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LEBENSWEGE. Sächsische Künstler im 20. Jahrhundert

Otto Dix
Düstere Landschaft, 1940
Mischtechnik auf Holz, 65 x 85 cm Kunstsammlungen Chemnitz – Museum Gunzenhauser, Eigentum der Stiftung Gunzenhauser
© VG Bild-Kunst, Bonn

Das Museum Gunzenhauser der Kunstsammlungen Chemnitz lockt Kunstinteressierte mit einer sehr informativen, anregenden und nachdenklichen Ausstellung in das Haus an der Stollberger Strasse. 

An sechs Biografien von bedeutenden Künstlern und Künstlerinnen, die zwischen 1870 und und 1909 geboren wurden, zeigt die Präsentation Nöte, Verwerfungen und Widersprüche in ihren Lebenswegen auf. Die Verwirrungen des Ersten Weltkrieges überstanden zwang sie die Nazi-Herrschaft zu folgenschweren Entscheidungen. Schon lähmte das zweite Inferno des Jahrhunderts jeden kreativen Gedanken, als auch nach dem Krieg die Entscheidung zwischen Demokratie und Autokratie stand. Alle sechs hatten ihren künstlerischen Ausgangspunkt in Chemnitz oder Dresden, kannten sich mitunter gegenseitig und prägten mit ihren Arbeiten im wesentlichen die Bewegung der Neuen Sachlichkeit der 1920er Jahre.

 

 

Gustav Schaffer
Die Mutter, 1926
Öl auf Leinwand, 98 x 81 cm
Kunstsammlungen Chemnitz

Gustav Schaffer (1881–1937) verbrachte, unterbrochen durch eine Reihe von Reisen, sein künstlerisches Leben in Chemnitz. 1907 war er an der Gründung der Künstlergruppe Chemnitz beteiligt. Er engagierte sich sehr für die Belange des Chemnitzer Kunstlebens und vor allem für seine Kollegen der Künstlergruppe, die unter materieller Unsicherheit litten.

„Das Band zwischen Künstler und Publikum ist zerrissen. …Erhaltet euch euren Idealismus. Eure Not freilich, die ihr in der Zeit der Stagnation lebt, wird dadurch nicht gelindert. Das Leben ist bitter. Dennoch lasst den Mut nicht sinken, …Es ist besser, für und um die Kunst zu leiden, als ihr Leichenfeddderer zu sein.“
Gustav Schaffer, 1931. in „Künstlergruppe Chemnitz“, R.W.Müller, 2. Auflage, S. 27

Mit Kriegsbeginn 1914 widmete er sich wenig bedeutenden „Kriegsflugblättern“, allerdings änderte die Einberufung rasch seine positive Zustimmung zum Krieg. Nach 1933 ordnete er sich in dass neue Staatswesen ein, entwarf Ehrenurkunden für verdiente Vertreter der Staatsmacht.
Er verstarb früh mit 56 Jahren 1937.

 

Da ist der in Chemnitz gebürtige Wilhelm Rudolph (1889-1982). 1932 wurde er zum Professor an die Kunstakademie Dresden berufen, von den Nazis verfemt und 1939 entlassen. Ab 1946 füllte er diese Funktion wieder in Dresden aus, bis ihn der amtierende Rektor Hans Grundig als „rückwärtsgewandten Künstler” 1949 entließ. Unvergessen sind seine Rohrfederzeichnungen, die „Das Zerstörte Dresden“ nach den Bombenangrifffen 1945 in seiner Brutalität ohne Vergleichbares darstellen.

Wilhelm Rudolph
Junger Mann, 1930
Öl auf Pappe, 74,5 x 61 cm
Kunstsammlungen Chemnitz

Auch die Hauptwerke von Otto Dix (1891-1969) gehören der Neuen Sachlichkeit an, entscheidend prägte er diese Stilrichtung. Freiwilliger im Ersten Weltkrieg, Arbeiten in Dresden, dann folgte der Umzug nach Düsseldorf, wo er sich der Künstlervereinigung „Das junge Rheinland“ anschloss, … und die geschiedene Martha Koch 1923 heiratete. Zusammen hatten sie 3 Kinder und ein Adoptivkind. 1925 erreichte er seine nächste Station: Berlin, nebenbei eine Professur an der Kunstakademie Dresden, Mitglied der Preußischen Akademie der Künste. Dann kam Hitler, Dix wurde aus allen Funktionen entlassen. Er zog sich in die innere Emigration zurück und lebte mit der Familie in Süddeutschland am Bodensee. Schon 1927 hatte er sich während seiner Dresden-Aufenthalte in das Modell Käthe König verliebt. 1939 gebar sie ihm eine Tochter. So hatte Otto Dix neben den äußeren Problemen dieser Zeit auch persönlich Ungereimtheiten mit “zwei Familien” auszufechten.

 

OttoDix
Selbstbildnis mit maskierter Tänzerin, 1945
Öl auf Leinwand auf Holz, 118,2 x 104,2 cm
Kunstsammlungen Chemnitz – Museum Gunzenhauser,
Eigentum der Stiftung Gunzenhauser
© VG Bild-Kunst, Bonn

 

 

Lea Grundig (1906–1977) war Jüdin. Während Ihres Kunststudiums lernte sie Otto Dix kennen. Seine Kunst war ihr Vorbild. Mitte der 1920iger Jahre trat sie der KPD bei, deren Gedankengut ihre Werke beherrschten. Sie als Judin und Kommunistin und ihre Arbeiten hatten nach 1933 kein Chance. Sie wurde verhaftet und eingekerkert.  

Lea Grundig
Sitzendes Mädchen, 1929
Bleistift, 55,8 x 41,2 cm
Kunstsammlungen Chemnitz
© VG Bild-Kunst, Bonn 2023

1939  gelang ihr die Flucht, zunächst nach Bratislava, später in das britisch verwaltete Palästina. Nach  dem Krieg kehrte sie über Prag nach Dresden zurück. Sie integrierte sich vollständig in den Staatsapparat der DDR, war in Dresden Professorin für Grafik, war Mitglied der Akademie der Künste der DDR, präsidierte von 1964 bis 1970 den Verband Bildender Künstler der DDR.

 

Rudolf Bergander
UnsereTrümmerfrauen, 1955
Öl auf Leinwand, 99,5 x 109,5 cm
Kunstsammlungen Chemnitz
© VG Bild-Kunst, Bonn 2023

Rudolf Bergander (1909-1970) hatte als Porzellanmaler begonnen, bevor er bei Otto Dix Meisterschüler in Dresden wurde. Mitglied der KPD seit 1928, aktiv in der Vereinigung revolutionärer bildender Künstler beantragte er 1939 die Aufnahme in die NSDAP! Während des Krieges blieb er mit seinen Arbeiten diesem Gedankengut treu.

 

1946 wurde er Mitglied der SED!.

Eine Professur und die Ernennung zum Rektor der Hochschule für Bildende Kunst in Dresden ab 1952 und nochmals 1964 rundeten seinen Lebensweg ab, den er nach dem Krieg mit Werken des sozialistischen Realismus füllte.
Schon damals: die Wege zwischen den Extremen sind kurz! 

 

Ihre Kunst ist überwältigend, weit über die Chemnitzer Grenzen hinausragend, hielt Martha Schrag (1870–1957) ein Lebenlang zu ihrer Wahlheimat Chemnitz, in der sie ab ihrem 14. Lebensjahr lebte. Wesentlich für ihre Ausbildung war Robert Sterl an der Dresdner Malschule. In Chemnitz wurde man bald auf sie aufmerksam. Geschmack, Technik, Gehalt und Wert ihrer Arbeiten fanden schnell viele Bewunderer. Besonders ihre Motivsuche in Werkhallen der Industriestadt führten zu bewundernswerten Lithografien. Holzschnitte in expressionistischer Technik folgten. 1907 war sie bei der Gründung der Künstlergruppe Chemnitz dabei. Beeinflusst durch Werke Paul Cezannes erkannte sie die grosse Bedeutung der Farbe in einem Motiv, die ihr auch die Bilder van Goghs bestätigten. Reisen in die grossen Museen Deutschlands regten ihre Kreativität zu fabelhaften Werken an, die Jugendstilideen erkennen lassen, sich aber immer mehr der Neuen Sachlichkeit annäherten. Landschaften im Erzgebirge, am Meer faszinierten sie bis ins hohe Alter. Stadtansichten von Chemnitz von ihr beleuchten viel eher die Hinterhöfe als das pulsierende Leben im Zentrum. Natürlich war auch sie von den Wirren des Ersten Weltkrieges ergriffen. Auch sie schuf „Kriegsflugblätter“, verherrlichte aber nicht den Wahnsinn, sondern widmete sich der auf sich „gestellten Frau als Helferin und Trösterin in dieser schweren Zeit“. Mit Beginn der Nazizeit zog sich Martha Schrag zunehmend aus der Öffentlichkeit zurück, noch mehr als 1937 23 ihrer Arbeiten als „entartet“ beschlagnahmt wurden. Ihre Wohnung und ihr Atelier fielen kurz vor Kriegsende alliierten Bomben zum Opfer. Aber immer wieder fand sie die Kraft und Freude zum Zeichnen. Sie ist Ehrenbürgerin von Chemnitz.  

Martha Schrag
Blick auf die Vorstadt Kappel, Chemnitz, 1930
Öl auf Leinwand, 90,5 x 67,5 cm
Kunstsammlungen Chemnitz

 

 

LEBENSWEGE

Kunstsammlungen Chemnitz
Museum Gunzenhauser
Stollberger Str. 2,
09119 Chemnitz

Öffnungszeiten
Mittwoch 14:00–20:00
Donnerstag bis Montag 11:00–18:0018:00
Montag Geschlossen
‚Dienstag11:00–18:00