bestandenem Juraexamen entschloss er sich für die Kunst, für das Bauhaus in Weimar. Schnell erkannten die Meister, vor allem Johannes Itten (1888 – 1967), sein Talent. Arbeiten in allen Werkstätten, ja, Bereitstellung eines eigenen Ateliers brachten ihn nicht nur der Malerei näher, Textilarbeiten, Beschäftigung mit Gips, Keramik, der Drucktechnik vermittelten ihm ein Gefühl für Material und Gewebe, das in all seinen späteren Werken nachweisbar bleibt. Max Peiffer Watenphul war ein eigener Mensch, der sich nur wenig dem künstlerisch-frohen Leben der Bauhäussler anpasste, so wie er auch ein Leben lang „seinen“ Stil fernab von seinen Kollegen verfolgte, dabei je nach Ort und Zeit in seinem Tun variierte.

Max Peiffer Watenphul
Akte, 1922
Öl auf Leinwand,
93,5 x 98,5 cm
Privatsammlung
Foto: Lea Gryze
Copyright
Diana Pasqualucci, Rom

Ein Vertrag mit dem Kunsthändler Alfred Flechtheim (1878 – 1937) in Düsseldorf lockte ihn Anfang der 1920iger Jahre in den Kreis der Gruppe „Junge Rheinländer“. Von Reisen nach Salzburg, Mexiko, Frankreich, Italien und Jugoslawien künden eine große Zahl von Bildern, die seine Reiseindrücke wiedergeben. 

Aber auch seine Kunst wurde während der faschistischen Jahre als entartet eingeschätzt und aus Ausstellungen verbannt.

Es folgten Aufenthalte im Elternhaus in Hattingen, in Italien, Österreich und nach dem Krieg letztlich wieder in Italien, in Venedig, mit Zwischenaufenthalten  auf Ischia. Weitere Auslandsreisen, in denen er seine Werke präsentierte, füllten sein ereignisreiches, unruhiges Leben. Max Peiffer Watenphul starb 1976 in Rom. 

Er hatte in allen Zeiten seinen eigenen Stil. Lassen frühe Werke Gedanken an Paul Klee aufkommen, verraten kräftige Farben, aufgetragen in der Düsseldorfer Zeit, an die Bekanntschaft mit Alexej von Jawlensky (1864 – 1941). Die Darstellung weiblicher Porträts zeugen in dieser Periode auch von seiner möglichen expressiven Ausdrucksweise. Einen besonderen, landestypischen Eindruck hinterlassen seine Werke, die er in Mexiko schuf. Bunt, volkstümlich und mit breitem Pinselstrich aufgetragen gelang es ihm, die Atmosphäre einzufangen. In seiner ersten Italienzeit widmete sich Max Peiffer-Watenphul intensiv der fotografischen Technik, die er sich 1927 an der Folkwang-Schule in Essen bei dem früheren Bauhausschüler Max Burchartz (1887 – 1961) angeeignet hatte. 

Neben wunderschönen Stillleben mit Mohnblumen, Rosen, Muscheln, Anemonen und Veilchen, wie schön könnte das Leben sein!, entstanden in die Zeit des Faschismus an die Neue Sachlichkeit erinnernde Industrielandschaften mit rauchenden Schloten, nicht zufällig in düsterem Ton gehalten. 

Max Peiffer Watenphul
Industrielandschaft, 1935
Öl auf Leinwand
98 x 112 cm
Privatsammlung
Foto: Kunstsammlungen Chemnitz/
Frank Krüger
Copyright
Diana Pasqualucci, Rom

Auch die Salzburger Stadtansichten verbreiten in ihrem Farbklang noch keinen Optimismus. Dem läßt er erst breiten Lauf nach seiner Übersiedlung nach Italien. Helle Farben, dem Auge wohltuende Farbkombinationen, Interesse hervorrufende raffinierte Motivzuschnitte und Wahl unüblicher Bildformate in Größe und Form machen das Verweilen vor diesen Gemälden zum langanhaltenden Genuss. Interessanterweise hat Max Peiffer-Watenphul italienische Landschaftsmotive nach 1945 ohne räumliche Tiefe gemalt, ließ Nähe und Ferne ohne Perspektive verschmelzen, während die früheren Arbeiten Ende der dreißiger Jahre noch eine Tiefenräumlichkeit aufweisen. So sind die neueren Stadtlandschaften von Venedig mit viel abstrakter Freiheit, meist mit nur wenigen Personen und wenn vorhanden, nur angedeutet gemalt, dargestellt. Wie hinter einem feinen Schleier  demaskieren sich die baulichen Wonnen dieser Stadt. Typisch sind für diese Zeit lineare Belebungen leerer Flächen, die er mit Kritzeleien, Strichen und Punkten erreichte. 

Max Peiffer Watenphul
Venedig – S.Marco, 1947
Öl über Bleistift auf Karton
52,4 x 70,8 cm
Kunstsammlungen Chemnitz-
Museum Gunzenhauser
Foto: Kunstsammlungen Chemnitz/
PUNCTUM/Bertram Kober
Copyright
Diana Pasqualucci, Rom

Max Peiffer-Watenphul war in ein enges freundschaftliches Netz mit seinen künstlerischen Zeitgenossen eingebunden. Angefangen mit ehemaligen Bauhausschülern verbanden ihn weitere Freundschaften u.a. mit Alexej von Jawlensky, Maria Cyrenius, Werner Gilles, Rudolf Levi, Hans Purrmann und weiteren . Die Künstler sammelten selbst Arbeiten ihrer Kollegen, beschenkten sich gegenseitig, so dass auch die Ausstellung in Chemnitz mit einer Reihe von Bildern diese Beziehungen widerspiegelt. 

Und warum sehen wir die lange verborgenen, ja zum Teil unbekannten Bilder Watenphuls gerade in Chemnitz und nur dort? Alfred Gunzenhauser (1926 – 2015) Galerist und Kunstsammler, hatte in seiner Sammlertätigkeit ein Gespür für Künstler, die nicht sofort in aller Munde waren. So beinhaltet seine Sammlung, die seit 2003 in Chemnitz zu sehen ist, eine Reihe von Bildern des Malers Max Peiffer-Watenphul. Sie bilden den Grundstock der aktuellen Ausstellung. Nicht zu vergessen ist das bewundernswerte Engagement der Kuratorin Anja Richter. Seit 2016 hatte sie Kontakt zu der in Italien lebenden Nichte des Künstlers. Dank dieser Verbindung ergaben sich weitere Objekte, erwartete, und zur Freude aller Beteiligten seltene und sehr wertvolle Werke.

Im Sandstein-Verlag Dresden ist ein umfangreich bebilderter Katalog mit  interessanten, weiterführenden Texten in Deutsch und Englisch erschienen. Klingende Beschreibungen durch die Autoren formuliert wie „unverbrauchte und prätentiöse Malerei“ (S.6), „feine(r) lyrische(r) Klang“ (S.96) oder „coloristische Empfindsamkeit“ (S.96) als Beispiele könnten das Lesen des Kataloges zum Genuss machen, wäre da nicht das übereifrige Gendern … Schade!

6. März bis 12. Juni 2022
Museum Gunzenhauser,
Stollberger Straße 2
09112 Chemnitz
T +49 (0)371 488 7024

Öffnungszeiten
Di,Do-So, Feiertag 11 – 18 Uhr
Mi 14 – 21 Uhr

Veranstaltungen zur Ausstellung unter
kunstsammlungen-chemnitz.de