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Konkrete Kunst aus Mitteleuropa – Die „Sammlung Böhm“ im Barockschloss Königshain

Dóra Maurer. Quod libet ,
2010-2012, Acryl auf Holz, 37 x 100 cm

Mitten in Europa, gut zu erreichen von Ost und West, von Nord oder Süd präsentiert sich in der kleinen Gemeinde Königshain bei Görlitz in einem wunderschön restaurierten barocken Schloss bis zum14. August 2022 eine Kunstausstellung der Sammlung Böhm. Unter dem Titel „Konkrete Kunst aus Mitteleuropa“ vermittelt sie den Grundgedanken einer gemeinsamen mitteleuropäischen Identität am Beispiel einer weit über die Grenzen lebenden gemeinsamen Kunst. 36 Künstler aus deutschsprachigen Ländern, aus Polen, Tschechien, der Slowakei, Ungarn und Rumänien zeigen ihre nach 1960 geschaffenen Werke der Konkreten Kunst. 

Man muss mit der 1917 im holländischen Leiden von Piet Mondrian (1872 – 1944) und Theo van Doesburg (1883 -1931) gegründeten Künstlergruppe „De Stijl“ (holländisch für „Stil“ oder „Formgebung“) beginnen, um in die Konkrete Kunst einzutauchen. Nach eigener Auskunft begann Piet Mondrian, die „logischen Folgerungen der kubistischen Entdeckungen“ auszuarbeiten. Damit gelangte er zu seiner Malerei der elementaren Formen und Farben. Er nannte sie Neoplastizismus. Theo van Doesburg, ein unermüdlicher Propagandist der Stijl-Ideen, entwickelte die Ansätze weiter, die er in einem „Manifest des Elementarismus“ zusammenfasste. Im Gegensatz zu Mondrian, der nur eine vertikal-horizontale Bildstruktur behauptete, zog van Doesburg dynamische Diagonalen in die Flächen ein, um die Spannung in den rechtwinkeligen Gefügen zu brechen. Das zeigt beispielhaft sein 1924 entstandenes Ölgemälde „Kontra- Komposition V“.  Im gleichen Jahr führte van Doesburg erstmalig den Begriff der „Konkreten Kunst“ ein, der sich 1930 durch die Gründung der Gruppe „Art concret“ in einer Kunst mit mathematisch – geometrischer Ausrichtung manifestierte. 

Die Abkehr von der allein an vertikaler und horizontaler Linie ausgerichteten Strenge Mondrians führte schließlich 1925 zum Bruch der beiden Protagonisten der De Stijl-Gruppe.

Als Piet van Doesburg 1931 starb, löste sich die Stijl-Bewegung auf.

Die aktuelle Ausstellung der „Sammlung Böhm“ zeigt eine breit gefächerte Auswahl von Werken, die streng nach diesen geometrischen Grundsätzen im Sinne einer konstruktiven Kunst geschaffen wurden. Es ist eine Kunst der realen Abstraktion, weil das Abstrakte ebenso wie in den mathematischen Wissenschaften hier durch eine ausdrucksvolle, bildhafte Realität ausgedrückt wird. 

Einige Beispiele:

 András Mengyán (1945)
Visuelle Programme IV.,1977-1982, Acryl auf
Leinwand, 120 x 120 cm

Ein ungarischer Künstler aus Bekescsaba.
1969 – 1990 Lehrer an der Ungarischen Akademie für Angewandte Kunst,
seit 1990 Professor an der Hochschule für Angewandte Kunst in Bergen.
Er lebt in Budapest.
Werkzeuge seiner Kunst sind der zwei-oder dreidimensionale Raum,
mathematische Berechnungen, geometrische Bearbeitung,
Farben, Licht und audiovisuelle Geräte. 

Klaus J.Schoen (1931)
Nr. 5, Grüne, Ebenen 1994, Acryl auf Leinwand,
150 x 30 cm

Klaus Jürgen Schoen wurde 1931 in Königsberg,
Ostpreußen, geboren. Studium an der Hochschule für
Angewandte Kunst in Ost-Berlin, später an der Hochschule
für Bildende Künste in Westberlin.
Sein Konzept ist, Grenzen aufzubrechen, um den Bildraum
von Überflüssigem zu befreien. Klare Stringenz und Intuition
sollten eine ausgewogene Komposition ermöglichen.
Einfachheit und Reduktion auf das Wesentliche
charakterisieren seine Werke.

 Andrzej Gieraga (1934)
Zwei Quadrate, 2004,
Öl auf Leinwand, 70 x 70cm.

Professor an der TU Radom (Polen)
an der Fakultät Kunst. 67 Einzelausstellungen
und Teilnahme an über 300 Kollektivausstellungen
in Polen und im Ausland.
Elemente seiner Bildsprache sind Licht,
Farbe und Geometrie.
Seine Bilder strahlen Ordnung und Harmonie aus.
Neben Malerei ist er grafisch und plastisch tätig.

 Hellmut Bruch.*1936
o.T., 2001, Edelstahlrelief, 55 x 55 cm.  

Lebt in Hall in Tirol.
Seine Arbeiten suchen Proportionen,
die sich auf Naturgesetzlichkeiten beziehen
und in offenen Formen Gestalt annehmen,
die in der Unendlichkeit münden.
Er bevorzugt als Materialien Edelstahl
und farbiges Acrylglas. 

 Waldemar Mattis-Teutsch  *1950
Nurni, 2013, Lentikuläres Bild,

Der im rumänischen Brasov (Kronstadt)
ansässige Künstler ist ein Meister des Lentikularbildes,
indem er mehrere Motive in einem Gemälde vereint.
Dabei wird in der Regel ein dreidimensionaler
Eindruck vermittelt. Da bei verschiedenen
Blickwinkeln die Motive „wechseln“,
bezeichnet man sie auch als Wackelbilder.

 Peter Somm (*1940)
Ohne Titel, 1996,
Öl auf Leinwand, 60 x 80 cm.     

Der Schweizer Anästhesist widmete
sich als Autodidakt zunächst der
konstruktiven Malerei bis er seine
Erfüllung in einer Lichtmalerei fand.
Parallele, sehr schmale Farbbänder
führen zu einem pulsierenden,
hellen Reiz auf der Netzhaut der
Betrachter. „Kraftvolle Urbilder“
entstehen, so Peter Somm.   

 Otto Reitsperger (*1955
HH 207, 1999,
Öl auf Leinwand, 80 x 70 cm   

Ein Zweitstudium führte den Österreicher
Otto Reitsperger  nach Leipzig an die
Hochschule für Grafik und Buchkunst.
Seit den 90iger Jahren wandelt sich sein
Werk zur abstrakten Motiven, die zum
Teil den Charakter konkreter Formen annimmt.

Typisch für ihn sind Arbeiten in Serien.
Sein Atelier steht heute in Berlin.          

Der Besuch der Ausstellung wird durch das ruhige, beschauliche Ambiente, dass das Barockschloss Königshain mit seinen ausgedehnten, beispielhaft renovierten Gutsanlagen und Wirtschaftsgebäuden bietet zum doppelten Erlebnis. 

Das Schloss geht auf ein in den Jahren 1764 bis 1766 errichtetes Rittergut zurück. Wie so viele dieser historischen Gebäude weist es eine typische Geschichte auf: 1945 Enteignung des letzten Besitzers im Rahmen der Bodenreform, kurzzeitige Nutzung durch die Rote Armee und krönende Nutzung durch einen Kindergarten während der DDR-Zeit.

Wieder im Besitz der Gemeinde erfolgte glücklicherweise die umfangreiche Sanierung von 1997 bis 2006.

Ein Kraftakt, den es zu würdigen gilt.
In dankenswerter Weise trägt die „Sammlung Böhm“ mit der Präsentation „Konkrete Kunst aus Mitteleuropa“ dazu in bester Weise bei.

 Die Familie „Böhm“ sammelt Gemälde schon über 2 Generationen hinweg. „Vater Böhm“ begann damit, siebenbürgische Kunst des 20. Jahrhunderts zu sammeln, was sein Sohn, der jetzige Besitzer Dr. Josef Böhm kontinuierlich ergänzt. Er selbst hat eine zeitgenössische mitteleuropäische Sammlung aufgebaut, dabei ist ein Schwerpunkt die Konkrete Kunst, die aktuell in Königshain zu sehen ist. 

Die Werke der siebenbürgischen Sammlung, im wesentlichen zwischen den beiden Weltkriegen entstanden, werden z.Z. bis März 2023 im katholischen Bischofspalast in Oradea( Großwardein) in Rumänien ausgestellt.